Kanzlerreise - deutsche Signale an Japan
27. April 2022Als erstes Land in Asien besucht Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag und Freitag Japan. Es handelt sich erst um seine dritte Amtsreise ins außereuropäische Ausland nach den USA und Israel. Auf diese Weise will Scholz die gewachsene Bedeutung Japans für Deutschland hervorheben. Die Botschaft laute, dass Deutschland Asien nicht aus den Augen verliere, hieß es aus diplomatischen Kreisen. Der Abstecher von Scholz in den Fernen Osten hat noch einen formalen Grund: Vor dem G7-Gipfeltreffen, das diesmal Ende Juni im bayerischen Schloss Elmau stattfindet, besucht der Gastgeber traditionell die anderen Teilnehmer.
Allerdings dauert der Arbeitsbesuch des Kanzlers in Tokio nur etwa 20 Stunden. Scholz trifft Premierminister Fumio Kishida und isst mit ihm zu Abend. Zu den Top-Themen gehören die Sanktionen gegen Russland, die Abhängigkeit von russischem Gas, die Sicherheit der Lieferketten bei Halbleitern und Rohstoffen und die Geopolitik. Außerdem spricht der Kanzler, der von einer Managerdelegation begleitet wird, auf einer Wirtschaftskonferenz der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Vor dem Rückflug lässt sich Scholz noch ein Demonstrationsprojekt für eine Wasserstoff-Lieferkette in Kawasaki zeigen. Bei der Nutzung von Wasserstoff als Brennstoff gilt Japan als weltweiter Vorreiter.
Wertegemeinschaft
Der engere Schulterschuss von Deutschland und Japan hängt mit der verschärften Rivalität zwischen Demokratien und Autokratien zusammen. Beide Länder suchen im Handelskonflikt zwischen China und den USA nach Wegen, ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen im Reich der Mitte zu verfolgen, ohne sich dabei von ihrem Sicherheitspartner USA zu entfernen. Die langjährige Kanzlerin Angela Merkel hatte bei ihren Asienreisen in der Regel China den Vorzug gegeben. Eine einzelne Japan-Reise wie jetzt bei Scholz gab es mit ihr nicht. Doch Chinas Abschottung gegen die Corona-Pandemie und Pekings Partnerschaft mit Russland trotz dessen Krieg gegen die Ukraine haben die Annäherung zwischen Deutschland und Japan forciert.
Vor einem Jahr richteten die Außen- und Verteidigungsminister erstmals einen "2-plus-2-Dialog" beider Länder aus. Wegen der Pandemie wurde dieses Treffen per Videokonferenz abgehalten. Nun möchte Deutschland die Gesprächsbeziehungen zu Japan auf das Niveau von Regierungskonsultationen heben. Dabei treffen sich neben den Regierungschefs auch viele Minister beider Seiten. Eine solche Abmachung mit Japan könnte Scholz schon in Tokio verkünden. Allerdings tut sich Japan mit diesem Format schwer, weil dort die Minister häufig im Parlament anwesend sein müssen. Deutschland führt solche regelmäßigen Konsultationen unter anderem mit Israel, Indien und China.
"Japans Bedeutungsgewinn hat sich schon in den vergangenen zwei Jahren abgezeichnet, weil Japan in Asien der wichtigste Werte- und Interessenpartner von Deutschland ist", erläutert Professor Patrick Köllner, Direktor des GIGA-Instituts für Asien-Studien in Hamburg. "Auch wenn beide Länder etwa beim Klimaschutz nicht immer identisch vorgehen, sind die Schnittflächen doch bemerkenswert groß und bieten eine gute Grundlage für kooperative Initiativen."
Die Annäherung beruht auf Gegenseitigkeit. "Für Japan ist Deutschland einer der seltenen vertrauten Partner in der Welt", meint Norihide Miyoshi, ein früherer Deutschland-Korrespondent der größten Tageszeitung "Yomiuri Shimbun". "Die Koordinierung und Kooperation mit Deutschland ist für Japan sehr wichtig, um mit Russland und China umzugehen", erklärt Miyoshi. Der Besuch sei eine gute Gelegenheit, um die Persönlichkeit von Scholz kennenzulernen. Deutschlands Image in Japan sei noch stark von Merkel geprägt, die als "tüchtige und einflussreiche" Politikerin hochgeschätzt worden sei.
Indo-Pazifik-Politik
Die Bundesregierung hatte im Jahr 2019 noch unter Merkel erstmals Leitlinien für eine Indo-Pazifik-Politik veröffentlicht. Seitdem zeigt Deutschland in dieser Region mehr Präsenz. Die Fregatte "Bayern" absolvierte ab August 2021 eine halbjährige Fahrt in der Region und legte im November auch in Yokohama an. Im kommenden September nehmen sechs deutsche Eurofighter an der multinationalen Militärübung "Pitch Black" in Australien teil. Luftwaffen-Inspekteur Generalleutnant Ingo Gerhartz und sein japanischer Amtskollege General Shunji Izutsu haben vereinbart, dass dann drei Maschinen zu einem Kurzbesuch nach Japan fliegen.