Ungewöhnliche Karriere
27. Oktober 2009Einen afrikanischen Prinzen und Voodoo-Meister stellt man sich anders vor. Gänzlich unexotisch sitzt der Würdenträger an einem verregneten Dienstagvormittag im grauen Anzug in seinem Büro mitten im Industriegebiet von Berlin-Tempelhof. Nur die Fotos an der Wand erzählen von seinem anderen Leben: Sie zeigen ihn in weißen Gewändern, umgeben von Menschentrauben; Hände schüttelnd mit deutschen Politikern und bunte, weit in die Vergangenheit zurückreichende Stammbäume. Er nennt sich "Prinz Alain-Maurice Kodjo Dah Bokpe von Allada", sein Königreich heißt Alladahonou und liegt im Süden des Benin. Drei Millionen Menschen gehören zu seinem Volk. Doch ahnungslose Kunden oder Nachbarn in Tempelhof nennen ihn nur "Herr Bokpe". Und der grüßt immer freundlich.
Rückblende 1981: Als Alain Maurice Bokpe kam er mit einem Stipendium nach Gotha und studierte dort Bahn-Ingenieurwesen. Seine Heimat war 1975 in die "Volksrepublik Benin" umbenannt und der Marxismus-Leninismus zur Staatsideologie erklärt worden. Zur DDR entwickelten sich freundschaftliche Beziehungen, man schickte junge Menschen zur Ausbildung nach Ostdeutschland.
Kulturschock
Der damals 19-jährige Bokpe war einer von ihnen, "ich wollte etwas Anderes machen als die Anderen", erzählt er heute über seine Motive. Über Deutschland wusste er damals nicht viel, nur "dass die Männer alle einen Bart tragen und die Frauen so groß sind", erinnert er sich. Der Kulturschock kam prompt: "Bei uns ist es Tradition, sonntags vor der Kirche nichts zu essen", erzählt er von seiner ersten Zeit in Gotha, der junge Student war zum Mittagessen eingeladen: "Ich hatte also großen Hunger, als ich aus der Kirche kam. Mein Freund hatte gekocht und es roch so lecker!" Doch Bokpe war es gewohnt, dass sich der Gast zieren muss und die Aufforderung zu Essen, mehrfach höflich ablehnt, bis der Gastgeber insistiert und es ihm quasi aufdrängt. "Er fragte mich, ob ich essen möchte: Ich sagte: 'nein' und er fragte nicht wieder und aß alles alleine auf! Ich war geschockt!", erzählt er heute lachend. "Danach habe ich immer sofort 'ja' gesagt!"
In der DDR lernt er auch seine spätere Frau Annette aus dem süd-thüringischen Tabarz kennen. Die beiden begegnen sich im Zug nach Ostberlin, finden Gefallen aneinander, ein Jahr später sind sie verlobt, kurz darauf kommt die erste Tochter zur Welt. Sie richten sich ein Leben in Ostberlin ein: Sie baut ein kleines Reiseunternehmen auf, er fährt Taxi und tingelt zwischen Ost- und Westdeutschland hin und her – bis zum 9. November 1989: Für Bokpe ein Grund zur Freude – aber auch das Scheitern einer großen Idee: "Als ich in die DDR kam, hatte ich Ideale, denn Benin war ja auch sozialistisch und theoretisch war der Marxismus-Leninismus etwas Positives", sagt er heute mit Bedauern.
Die persönliche Wende
Er erlebte seine persönliche Wende 1997, als er auf Heimaturlaub in Benin war: Bewohner der Provinz Allada erkennen in ihm den seit langem angekündigten neuen Herrscher und krönen ihn im Handumdrehen zu ihrem Prinzen. In Benin gibt es zahlreiche Königshäuser, die aus der Zeit vor der französischen Kolonialisierung stammen. Prinzen und Könige haben dabei wenig mit europäischen Monarchen zu tun, sie sind vielmehr Stammeshäuptlinge von Clans, die im Land das Sagen haben.
Auch religiöse Funktionen hat Bokpe, den Begriff "Voodoo-Prinz" mag er allerdings nicht so gerne: "Ich stamme von einem Land, das die Wiege des Voodoo ist, doch hier denken die meisten Menschen an Puppen, schwarze Magie und geköpfte Hühner. Aber Voodoo ist eine Lebensart, eine Religion!"
Der Platz des Prinzen ist heute in Berlin. Teilweise zumindest. Hier ist er der Generalbevollmächtigte für Europa-Angelegenheiten des Königs von Allada und der internationale Exekutivsekretär der Diplomatenakademie Afrikas. Und nebenher führt er sein Reisebüro in Tempelhof und verkauft Voodoo-Reisen nach Benin. Und mehrfach im Jahr tauscht er seinen Anzug gegen ein Voodoo-Gewand und herrscht in seinem Tempel am Strand von Benin. Dort, so erzählt er, tragen hübsche Frauen ihm stets einen Sonnenschirm hinterher.
Autorin: Ina Rottscheidt
Redaktion: Carolin Hebig