Verlogener Krieg
15. Februar 200915. Februar 1989. Das sowjetische Fernsehen zeigt Bilder der letzten Militärkolonne, die über die Brücke an der afghanischen Grenze rollt. Rote Fahnen flattern im Wind, Soldaten sitzen auf Schützenpanzerwagen. Sie lächeln und winken in die Kameras. Der Kommandierende der 40. Armee, General Boris Gromow, gibt sein berühmtes Interview: "Hinter meinem Rücken gibt es keinen sowjetischen Soldaten und Offizier mehr.“
Es war der längste Krieg in der Geschichte der UdSSR. Obwohl offiziell nie von einem "Krieg" die Rede war. Die etwa 75.000 Militärs, die zwischen 1979 und 1989 in Afghanistan stationiert waren, erfüllten ihre "internationale Pflicht", wie es damals in der sowjetischen Propaganda-Sprache hieß.
Die kommunistische Führung Afghanistans bat die Sowjetunion um Hilfe bei der Bekämpfung der islamischen Opposition. Unter diesem Vorwand marschierten die sowjetischen Truppen am 25. Dezember 1979 über den Hindukusch in Afghanistan ein.
Fehlkalkül
Tatsächlich ging es um etwas anderes, meint Manfred Sapper, Chefredakteur der Berliner Fachzeitschrift "Osteuropa": "Es war ein klassisches Fehlkalkül, dass die Sowjetunion mit einer imperialistischen Bedrohung konfrontiert sei." Nach der islamischen Revolution im Iran bauten die USA ihre Militärpräsenz in der Region auf. Die UdSSR fühlte sich bedroht und wollte ihre südliche Grenze absichern, sagt Walerij Ablasow, ehemaliger sowjetischer Militärberater in Kabul. "Die Aufgabe war, ein Regime zu installieren, es zu stärken und die Truppen abzuziehen. Niemand wollte Afghanistan erobern und für eine lange Zeit besetzt halten."
Aus diesen Plänen wurde jedoch nichts. Auch mit Moskaus Hilfe konnte die afghanische Regierung den Kampf gegen die Mudschaheddin nicht gewinnen. Nicht zuletzt, weil die USA die islamischen Kämpfer mit Waffen unterstützten.
Die Entscheidung über den Abzug fiel erst 1988. In der Sowjetunion war zu diesem Zeitpunkt bereits die Perestroika voll im Gange. Parteichef Michail Gorbatschow wollte die Konfrontation mit dem Westen beenden und sein Land innenpolitisch reformieren. Auf einem Treffen in Genf verständigten sich Afghanistan, Pakistan, die USA und die UdSSR darauf, dass die sowjetischen Truppen innerhalb von neun Monaten nach Hause gehen sollten.
"Der Krieg zeigte die Defizite auf"
20 Jahre danach fällt die Bilanz unterschiedlich aus. "Die Militärs haben ihre Aufgabe erfüllt", sagt der ehemalige Militärberater Walerij Ablasow: "Doch die politische Führung hat die vorhandenen Möglichkeiten der Militärmaschine nicht genutzt. Am Ende wurde faktisch alles verloren."
Westliche Experten wie Manfred Sapper werden deutlicher und sprechen von einem "Debakel". "Politisch waren die Kosten gravierend. Es führte zur Verschärfung der Ost-West-Konfrontation. Innenpolitisch war dieser Krieg ein Katalysator, der die gesamten ökonomischen Defizite und die Verlogenheit der Ideologie auf den Tisch brachte."
Der ukrainische Afghanistan-Veteran Wjatscheslaw Kuprijenko, der heute in Kiew lebt, hat seine eigene Sichtweise der Dinge: "Es klang lächerlich, als die Politiker uns angestachelt haben und von irgendeiner "internationalen Pflicht" sprachen. Man spürte, dass es nicht echt war … Nach so vielen Jahren fragt man sich - Was machst du da? Wofür kämpfst du?"
Enttäuschender Empfang in der Heimat
Mehr als 15.000 Sowjetsoldaten kamen in Zinksärgen aus Afghanistan nach Hause. Über 10.000 sind als Krüppel zurückgekehrt. Der Empfang in der Heimat war für viele eine bittere Enttäuschung, weil die sowjetische Gesellschaft ihnen die Anerkennung verweigerte - vor allem dann, wenn es um Wohnungen oder medizinische Versorgung ging.
Die Verluste der Sowjetarmee stehen aber in keinem Verhältnis zu dem, was die afghanische Seite erleiden musste, sagt Manfred Sapper: "Von 1979 bis 1989 sind von 15,5 Millionen Menschen in Afghanistan fast zwei Millionen ums Leben gekommen. Die gesamte Infrastruktur ist während des Krieges in Schutt und Asche gelegt worden.
Aber davon ist jetzt nicht die Rede, wenn Politiker und Kriegsveteranen des Abzugs der sowjetischen Truppen gedenken. Es gibt Trauermärsche - und in vielen Städten werden Kränze am Grabmal des unbekannten Soldaten zur Erinnerung an die etwa 15.000 Kriegstoten der Sowjetarmee niedergelegt.