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Der Fluch der Schwimmblase

Harald Franzen
30. September 2016

Niemand versucht den Vaquita zu fangen oder zu töten. Trotzdem ist er fast ausgestorben. Denn das Schicksal des kleinen Tümmlers ist eng mit einem anderen Meerestier verbunden, und das könnte ihm zum Verhängnis werden.

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Kalifornische Schweinswale (Golftümmler oder Vaquita)
Bild: Gemeinfrei

Der Vaquita ist wirklich niedlich. Mit nicht einmal 1,50 Meter Körperlänge ist der Schweinswal mit dem schwarzen Lidschatten geradezu winzig im Vergleich zu seinen Artgenossen. Und als wäre das alles noch nicht hinreißend genug, hat jeder Vaquita auch noch einen dunklen Strich entlang des Mundes, der ihn immerzu lächelnd erscheinen lässt.

Unglücklicherweise gehören die Wale zu den am meisten bedrohten ihrer Art weltweit. Gab es bei einer Zählung im Jahr 1997 noch 567 dieser Tiere im Golf von Mexiko, fand das "International Committee for the Recovery of the Vaquita" (CIRVA) im vergangenen Jahr nur noch knapp 60 Tiere. Und die Anzahl könnte weiter sinken. "Wir sehen gerade dabei zu, wie eine seltene, wertvolle Art vor unseren Augen verschwindet", sagte Lorenzo Rojas-Bracho, Vorsitzender von CIRVA bei der Präsentation der Ergebnisse der Zählung.

Dabei könnte alles gut sein. Der Vaquita steht unter Schutz, niemand jagt die Tiere. Aber ihr Schicksal ist unabdingbar mit dem eines anderen Tieres verbunden, mit dem sich der Schweinswal den Lebensraum teilt, dem Totoaba.

Der Totoaba ist ein Fisch, der bei weitem nicht so niedlich ist wie der Vaquita. Er hat andere attraktive Merkmale. Eigentlich gab es die Fische in großer Zahl im Meer. Kommerzieller Fischfang im großen Stil aber dezimierte die Populationen derart, dass das Fangen des Totoaba von 1975 an unter Schutz stand. Wilderer abhalten kann das allerdings nicht. Totobas werden auch heute noch gefangen. Allerdings nicht mehr wegen ihrer Filets, sondern wegen ihrer Schwimmblasen.

Totoaba Fisch
Bild: picture-alliance/AP Photo/Omar Vidal

Wie so viele andere Körperteile vom Aussterben bedrohter Tiere, gelten die Blasen in China als Delikatesse. Pro Kilo bringen sie mehr als 10.000 US-Dollar (9000 Euro), hat die Tierschutzorganisation "Defenders of Wildlife" ermittelt. Fischer können mit ihnen also in wenigen Wochen das gleiche Geld verdienen, das sie sonst im Jahr legal erwirtschaften könnten. Kein Wunder also, dass auch die Totoabas kurz vor der Ausrottung stehen.

Verflochtenes Schicksal

Zu allem Überfluss landen beide Arten in denselben Netzen. Denn Totoabas werden etwa zwei Meter lang und damit nur ein Stückchen größer als Vaquitas. Die Netze, eigentlich für die Totoabas gedacht, werden zur Falle für die Schweinswale, die als Meeressäuger regelmäßig auftauchen müssen und deshalb in den Netzen ertrinken, wenn sie einmal hinein geraten.

"Wir haben 80 Prozent der Art verloren, in nur vier Jahren", sagt Barbara Taylor. Die Naturschutzbiologin vom "US National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) Southwest Fisheries Science Center" ergänzte in einem Interview folgendes: "Es gibt etliche Gefahren. Trotz des heldenhaften Bemühens der mexikanischen Regierung, das illegale Fischen mit Stellnetzen zu verbieten, ist die illegale Fischerei nach wie vor eine enorme Bedrohung. Sie ist noch lange nicht aufgehalten."

Erschwerend kommt hinzu, dass beide Arten nur im Golf von Kalifornien vorkommen. Und die Vaquitas auch nur in einem kleinen Teil davon.

Drastische Maßnahmen

Weil die aktuelle Situation so teuflisch ist und das Ende für die Vaquitas bedeuten würde, hat CIRVA drastische Maßnahmen beschlossen. Darunter fällt auch ein dauerhaftes Verbot aller Stellnetze in der Gegend (derzeit gibt es nur ein Verbot für zwei Jahre). Außerdem sollen diese Netze komplett aus dem Gebiet der Vaquitas entfernt und Stellnetz-freie Fischerei unterstützt werden.

Im Raum steht auch ein "ex-situ" Schutz-Ansatz und der ist selbst unter den Umweltschützern hoch umstritten. Die Idee dahinter ist, eine bestimmte Zahl von Vaquitas zu fangen und in Zuchtstationen zu bringen. Da wären sie vor den gefährlichen Netzen sicher. Solch eine Idee ist allerdings hochriskant, weil nur noch eine kleine Anzahl Tiere existiert und noch niemand die scheuen Säuger in Gefangenschaft gehalten hat. Es ist völlig unklar, wie sich die Tiere verhalten und ob sie überleben würden.

Der Sorge stimmen auch die Autoren der Vorschläge zu. Das Entfernen der Netze und das Eindämmen der Wilderei hätten eine höhere Priorität, sagen sie. Für alle Beteiligten ist hingegen klar, dass nichts tun die schlimmstmögliche Lösung für den Fortbestand der Vaquitas wäre.

Mexiko: Spielplatz der Arten