Der Tourismus wird wieder zurückkommen
2. April 2020Die tiefstehende Frühlingssonne lässt das Brandenburger Tor noch mächtiger erscheinen. Vielleicht wirkt Berlins Wahrzeichen in diesen Tagen auch deswegen so eindrucksvoll, weil auf dem Pariser Platz davor kaum Menschen sind. Einheimische auf dem Weg zur Arbeit oder zum Frühsport im angrenzenden Tiergarten. Manch einer hält die ungewöhnliche Momentaufnahme mit seinem Smartphone fest.
Berlin ohne Touristen
Leer ist es auch im ersten Hotel am Platz. Seit dem 1. April gilt für die Mitarbeiter im Hotel Adlon am Pariser Platz in Berlin Kurzarbeit. Nach dem Verbot von Hotelübernachtungen aus touristischen Zwecken verlieren sich im Grandhotel am Brandenburger Tor nur noch wenige Geschäftsreisende. "Es ist sehr, sehr leer", sagt Sabine Held, Sprecherin des Adlon der DW. Das Hotel mit über 300 Zimmern und 78 Suiten sei nur zu fünf Prozent belegt.
Die Mitarbeiter hätten die Situation sehr gefasst aufgenommen, ergänzt sie, das Adlon werde die Zeit des Stillstands für Initiativen nutzen. Das dezimierte Küchenteam wird Berliner Obdachlosen in einer neuen Unterkunft einmal in der Woche ein kostenloses Frühstück anliefern.
Außerdem wollen die Auszubildenden in der hoteleigenen Bäckerei 500 Osterlämmer produzieren, für Krisenhelfer und notleidende obdachlose Menschen. Nach der Krise, wenn die Restriktionen bei Hotelübernachtungen wieder gelockert sind, sollen Ärzte, Schwestern und das Pflegepersonal aus Berlin eine kostenlose Nacht im Traditionshotel verbringen können.
Chancen und Risiken
Dass die Berlin-Besucher wiederkommen ist für viele, die davon leben, keine Frage. Berlin zählte fast 15 Millionen Touristen im vergangenen Jahr. Robert Rückel vom Deutschen Spionagemuseum in Berlin glaubt, dass in Zukunft weniger Messe- und Dienstreisen stattfinden. Die Möglichkeiten und Vorteile virtueller Konferenzen seien durch die Corona-Krise für Firmen und Institutionen offensichtlich geworden.
"Aber das Erlebnis vor Ort, das Erleben einer fremden Kultur, einer fremden Stadt, einer fremden Geschichte, das wird sich nie virtualisieren lassen. Dieser Tourismus wird wieder zurückkommen. Die Frage ist nur, wie viele Anbieter es dann noch gibt," betont Robert Rückel gegenüber der DW.
Auf der Homepage vom Spionagemuseum steht, wie bei vielen anderen Anbietern und Einrichtungen auch, der Hinweis, dass man einen Gutschein für die Zeit der Wiederöffnung erwerben könne und damit das Museum in Zeiten der Krise unterstütze. Es fehlt aber auch nicht die Einschränkung, dass im Falle einer Insolvenz der Gutschein wertlos werde.
Köln, die Pilgermetropole am Rhein
Auch Köln hat eine lange Tradition als Reiseziel. Schon im Mittelalter wussten die Stadtväter: Reisende müssen essen und schlafen. Waren es vor Jahrhunderten vor allem Gläubige, die zum Schrein der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom pilgerten, sind es heute jährlich etwa vier Millionen Touristen aller Länder und Religionen, die die Domstadt besuchen und die städtische Wirtschaft beleben.
Dass es jetzt rund um die wuchtige Kathedrale außergewöhnlich leer und ruhig zugeht, spürt auch Georg Plesser, der Geschäftsführer des Hotels Excelsior Ernst. Das Traditionshaus direkt am Dom gehört wie das Berliner Adlon zu den "Leading Hotels of the World“ und musste seine Angestellten ebenfalls in die Kurzarbeit entlassen.
Wie andere versucht das Luxushotel, die Zwangspause zu nutzen: "Wir führen Schönheitsreparaturen und Nachbesserungen durch, wie die Installation einer neuen Lüftungsanlage. Wir nutzen diese Zeit, um unser Hotel attraktiver zu machen und den veränderten Ansprüchen unserer Kunden besser gerecht zu werden."
Georg Plesser betont gegenüber der DW, dass jede Krise auch etwas Positives habe. "Ich persönlich glaube, dass dies ein neues Interesse an der Entdeckung des eigenen Landes bedeuten könnte, was wiederum eine Zunahme der Städtereisen bedeuten könnte - was natürlich gut für unser Geschäft wäre."
Auch die Regionen leiden und machen Pläne
Viele beliebte Reiseregionen, wie Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sind gegenwärtig vor allem damit beschäftigt, sich abzuschotten: Kurzreisenden und Tagesausflüglern aus den Großräumen München bzw. Berlin und Hamburg dürfen nicht mehr einreisen, das Einhalten des Verbotes wird streng kontrolliert. Andere, kleinere Regionen wie der Tourismusverband Franken versuchen, den Stillstand zu nutzen.
"Wir nutzen die Zeit für Marketing-Aktivitäten für 2021, etwas, was wir eigentlich erst für die zweite Jahreshälfte geplant hatten“, sagt Jörg Hentschel vom fränkischen Tourismusverband. Darüber hinaus wollen sie die Service- und Angebotsqualität in den touristischen Betrieben verbessern. "Damit bereitet man die Betriebe bewusst darauf vor, wie es nach der Krise weitergeht, damit die auch bestmöglich aufgestellt sind."
Seine persönliche Prognose ist vorsichtig optimistisch. "Es wird eine Zeit nach der Krise geben, das Thema Reisen wird, in welcher Form auch immer, wieder stattfinden. Franken ist ein klassisches Kurzreiseziel, das man mal für ein verlängertes Wochenende oder für eine Woche nutzt. Wenn die Ausgangsbeschränkungen und die Situation es wieder erlauben, wird wieder gereist. Wir hoffen, dass wieder Gäste zu uns nach Franken kommen“, sagte Jörg Hentschel der DW.
Tourismus als weltweiter Wirtschaftsfaktor
Am Tourismus hängen nicht nur in Deutschland Hoffnungen von Reisenden und Arbeitsplätze von Einheimischen. Die Welttourismusorganisation UNWTO weist immer wieder darauf hin, dass jeder zehnte Arbeitsplatz weltweit direkt oder indirekt vom Tourismus lebt.
Deshalb hat die UNTWO zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation WHO gerade einen Wettbewerb iniziiert. Unter dem Slogan "Healing Solution for Tourism Challenge" werden Innovatoren und Unternehmer aufgefordert, Ideen und Lösungen zu entwickeln, wie sich der Tourismus möglichst rasch von der Coronavirus-Krise erholen kann.
Dabei werden Ideen bevorzugt, die direkt umgesetzt werden können. Lösungen für Reiseziele, touristische Unternehmen und auch im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Die Bewerbungen für diese Aktion können bis zum 10. April 2020 eingeschickt werden.
Der Generalsekretär der UNWTO Zurab Pololikashvili erklärt: "Der Tourismus leidet am stärksten unter der Covid-19 Pandemie. Wir müssen alle zusammen nach einer starken Antwort suchen. Und wir müssen wirklich innovativ sein."