Hermann Löns
30. April 2014"Sehe von meinem Lager den Sternschnuppen zu. Denke an die Leiden." Diese Worte scheibt der Schriftsteller Hermann Löns am 24. September 1914 in sein Tagebuch. Er liegt mit seiner Einheit in Nordfrankreich in der Nähe von Reims. Mit 48 Jahren zählt er zu den Alten in seinem Infanterie-Regiment, aber er wollte ja unbedingt in den Krieg: Er hat sich einen Monat zuvor freiwillig gemeldet, anschließend eine knapp dreiwöchige Ausbildung erhalten und findet sich jetzt an der Westfront wieder. "Leben ist Sterben, Werden – Verderben!" notiert er an diesem Tag noch. Zwei Tage später ist Hermann Löns tot, gefallen in seinem ersten Gefecht.
Die Nachricht sorgt für Aufsehen, denn der Schriftsteller hat einen großen Namen: Er ist einer der prominenten Vertreter der sogenannten Heimatkunst, die gegen Modernisierung, Industrialisierung und Technisierung des Landes polemisiert. Ihre Anhänger träumen von der "guten alten Zeit" in ländlicher Glückseligkeit. Hermann Löns hat sich für seine Literatur die Lüneburger Heide ausgesucht. Die unberührte Welt der Heide gilt ihm als intakte Lebensordnung einer besseren Gesellschaft.
Doch in dieser Welt geht es zuweilen grauselig zu: "Besser fremdes Blut am Messer, als ein fremdes Messer im eigenen Blut." So heißt es martialisch in dem Roman "Der Wehrwolf", der 1910 erschien. Löns beschreibt darin aufgebrachte Bauern, die im Dreißigjährigen Krieg in einer Spirale der Gewalt immer brutaler gegen Plünderer und Soldaten vorgehen. Der echte deutsche Mann schlägt eben den anderen tot, ehe der ausholen kann, so die Botschaft. Eine solche Haltung scheint auf den Sommer 1914 übertragbar, als Kaiser und Regierung behaupten, das Deutsche Reich werde angegriffen. Und es erscheint geradezu sinnbildlich, dass sich auch Löns zur Waffe meldet (wenngleich bis heute unklar ist, ob ihn nicht viel mehr private Probleme als echter Patriotismus in den Kampf trieben).
Ist der Schriftsteller zu Lebzeiten schon populär, so wird er nach seinem Tod zum nationalen Helden. Vor allem im "Dritten Reich" sind die völkischen und rassistischen Überlegenheitsansprüche seiner literarischen Gestalten ideologisch besonders willkommen, und die letzten fanatischen NS-Kämpfer sollten sich in Anlehnung an seinen berühmten Roman bekanntlich "Wehrwölfe" nennen. Als die Nazis ihn zum Helden machten, ließen sie in den Jahren 1934 und 1935 seine angeblichen Gebeine zweimal exhumieren und in der Heimat beisetzen. Doch gehörten sie tatsächlich zum Schriftsteller? Wer da letztlich in der Lüneburger Heide beerdigt liegt, ist bis heute nicht geklärt.