Der Tempel des Anstoßes
7. Februar 2011Nicht mal der Name ist einheitlich. In Kambodscha ist er als "Preah Vihear" bekannt, in Thailand als "Khao Phra Viharn". Seit Jahrzehnten liegen beide Länder im Streit um den Tempel - besser gesagt: die Tempelruinen. Die sind allerdings ziemlich gut erhalten. Die Tempelanlage gilt neben der Tempelanlage Angkor Wat als beeindruckendstes Bauwerk aus der Zeit des Khmer-Reiches, das vom neunten bis zum fünfzehnten Jahrhundert bestand.
Der Tempel befindet sich rund 250 Kilometer nördlich der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh. Er liegt 600 Meter hoch auf einer Hochebene mit steil abfallenden Klippen - mitten im Dschungel an der Dangrek-Gebirgskette. Auch dank der Abgeschiedenheit ist die Tempelanlage gut erhalten.
Mehr als 1000 Jahre alt - und schon lange Streitthema
Im neunten Jahrhundert befand sich eine Einsiedelei an der Stelle des Tempels. Zweihundert Jahre später ließ der Khmer-König Suryavarman I. sie zu einem Tempelkomplex ausbauen. Dieser ist Shiva gewidmet, einer der drei zentralen Gottheiten des Hinduismus.
1907 zeichneten die französischen Kolonialherren den Tempel auf einer Karte auf der Seite Kambodschas ein. Allerdings erkennt Thailand die Gültigkeit der Karte nicht an. Es beruft sich auf eine ältere Abmachung, derzufolge der Tempel in Thailand liegt. Als Kambodscha 1954 unabhängig wurde, besetzte die thailändische Armee "Preah Vihear". 1962 entschied der Internationale Gerichtshof in Den Haag, dass die Tempelruinen zu Kambodscha gehören. Daraufhin zog sich die thailändische Armee zurück. Nicola Glass, Journalistin in Bangkok, erklärt, dass Thailand aber so seine Probleme mit dem Richterspruch hat: "Dass der Tempel 1962 vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag den Kambodschanern zugesprochen worden ist, das ist eine juristische Entscheidung gewesen, welche die Thailänder im Grunde niemals so richtig akzeptieren konnten. Sie haben das damalige Urteil nur sehr zähneknrischend hingenommen."
Lage der Haupteingangs erschwert die Situation
Zusätzlich wird die Lage dadurch kompliziert, dass der Haupteingang zu dem rund 4,6 Quadratkilometer großen Areal auf thailändischer Seite liegt. In Richtung Kambodscha fällt der Hang so steil ab, dass der Tempel von dort nur sehr schwer zu erreichen ist. "Was aber weiterhin nicht geklärt ist, ist das umliegende Gebiet um den Tempel. Es handelt sich um knapp fünf Quadratmeter Dschungel. Beide Länder - sowohl Kambodscha, als auch Thailand, erheben Anspruch darauf", so Journalistin Nicola Glass aus Bangkok. Denn das Urteil des Internationalen Gerichtshofs sagt nichts über das den Tempel umgebende Areal aus.
2008 wurde die Bedeutung des Tempels noch größer. Damals ernannte die UNESCO ihn zum Weltkulturerbe. Der Streit entbrannte daraufhin erneut. Zwei Jahre später baute Kambodscha eine neue Straße zu dem Tempel. Die Regierung möchte den Tempel damit besser für den Tourismus erschließen. Beobachter glauben allerdings auch, dass die Straße Truppenbewegungen der kambodschanischen Armee erleichtern soll.
Autor: Marco Müller (dpa, rtr, afp, ap)
Redaktion: Sabine Faber