Das deutsche Gold
24. Oktober 2012In Krisenzeiten gilt Gold als sicherer Hafen. Jetzt, da die Schuldenkrise die europäische Gemeinschaftswährung, den Euro, in die Bredouille gebracht hat, ist dieser "Hafen" ins Blickfeld der Politiker und des Bundesrechnungshofes gerückt. Hat die Bundesbank in den letzten Jahren überhaupt selbst kontrolliert, ob die Barren noch mit ihrem ganzen Gewicht in den Kellern der amerikanischen, britischen und französischen Notenbanken schlummern? Denn da liegt der größte Teil deutschen Goldes. Nur etwa 30 Prozent soll die Bundesbank in Frankfurt selbst in den Tresoren hüten.
Der Bundesrechnungshof - eine unabhängige Behörde, die die Finanzen des Bundes kontrolliert - hat im Auftrag des Bundestages ermittelt, ob die Bundesbank ihre Goldbestände auch genau prüft. Seit Monaten fordern nun die Prüfer, dass die Bundesbank den Bestand nach einem gesicherten Verfahren kontrolliert, anstatt es nur gelegentlich in Augenschein zu nehmen oder sich auf eine schriftliche Bestätigung der ausländischen Notenbanken zu verlassen.
Für Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, ist diese Forderung selbstverständlich. Für Zentralbanken gelten grundsätzlich die Regeln wie für alle anderen Finanzmarktteilnehmer, sagt er: "Vor dem Hintergrund sind die Mängel in der Bilanzierung der Goldreserven kritisch zu bewerten. Und dass sie jetzt aufgenommen worden sind vom Bundesrechnungshof, das ist nur sinnvoll und notwendig."
Deutschland verfügt über zweitgrößte Goldreserve
Nach den USA (8133 Tonnen) verfügt Deutschland über die größten Goldreserven der Welt. 3396 Tonnen im Wert von mehr als 130 Milliarden Euro sollen es sein . Der Höhenflug des Goldpreises dürfte den Schatz noch größer machen.
Goldbestände sind ein wichtiger Bestandteil der Reserven von Notenbanken in der Eurozone. Laut dem Branchenverband World Gold Council (WGC) verfügen die Euroländer derzeit über 10.787 Tonnen Gold, die EZB selbst über 502 Tonnen. Österreich beispielsweise hält 280 Tonnen. Das hochverschuldete Griechenland rund 111 Tonnen, Portugal über 382 Tonnen und Spanien 281 Tonnen.
Warum wurde Gold ausgelagert?
Warum werden deutsche Goldbarren überhaupt in ausländischen Tresoren aufbewahrt? Die Goldbestände sind schließlich ein wichtiger Bestandteil der Reserven der Notenbanken, also auch der deutschen Bundesbank. Das habe mit der Zeit des Kalten Krieges zu tun, also mit der Furcht vor Auseinandersetzungen zwischen West und Ost, zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion, heißt es vielfach. Diese Hypothese klinge plausibel, zumindest was die Aufbewahrung in den Vereinigten Staaten anbelange, sagt der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser. Doch Goldreserven ins Nachbarland Frankreich oder nach Großbritannien zu bringen, sei doch sehr fraglich.
Nach Ansicht des Wirtschaftshistorikers hat die Auslagerung andere Gründe. Der deutschen Exportnation sei es Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre wirtschaftlich sehr gut gegangen: "Man hat das heute nicht mehr so auf dem Schirm, dass die Deutschen damals zu Lasten der Westmächte gewaltige Zahlungsbilanzüberschüsse hatten", erklärt Abelshauser: "Sie brauchten deren militärischen Schutz, während die Amerikaner, Briten und Franzosen permanent klamm waren."
Die Länder hätten von den Deutschen damals auch Kredite bekommen: "Es ist ja nicht so, dass da offiziell nichts lief. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass da auch über Kredite hinaus ein 'gentlemen agreement' geschlossen wurde. In dem Sinne: okay, wir deponieren unser Gold bei euch, und das schafft Vertrauen. Und ihr könnt euch, das war der stillschweigende Subtext, aus der Bredouille helfen, wenn ihr mal klamm seid."
Das Gegengeschäft sei sozusagen die Stationierung der Truppen in Deutschland gewesen, sagt Professor Abelshauser: "Die Stationierung von Truppen in Deutschland war ein wirksamer Hebel, um Deutschland zum Ausgleich der eigenen Zahlungsbilanzprobleme heranzuziehen. Die Deutschen brauchten amerikanische Truppen im Land, wollten sie nicht Gefahr laufen, zum atomaren Schlachtfeld zu werden.“
Kein Zweifel an Integrität der Lagerstätten
Die Deutsche Bundesbank reagierte inzwischen auf die Forderungen des Bundesrechnungshofes. Es gebe keinen Zweifel "an der Integrität, Reputation und Sicherheit" der ausländischen Lagerstellen, heißt es. Mit den vorliegenden Unterlagen und den angewendeten Verfahren sei der Nachweis über die ausgelagerten Goldbestände vollständig und seit Jahrzehnten nachvollziehbar erbracht.
Der Bundesrechnungshof zweifelt die Vertrauenswürdigkeit der ausländischen Partner auch nicht an, er fordert aber eine noch striktere Kontrolle. Ein Stück weit kommt die deutsche Zentralbank der Behörde entgegen: In den nächsten drei Jahren sollen 150 Tonnen Gold aus New York nach Deutschland geholt werden. Das Gold soll eingeschmolzen werden, um Echtheit und Menge zu überprüfen. Darüber hinaus kann es zu marktgängigen Barren verarbeitet werden.
Es gilt als ziemlich unwahrscheinlich, dass der Rücktransport des deutschen Schatzes so verlaufen wird, wie es die Franzosen im Jahre 1966 machten: Sie sollen - so die Spekulationen - das Edelmetall per U-Boot aus New York abgeholt haben. Der damalige Präsident Charles de Gaulle bestand darauf, dass die Goldbarren nach Frankreich transportiert wurden, um sie einem Zugriff der US-Notenbank, in deren Tresoren die Goldreserven lagerten, zu entziehen. De Gaulle wollte um keinen Preis, für kein Gold der Welt, von den USA abhängig sein.