Der späte Rembrandt
Kaum zu glauben: Das legendäre Spätwerk von Rembrandt wurde noch nie ausgestellt. Eine Amsterdamer Schau im Rijksmuseum präsentiert zum ersten Mal Werke des niederländischen Malers, die vor seinem Tod entstanden sind.
Der Betrachter ist im Bild
Gruppenporträts waren im 17. Jahrhundert in den Niederlanden ein geläufiges Genre. "Die Vorsteher der Amsterdamer Tuchmacherzunft" (1662) ist anders: Rembrandt gelingt es, sowohl die Zunftmitglieder einzeln zu porträtieren, als auch den Betrachter mit an den Tisch zu holen. Zugleich scheint es, als sei ein flüchtiger Augenblick festgehalten.
Stille und Intimität
Rembrandt war ein gefragter Maler im Goldenen Zeitalter in den Niederlanden. Doch 1642 kam es zu einem Bruch in seinem Werk und seinem Leben. Der Tod seiner Frau Saskia, und eine finanzielle Krise warfen ihn aus der Bahn. Der Spätstil, der ab circa 1651 beginnt, unterscheidet sich: Der Pinselstrich wird breiter, die Figuren wirken in sich gekehrt, die Szenen intimer.
Die Kunst steht über allem
Rembrandt baute eine große Nähe zu seinen Modellen auf. Auch wenn es sich um Auftragsarbeiten handelte, wie bei "Isaac und Rebecca" oder dem "Familienbildnis", die beide im Jahr 1665 entstanden und wahrscheinlich die gleichen Personen darstellten. Die vertrauliche Geste, mit der der Mann seine Frau umschlingt, spricht dafür. Auch hier legteRembrandt großen Wert auf die Ausgestaltung von Details.
Experimentierfreudige Spätphase
Nur in seinem Alterswerk, zu dem Gemälde, Druckgrafiken und Radierungen zählen, die nach seinem 46. Geburtstag entstanden, finden sich solche Experimente: Rembrandt setzte etwa ein Palettenmesser ein, um damit Farbe abzukratzen oder Struktur in pastose Farbschichten zu bringen. In dem Gemälde "Familienbildnis" finden sich solche technischen Raffinessen, die von höchster Modernität zeugen.
Illusion des Augenblicks
Bei dem Jungen auf dem Gemälde "Titus van Rijn beim Schreiben" handelt es sich mit großer Gewissheit um Rembrandts Sohn Titus. Wieder hält Rembrandt geradezu schnappschussartig einen flüchtigen Augenblick fest: den tagträumenden Titus, der für einen Moment von seinem Schreibtisch aufblickt. Erneut kommt Rembrandt seinem Modell sehr nahe und zeigt es von einer zärtlichen Seite.
Mut zum Unfertigen
Rembrandts Freund Jan Six blickt den Betrachter direkt und unverblümt an. Er zieht gerade seine Handschuhe an, als der Maler scheinbar zum Pinsel greift und die Szene festhält. Interessanterweise stellt Rembrandt das Gesicht mit viel Liebe zum Detail dar, während der Mantel und die Handschuhe wie unfertig wirken. Dadurch fühlt sich der Betrachter aufgefordert, es in seinem Kopf zu Ende zu malen.
Dramatische Effekte
Rembrandts Können beschränkte sich nicht nur auf Malerei. Vor allem im Spätwerk experimentierte er mit anderen Bildverfahren. Er ritzt mit der Kaltnadel direkt in die Kupferplatte ein. Statt die Farbe an den Stellen, an denen es keine Vertiefungen gibt, wegzuwischen, verschmiert er sie. Dadurch entstehen dramatische Effekte wie in der Radierung "Die drei Kreuze" aus dem Jahr 1653.
Radikales Alterswerk
Zu Rembrandts Zeit herrschten Bild-Konventionen, zum Beispiel welcher Zeitpunkt eine Geschichte am besten wiedergibt. Rembrandt hielt sich nicht daran, wie in "Der Segen Jacobs". Es zeigt den Augenblick, in dem Jacob den jüngsten, statt den ältesten Sohn segnet. In Rembrandts Gemälde ist Joseph – im Unterschied zu anderen Künstlern - damit einverstanden.
Kaum zu glauben: Das legendäre Spätwerk von Rembrandt wurde noch nie ausgestellt. Eine Amsterdamer Schau im Rijksmuseum holt das nun nach und präsentiert zum ersten Mal Werke des niederländischen Malers, die in den Jahren vor seinem Tod 1669 entstanden sind.