Der Shoa-Überlebende und die Gerechten
7. November 2018Die Augen hinter der gelb-gefärbten Brille strahlen. Walter Frankenstein ist stolz - und das sieht ihm jeder an. Er schüttelt Hände, wird herzlich umarmt. Dem 94-Jährigen ist es zu verdanken, dass zwei weitere Menschenretter - Heinz Gützlaff und Hans Söhnker - als "Gerechte unter den Völkern" geehrt werden.
Walter Frankenstein hat sein Überleben während der Nazi-Schreckensherrschaft dem mutigen Schauspieler Hans Söhnker zu verdanken. "Söhnker hat uns damals mit Kleidung, Essen und Unterkunft geholfen. Seine Hilfe war entscheidend für unser Überleben", sagt Frankenstein im DW-Interview.
Hans Söhnker (1903-1981) stand unter Beobachtung der Gestapo. Dennoch versteckte er immer wieder Menschen jüdischen Glaubens in seinem Wochenendhaus in der Nähe von Berlin und riskierte dabei sein Leben.
Auch der ehemalige Berliner Staatsanwalt Heinz Gützlaff (1905-1961) ist an diesem Mittwoch als "Gerechter unter den Völkern" ausgezeichnet worden. In der kleinen Feierstunde, die die israelische Botschaft in Berlin und die Gedenkstätte Stille Helden ausgerichtet haben, haben Verwandte und Freunde der längst verstorbenen Helden die Medaille und Ehrenurkunde entgegengenommen.
Retter vor dem sicheren Tod
Gützlaff rettete den untergetauchten jüdischen Orthopäden Kurt Hirschfeldt vor dem sicheren Tod, in dem er ihm seine Kennkarte überließ. Diese wurde für Hirschfeldt gefälscht, während Gützlaff sich selbst ein neues Ausweispapier besorgte. Das war lebensgefährlich. Aber der überzeugte Kommunist wollte helfen, Leben zu retten.
Walter Frankenstein ist an diesem Tag extra aus Stockholm angereist, wo er zurzeit lebt. Seine Rede ist kurz. "Ich wünschte mir, dass mehr Menschen sich für Verfolgte einsetzen - egal welche Religion oder Hautfarbe sie haben, oder wie sie politisch denken. Das ist die Essenz des Lebens", lautet seine Botschaft.
Gedenktafel in Yad Vashem
Die Menschenretter Söhnker und Gützlaff sind zwei von insgesamt 616 Deutschen, denen der Titel "Gerechter unter den Völkern" durch die israelische Holocaust-Gedenkeinrichtung Yad Vashem zuerkannt wurde. Insgesamt verzeichnet die Gedenkstätte in Jerusalem rund 27.000 Gerechte.
Zu den Aufgaben von Yad Vashem gehört es auch, das Gedenken an Menschen aufrecht zu erhalten, die ihr Leben für verfolgte Juden und Holocaust-Opfer aufs Spiel gesetzt haben. Die Namen Söhnker und Gützlaff werden dort demnächst auf der "Wall of Honor" (Wand der Ehre) verewigt sein.
Arik Rav-On ist Vertreter von Yad Vashem in Deutschland. Bei der Feierstunde in Berlin gilt sein besonderer Dank der Arbeit von Walter Frankenstein Dieser versucht, sich zwischen all den prominenten Gästen so gut es geht zu verstecken. Sein eigenes Überleben verdankt er, wie er der Deutschen Welle sagt, seinen "vier Pfeilern". "Wir waren frech, hatten keine Angst, gute Freunde und viel, viel Glück."
Der durchs Alter gebeugte Mann steckt voller Energie - für die Gerechtigkeit, für die Demokratie und gegen das Unrecht. In einem Zeitungsinterview hatte er kürzlich gesagt: "Dass ich den Holocaust überlebt habe, diese Pflicht gegenüber denjenigen, die mir geholfen haben, treibt mich dazu an, weiterzumachen." Und er denkt schon an das nächste Projekt: Er will demnächst in Yad Vashem einen weiteren Deutschen als "Gerechter unter den Völkern" vorschlagen.