Der schwierige Rückzug aus Russland
26. April 2023Der in Deutschland verstaatlichte Energiekonzern Uniper gerät mit seinem Russland-Geschäft ins Visier der Regierung in Moskau. Der Düsseldorfer Versorger bestätigte am Mittwoch, dass die Tochter Unipro unter staatliche Verwaltung gestellt worden sei. Uniper habe das Dekret zur Kenntnis genommen und prüfe dies, erklärte der Konzern.
Uniper könne bereits seit Ende 2022 faktisch keine operative Kontrolle mehr über Unipro ausüben. Bilanziell sei Unipro seit Ende 2022 entkonsolidiert und praktisch vollständig abgeschrieben. Nach einem von Präsident Wladimir Putin unterzeichneten Dekret wurden Unipro und auch die russischen Vermögenswerte der ehemaligen Uniper-Konzernmutter Fortum Oyj unter staatliche Leitung gestellt. Unipro betreibt in Russland fünf Kraftwerke mit einer Leistung von mehr als elf Gigawatt und beschäftigt rund 4300 Mitarbeiter.
Russische Retourkutsche
Russland müsse dringend Maßnahmen ergreifen, um auf Schritte der USA und anderer Länder zu reagieren, die "unfreundlich und völkerrechtswidrig" seien, hieß es in dem Dekret. Die Anteile an den beiden Unternehmen seien zunächst unter die Kontrolle der Behörde für staatliches Eigentum Rosimuschtschestwo gestellt worden.
Nach einem Bericht der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass ist das Dekret eine Reaktion auf die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte im Ausland. Russland hatte zudem verärgert über mögliche weitere Sanktionen des Westens wegen des russischen Krieges in der Ukraine reagiert.
Tass zitierte Rosimuschtschestwo mit den Worten, es könnten weitere Geschäfte ausländischer Firmen unter befristeter Kontrolle kommen. Die Behörde werde dafür sorgen, dass die Firmen entsprechend ihrer Bedeutung für die russische Wirtschaft geführt werden. Das Dekret sehe keine Enteignung vor. Es sei aber eine Interims-Leitung eingesetzt worden. Der bisherige Besitzer könne keine Management-Entscheidungen mehr treffen.
Entspannung in Deutschland
Uniper hatte nach eigenen Angaben bereits im Sommer 2021 beschlossen, die Beteiligung zu verkaufen und die russische Regierung darüber im Herbst 2021 informiert. Im September 2022 sei ein Vertrag mit einem russischen Käufer unterzeichnet worden, der aber bislang von den russischen Behörden keine Genehmigung erhalten habe. Uniper war durch den Gas-Lieferstopp Russlands im Zuge des Ukraine-Kriegs in eine Schieflage geraten. Der Konzern musste vom deutschen Staat mit Milliardenhilfen vor einer Pleite bewahrt werden. Der Bund übernahm Uniper schließlich.
Unterdessen hat der Energieversorger im ersten Quartal wieder schwarze Zahlen geschrieben. Es seien keine weiteren Verluste aus der Beschaffung von Ersatzgasmengen entstanden, teilte der Konzern am Mittwoch mit. Deshalb benötige er bis auf Weiteres keine neuen Eigenkapitalerhöhungen des Bundes.
In den ersten drei Monaten 2023 verdiente Uniper im Tagesgeschäft sogar mehr als im Auftaktquartal 2021, dem Jahr bevor der Einmarsch Russlands in die Ukraine die Energiepreise in die Höhe schnellen ließ und das Unternehmen in eine Krise stürzte. Auf Basis vorläufiger Zahlen belief sich das Ergebnis vor Zinsen und Steuern sowie bereinigt um Sondereffekte (bereinigtes Ebit) auf 749 Millionen Euro, nach einem operativen Verlust von 917 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Das bereinigte Nettoergebnis stieg von minus 674 Millionen auf nun plus 451 Millionen Euro.
"Heutzutage kann in Russland alles passieren"
Der ebenfalls auf dem Rückzug aus Russland befindliche Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea erklärte, er sei von dem Dekret nicht überrascht. Es handele sich um einen weiteren Erlass, der "direkt in die Rechte ausländischer Unternehmen in Russland eingreift", sagte Vorstandschef Mario Mehren auf einer Pressekonferenz am Mittwoch. Sein Konzern sei von dem Dekret gegenwärtig aber nicht betroffen. Doch: "Heutzutage kann in Russland alles passieren, was eine direkte Einmischung in unsere Rechte, in unser Vermögen anbetrifft.
"Ich kann überhaupt nicht1 abschätzen, wie lange es dauern wird, bis wir dieses Kapitel endlich abschließen können", sagte Mehren. Der Konzern habe mit der Verkleinerung seines Büros in St. Petersburg begonnen, zudem würden Kollegen aus Russland zurück an ihre Heimatstandorte gebracht. Darüber hinaus prüfe der Vorstand verschiedene Möglichkeiten für den Ausstieg aus den dortigen Vermögenswerten. "Der Rückzug bleibt jedoch ein komplexer und andauernder Prozess, da die russische Regierung ständig neue Hürden, Hindernisse und Verwaltungsverfahren für diejenigen aufbaut, die das Land verlassen wollen", sagte Mehren.
Faktische Enteignung
Wintershall Dea hatte im Januar - knapp ein Jahr nach Beginn des Kriegs in der Ukraine - das Aus seiner Geschäfte in Russland angekündigt. Diese machten zuletzt rund 50 Prozent der gesamten Produktion aus. Letztlich wurde der Konzern faktisch wirtschaftlich enteignet, wie Mehren damals einräumen musste. Er bekräftigte, dass der Vorstand weiter alle rechtlichen Ansprüche prüfe, die das Unternehmen gegen den russischen Staat oder seine Partner in dem Land haben könnte. Dazu gehöre unverändert auch eine mögliche Inanspruchnahme von Investitionsschutzgarantien durch den Bund.
Das Aus in Russland sowie deutliche niedrigere Öl- und Gaspreise als noch im Vorjahr sorgten bei Wintershall Dea im ersten Quartal für einen deutlichen Ergebnisrückgang. Der operative Gewinn fiel um 14 Prozent auf 1,14 Milliarden Euro. Der Nettogewinn belief sich auf 274 Millionen Euro, nachdem im Vorjahr wegen milliardenschweren Abschreibung auf die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ein Nettoverlust von rund eine Milliarde Euro anfiel.
dk/hb (dpa, rtr)