Der Putsch und seine Folgen
26. März 2013"Es wird zu viel geplündert in Bangui." Patrice Zemoniako ist unzufrieden mit dem Vorgehen der Seleka-Rebellen in der Hauptstadt. Der zentralafrikanische Journalist sagt, die Seleka hätte vor dem Einmarsch alle kleinen Geschäfte schützen müssen. "Jetzt ist alles geplündert und gestohlen. Das wird weiter die Unzufriedenheit im Land schüren."
Wenige Tage nach der Machtübernahme in der Zentralafrikanischen Republik ist vieles noch unklar. Fest steht, dass wieder einmal das Volk unter dem chaotischen Umsturz leidet. In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer wieder Meutereien und Rebellionen im Land. "Das ging nie gut aus für die Zivilbevölkerung", meint Andreas Mehler vom Giga-Institut für Afrika-Studien. "Am Rande der Umstürze wird geplündert, es kommt zu Vergewaltigungen und so weiter." Mit der kriegerischen Auseinandersetzung könne niemand zufrieden sein.
Wunsch nach Frieden und Sicherheit
"Deswegen hoffen die Menschen, dass sich alles beruhigt, und sei es unter neuen Machthabern", so Mehler im DW-Interview. Die Rebellen haben offenbar ähnliche Interessen. "Was uns jetzt wichtig ist, ist der Frieden und die Rückkehr zur Sicherheit", erklärte Seleka-Sprecher Eric Massi nach dem Putsch. "Wir wollen unserem Volk helfen, sich wieder aufzurichten und den Kopf zu heben." In den kommenden Wochen seien große Herausforderungen zu bewältigen.
Der neue Übergangspräsident Michel Djotodia kündigte an, in drei Jahren demokratische Wahlen abhalten zu wollen. Während der Übergangsphase wird es allerdings weder Parlament noch Regierung geben, die Menschen in Zentralafrika sind bis 2016 also dem Gutdünken des neuen Machthabers ausgeliefert.
Gemeinschaft von Opportunisten
Dabei ist nicht wirklich klar, wofür die Rebellen letztendlich stehen. Die Seleka - was soviel heißt wie "Allianz" - besteht aus einer bunten Mischung verschiedenster Rebellengruppen. Sie schloss sich Ende 2012 zusammen, um gegen Präsident Bozizé vorzugehen. Auch wenn die Rebellen eher muslimisch geprägt sind, ist weder Religion noch Ethnie ein entscheidendes Merkmal der Seleka. Afrika-Experte Andreas Mehler glaubt, dass Opportunismus eine entscheidende Triebfeder der Allianz ist.
Eine zentrale Forderung der Rebellen, die von Präsident Bozizé nicht umgesetzt wurde, war die Integration der Kämpfer in die Armee des Landes. Den Kämpfern sei es aber darum gegangen, einen Sold zu bekommen - dieses materielle Interesse sei "ein realer Kern dieser Rebellion", glaubt Mehler. Mittlerweile hätten sich unterschiedlichste Interessengruppen der Seleka angeschlossen. Selbst der international geächtete Warlord Abdoulaye Miskine habe sich zur Seleka bekannt. Jeder wolle ein Stück der Macht haben.
Die Geschichte wiederholt sich
Ob die neuen Machthaber besser oder schlechter sind als Vorgänger Francois Bozizé, ist offen. "Die internationale Gemeinschaft hatte das Vertrauen in Bozizé verloren", ist Afrika-Experte Paul Melly von Chatham House überzeugt. "Unter seiner Führung wurden Menschenrechte zunehmend missachtet. Er hielt sich auch nicht an die Friedensvereinbarungen vom Januar 2013."
Auch Andreas Mehler vom Giga-Institut glaubt, dass man dem alten Machthaber "keine Träne nachweinen wird. Die Aussagen vom UN-Sicherheitsrat und der Afrikanischen Union, dass der Putsch zu verdammen sei, klingen etwas hohl." Auch Bozizé habe man - als er sich 2003 an die Macht putschte - so behandelt. "Doch dann hat man ihn sehr schnell respektabel gemacht." Wenn der neue Präsident Djotodia die kommenden Wahlen gewinnen würde, könnte auch bei ihm schnell vergessen sein, wie er an die Macht gekommen sei.
Demokratische Wurzeln nähren
Was der Zentralafrikanischen Republik einfach fehle, sei zumindest ein Grundmaß an Stabilität, beschreibt Afrika-Experte Paul Melly die Situation. "Davon ist das Land auch jetzt weit entfernt." Die Zentralafrikanische Republik gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. In weiten Teilen des Landes geht es um das pure Überleben. Andreas Mehler meint, dass man - wenn Sicherheit und Stabilität wiederhergestellt sein sollten - auch wieder über Demokratie und Politik diskutieren könne, denn die Basis dazu sei da.
"Man sollte nicht vergessen, dass das Land im Vergleich zu seinen Nachbarländern eine größere demokratische Tradition hat." Es habe Phasen des Mehrparteiensystems in den 70er und 80er Jahren gegeben, und es gebe Parteien mit richtiger Tradition. Doch solange die Plünderungen in der Hauptstadt anhalten und die Situation im Land chaotisch ist, ist eine Diskussion über Demokratie wohl ohnehin verfrüht.