Kirche und Protest
18. Oktober 2013Am vergangenen Sonntag schlug es in Limburg dreizehn. Und das nicht nur im übertragenen Sinne des deutschen Sprichworts. Die Domuhr war von Kritikern des Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst so manipuliert worden, dass sie um 12 Uhr dreizehn Mal schlug - als Mahnung an den kirchlichen Würdenträger. Vor dem Dom protestierte gleichzeitig eine Gruppe katholischer Christen gegen den Bischof, der unter anderem wegen der unklaren Finanzierung des mehr als 30 Millionen teueren Baus des neuen Bischofssitzes stark umstritten ist.
"Man meint, wir seien die stummen Schafe, die alles dulden und sonntags dann in den Gottesdienst gehen und alles abnicken. Das ist nicht so. Deswegen haben wir auf dem Domplatz in Limburg protestiert", sagt Pastoralreferent Joachim Schaefer von der katholischen Domgemeinde in Wetzlar nördlich von Frankfurt am Main.
Konservativer Rückschritt
Die Kritik richtete sich jedoch nicht nur gegen das Verhalten des Bischofs, sondern gegen die katholische Kirche insgesamt. "Es gibt keine demokratische Kultur, keine Streitkultur." Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte Schaefer, es habe in den 70er Jahren eine große Aufbruchstimmung gegeben. "Aber jetzt sehen wir, dass die Kirche eher einige Schritte zurückgegangen ist, statt vorwärts." Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Ende 1960er Jahre habe sich eine breitflächige Liberalisierung durchgesetzt. Die sei aber in Limburg insbesondere durch Tebartz-van Elst wieder rückgängig gemacht worden.
Der Bischof habe versucht, das liberale Bistum zu säubern, so Schaefer. Tebartz-van Elst gehöre einer neuen konservativen Gruppe von Klerikern an, die ihr katholisches Profil sehr offensiv darstellen will. So seien zum Beispiel strengere Regeln für die Liturgie, die von Rom entschieden wurden, in Limburg strenger durchgesetzt worden als in anderen Bistümern, zum Beispiel, was den Umgang mit Homosexuellen angeht.
Der Finanzskandal brachte das Fass zum Überlaufen
Schon zu Beginn der Amtszeit des neuen Limburger Bischofs 2008 hatten viele Gemeindemitglieder, Priester und Kirchenangestellte protestiert. Tebartz-van Elst griff mit harter Hand durch, schickte Abmahnungen und kündigte viele der unliebsamen Kritiker. Im Sommer 2013 forderten schließlich 4000 Christen auf einer Unterschriftenliste mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gläubigen. Für die Referentin der kritischen Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", Annegret Laakmann, folgte kurz darauf mit Bekanntwerden der hohen Kosten des neuen Bischofssitzes der negative Höhepunkt in der Ära Tebartz-van Elst. "Ich denke, das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es ist immer noch nicht eindeutig klar, wer wusste, was es kostet, wie sind die Seilschaften im Bistum, wer hat es gedeckt und warum hat Rom nichts unternommen?"
Protest von unten hat Tradition
Proteste gegen katholische Dogmen und Maßnahmen haben nach Einschätzung von Laakmann in Deutschland lange Tradition. Ende der 1960er Jahre habe eine breite gesellschaftliche Mobilisierung begonnen, insbesondere nachdem Papst Paul VI. die Einnahme von Verhütungsmitteln verboten hatte. Vielfältige Gruppen von Laien, aber auch Priestern und Theologen hätten sich gegründet und für einen reformierten Katholizismus eingesetzt. Gleichzeitig, so Laakmann im Gespräch mit der Deutschen Welle, habe es durch Anweisungen aus Rom zahlreiche Rückschläge gegeben. 1995 unterschrieben, angeregt durch eine österreichische Bewegung, immerhin 1,5 von rund 24 Millionen deutschen Katholiken ein Kirchenvolksbegehren. Die Forderungen: Abschaffung des Zwangszölibats für katholische Priester, weniger Hierarchien und weniger Macht für Bischöfe. Die Kritiker verlangten außerdem die Anerkennung individueller Sexualität.
Reformen werden in der ganzen Welt gefordert
In jüngerer Zeit gründete sich eine Vielzahl kleinerer katholischer Gruppen, unter anderem die Initiative "Ökumene 2017", die eine gemeinsame deutsche Kirche aus evangelischen und katholischen Christen zum Ziel hat. Katholiken, die sich für Reformen einsetzten gebe es nicht nur in Deutschland, betont Laakmann. "Stark vertreten sind sie in den USA. Dort haben sich ganz unterschiedliche Gruppierungen gegründet, nachdem 2002 Fälle von sexuellem Missbrauch durch Priester bekannt wurden." Auch in Südafrika, Großbritannien und besonders in Irland seien starke Reformbewegungen der katholischen Christen entstanden, ebenso wie in Polen, Tschechien, Indien, Australien. Selbst im vermeintlichen frommen Südamerika gebe es viele Katholiken, die sich nicht der offiziellen Linie des Vatikans anschließen. Zudem würden viele christliche Gemeinden von nicht geweihten Laien geleitet. Deren Widerstand gegen konservative Strukturen würde nur wenig nach außen dringen, erklärt Laakmann und berichtet von einem persönlichen Gespräch mit der Leiterin einer südamerikanischen Gemeinde: "Sie sagte: Was wir hier tun, kann der Bischof ja gar nicht kontrollieren. Dafür ist der viel zu weit weg."