Behält Poroschenko seinen TV-Kanal?
11. Juli 2014Eine Villa mit Wasserfall und Lilien. Von der Veranda des Anwesens steigt eine Frau herab. Zu ihr kommt ein Journalist und fragt: "Wie fühlen Sie sich in Ihrer neuen Rolle?" "In welcher?", fragt sie lächelnd zurück. "In der der First Lady", sagt der Journalist. So beginnt ein Interview, das Vitali Hajdukewitsch für "Kanal 5" mit Marina Poroschenko geführt hat, der Ehefrau des neuen ukrainischen Präsidenten. Ihm gehört der TV-Sender.
Hajdukewitsch sieht kein Problem darin, dass Poroschenko als erstes Staatsoberhaupt des Landes einen eigenen Fernsehsender besitzt. "Solange es meine Arbeit als Journalist nicht beeinflusst, wer der Eigentümer ist, ist mir es egal", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Weder vor noch nach den Wahlen sei er von irgendjemandem unter Druck gesetzt worden. Auch wirke es sich auf die Arbeit des Senders nicht aus, dass Swjatoslaw Zegolko, bislang Moderator bei "Kanal 5", nun Poroschenkos Pressesprecher ist.
Berichterstattung mit großer Wirkung
Poroschenko gehört "Kanal 5" seit dessen Gründung im Jahr 2003. Damals war er der erste ukrainische Nachrichtensender. "Er spielte eine große Rolle bei der Orangefarbenen Revolution im Jahr 2004, aber auch bei der proeuropäischen Maidan-Bewegung", sagt Natalja Ligatschowa. Die Chefredakteurin des ukrainischen Medienportals "Telekritika" betont gegenüber der DW, Poroschenkos Kanal habe als einer der wenigen kritisch über die prorussische Regierung des nach Russland geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowitsch berichtet: "Ganz ausgewogen war der Sender nicht. Er war eben sehr oppositionell."
Ligatschowa zufolge ist "Kanal 5" auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim längst abgestellt. Auch in den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ostukraine kann er nicht mehr empfangen werden. Der Anteil des Senders am ukrainischen TV-Markt ist nicht sehr groß. Etwa zehn Prozent der Ukrainer schalten ihn regelmäßig ein. "Aber sein Einfluss ist groß", betont die Medienexpertin. Vor allem Geschäftsleute und politisch Interessierte würden die Nachrichten verfolgen.
Poroschenko will seinen Sender behalten
Dass Poroschenko einen eigenen Sender habe, berge Konflikte, meint Ligatschowa. Denn nach ukrainischen Gesetzen dürfe der Präsident keiner Geschäftstätigkeit nachgehen. "Poroschenko will zwar seinen Süßwarenkonzern und andere Firmen verkaufen, aber nicht den TV-Kanal", so die Expertin. Sie ist sich sicher, dass Poroschenko "Kanal 5" behalten will. Er habe seinen Wahlsieg vor allem seinem Sender zu verdanken. Einer Studie von "Telekritika" zufolge gab es im Wahlkampf bei "Kanal 5" zwei bis drei Mal mehr Meldungen über Poroschenko als über seine Hauptkonkurrentin, die ehemalige Premierministerin Julia Timoschenko.
Kritiker im In- und Ausland raten Poroschenko, "Kanal 5" zu verkaufen. "Als Eigentümer kann er den Sender ausnutzen wie er will", warnte Serhij Leschtschenko von der Internet-Zeitung "Ukrainska prawda" schon vor der Wahl. Sollte Poroschenko nicht verkaufen, dann würde er sich von den Oligarchen nicht unterscheiden, deren Sender und Zeitungen nur Instrumente im politischen Kampf seien.
Auch die OSZE-Medienbeauftragte Dunja Mijatovic ist fest davon überzeugt, dass gewählte Politiker keine Medien besitzen oder kontrollieren sollten: "Wenn Poroschenko seine Unternehmen verkaufen will, sollte der TV-Kanal das erste sein."
Der in Kiew lebende deutsche Publizist Winfried Schneider-Deters glaubt, dass im Falle einer vorgezogenen Parlamentswahl schon im Herbst dieses Jahres Poroschenko zunehmend unter Druck geraten könnte. "Kanal 5" könnte für den Präsidenten zum "politisch-moralischen Ballast" werden, auch wenn der Sender die Wähler nicht beeinflussen würde. Deswegen rät auch Schneider-Deters Poroschenko, seinen TV-Kanal aus Gründen der "politischen Hygiene" zu verkaufen.