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Der plappernde Planet

2. März 2002

Ein alter Papst übt Medienschelte. Der Vatikan hat in einem offiziellen Dokument vor einem westlichen "Kulturimperialismus" im Internet gewarnt. Zugleich fordert er Gesetze gegen Hass, Gewalt und Pornografie im WWW.

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Papst Johannes Paul II.Bild: AP

Johannes Paul II. ist ein "Medien-Papst", TV-Kameras und Scheinwerferlicht beflügeln ihn geradezu, vor Journalisten hat er keine Scheu. Zwar surft er wohl kaum selbst im Internet, doch der Vatikan nutzt das neue Medium seit Jahren derart professionell und souverän, dass manche politische Partei davon nur lernen könnte. Doch das alles hindert das Kirchenoberhaupt nicht an einer radikalen Medienschelte, wie sie heute nicht gerade häufig ist. "Kulturimperialismus" – das war einst das Schlagwort der Linken, vornehmlich gegen die USA gerichtet. Heute ist das Wort fast tabuisiert – jetzt gräbt es das Oberhaupt der katholischen Weltkirche wieder aus.

Das Internet ist kein demokratisches Medium

Der päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel räumt in seinem Dokument "Ethik und Internet" mit einem Irrtum auf: Nur weil heutzutage Millionen Menschen im Netz surfen, handele es sich nicht um ein "demokratisches Medium". Zu Medien und Internet liest sich die Kritik noch schärfer: "Dass eine Kultur ihre eigene Weltanschauung, ihr Werteschema und sogar ihre Sprache einer anderen aufzwingt, ist nicht Dialog, sondern Kulturimperialismus". Immerhin: Der Vatikan, einst selbst nicht zimperlich im Aufzwingen seiner Lehre, bietet seine Homepage in sechs Sprachen an – unter anderem in Deutsch.

Informationsgesellschaft oder Infoelite?

Die "kulturelle Vorherrschaft", die "digitale Kluft" ist das Thema, für das der Vatikan sensibilisieren will. "Informationsreiche und Informationsarme" bildeten sich in der Welt heraus – mit unabsehbaren Benachteiligungen für viele Länder. "Internationale Standards" fordert das Dokument, Gesetze gegen Gewalt und Hass im Internet, Zensur jedoch nur im Notfall.

Dabei ist es gar nicht so lange her, da setzte die Kirche selbst kräftig auf Zensur. Erst in den 60er Jahren schaffte sie ihren Index ab, Jahrhunderte blieben für fromme Christen Bücher verboten. Darunter waren die Liebesgeschichte der "Madame Bovary" von Flaubert, Gedichte von Heinrich Heine und die Schriften Martin Luthers. Bloße Zensur, meint die römische Kurie heute, sei "weder ausreichend noch angebracht".

Shopping im religiösen Gemischtwarenladen

Allerdings, in eigener Sache wünscht sich die Kirche durchaus, den Schlüssel zum Internet in der Hand zu haben. Immer häufiger tummeln sich Kirchenkritiker, Basis-Gruppen oder obskure Kleinstgemeinden im Internet. Gruppen, "die sich selbst als katholisch bezeichnen", nennt der päpstliche Rat die lästige Konkurrenz. Derartige Internetseiten, heißt die Kritik, würden Gläubige zu einem "Einkaufsbummel" in Sachen "verbrauchergerechter religiöser Praktiken" einladen. Den "plappernden Planeten" nennt der Vatikan die postmoderne Beliebigkeit, die die reine Lehre gefährde. Da macht auch der Papst nicht mehr mit. "Es gibt keine Sakramente im Internet." (dpa/pf)