Der neue Follett: "Kinder der Freiheit"
16. September 2014Für einen klassischen Roman wäre das neue Buch von Ken Follett entschieden zu dick: rund 1200 Seiten sind auch für einen historischen Wälzer ordentlich. Der britische Schriftsteller ist es gewohnt, wuchtige Faktenberge auf unterhaltsame Weise aufzubereiten. Mit einem historischen Roman ("Die Nadel") hatte er 1978 seinen Durchbruch als Schriftsteller. Lukrative Verträge für Verfilmungs- und Übersetzungsrechte machten ihn schnell zu einem hochgehandelten Erfolgsautor. Heute sind seine Bücher weltweit auf allen Bestsellerlisten zu finden. Folletts Klassiker "Die Säulen der Erde" war sechs Jahre dort vertreten.
Literarische Zeitreisen
Die Bücher seiner großen Trilogie hat Ken Follett in den letzten sieben Jahren geschrieben. Die Grundlagen recherchiert der frühere Journalist akribisch selbst: er nutzt Archivmaterial, politische Analysen und Zeitzeugen-Interviews, die er mit ehemaligen Insidern der Machtapparate führt. Seine eher linken politischen Einschätzungen musste er inzwischen allerdings manchmal revidieren, zum Beispiel die über den amerikanischen Präsident Richard Nixon. "Inzwischen gebe ich zu, dass er in einigen Dingen sehr gut war. Er hat den Vietnamkrieg beendet, die Rassentrennung in den Schulen beseitigt und die Umweltbehörde EPA gegründet. Aber er war auch solch ein Lügner", empört sich Follett noch heute.
Für Folletts populären Stil liefern diese Recherchen die zeitgeschichtlichen Fakten, die seinen Romanhelden einen so realistischen Hintergrund geben. Er selbst sieht sich nicht als Historiker, sondern eher als Geschichtensammler: "Ich schreibe in der viktorianischen Tradition, wie übrigens die meisten in den Bestsellerlisten. Das sind Bücher mit einer Geschichte, mit einem Anfang, einem Mittelteil und einem Ende und es funktioniert prächtig," erzählt er in einem aktuellen Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Bestseller garantiert
Auch Ken Folletts neuster Roman, "Kinder der Freiheit", das ab heute in den Buchläden vieler Länder zu haben ist, gehört zur gehobenen Klasse der historischen Unterhaltungsliteratur. Alle Bände der Trilogie beschäftigen sich mit den politischen Umbrüchen im 20. Jahrhundert. Der 3. Teil spielt in der Zeit zwischen dem Mauerbau 1961 und dem Fall der Berliner Mauer 1989. Follett thematisiert mit literarischen Mitteln den "Eisernen Vorhang" - und seine Folgen quer durch Europa. Der Kalte Krieg zwischen den Machtblöcken in Ost und West ist eines seiner Herzensthemen, mit denen sich der ehemalige Reporter seit Jahren intensiv beschäftigt.
In den Siebziger Jahren stieg Ken Follett - der nebenbei Kolumnen über Rockmusik schrieb - zum Chefredakteur und später zum Direktor des kleinen Londoner Verlages "Everest Books" auf. Dort lernte er von handwerklicher Seite, wie man Bestseller verfasst - der Beginn einer großen Karriere. Nach international erfolgreichen Thrillern und Romanen, die auch in Hollywood verfilmt wurden, wandte sich der britische Schriftsteller in den letzten Jahren ausschließlich zeitgeschichtlichen Themen zu. Follett ist auch politisch aktiv und engagiert sich seit den 80er Jahren für die britische Labour Party.
Umbruch und Fortschritt
Für Follett ist das 20. Jahrhundert die dramatischste Zeit in der Geschichte der Menschheit, erzählt er in dem dpa-Interview: "Wir alle haben in dieser Zeit unsere Wurzeln. Vor hundert Jahren war das Wahlrecht für Frauen undenkbar, galt Minderwertigkeit von dunkelhäutigen Menschen als erwiesen und die Demokratie war eine verrückte Idee, die nur in drei Ländern funktionierte." Doch bei allen Rückschlägen - gerade in Osteuropa - sieht er die Entwicklungen auch mit Zuversicht: "Die menschliche Rasse hat Fortschritte gemacht. Es braucht einfach Zeit, Demokratien zu entwickeln." Sein nächstes Buch wird wieder im 16. Jahrhundert spielen: ein historischer Agentenroman, der vorraussichtlich 2017 fertig wird, verrät Follett auf seiner Internetseite. "Einen Titel habe ich noch nicht, noch ist es einfach "Kingsbridge III".