Der Neue an der Spitze der Bundesbank
7. Januar 2022Zu Beginn dieses Jahres tritt Joachim Nagel die Nachfolge von Bundesbankpräsident Jens Weidmann an.
Der 55-jährige Ökonom Nagel hat 17 Jahre lang für die Bundesbank gearbeitet, davon sechs Jahre im Vorstand, und er hat ein SPD-Parteibuch.
Bislang war Nagel Vizepräsident der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, die BIZ ist die Zentralbank der Notenbanken.Von 2017 bis 2020, war er im Vorstand der staatseigenen Förder- und Entwicklungsbank KfW zuständig für das internationale Geschäft. Geldpolitisch hat sich Nagel in seiner Zeit als Bundesbankvorstand mit Zuständigkeit für die Finanzmärkte kritisch zu den Anleihekäufen der EZB geäußert. "Es steht zu vermuten, dass er in der guten alten Bundesbank-Tradition steht", meint Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-Bank Deutschland.
Erfahrung mit Institutionen
Auf dem internationalen Parkett bringt er jedenfalls auch durch seine Arbeit in der bundeseigenen KfW-Förderbank Erfahrung mit. Als Bundesbankpräsident wird er dem Rat der Europäischen Zentralbank angehören, der die geldpolitischen Entscheidungen für den Euroraum fällt. An deren Beratungen hat er aber auch früher schon in Begleitung des jetzigen Präsidenten Jens Weidmann teilgenommen. Die Arbeit in großen Institutionen ist ihm also wohlvertraut.
Nagel begann seine Bundesbank-Karriere 1999 als Leiter des Büros des Präsidenten der Landeszentralbank in Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in Hannover. 2003 wechselte er in die Zentrale der Bundesbank nach Frankfurt und dort in den Zentralbereich Märkte, dessen Leitung er 2008 übernahm - zu Zeiten der Weltfinanzkrise. Zwei Jahre später wurde er in den Vorstand der Notenbank berufen, auch hier für die Märkte zuständig, also für die praktische Umsetzung der Geldpolitik.
"Die Organisation der Bundesbank gut zu kennen, das ist intern ganz wichtig", sagt Michael Schubert, geldpolitischer Experte der Commerzbank. Inhaltlich habe sich Nagel meist auf der Linie von Jens Weidmann bewegt. Er gilt als kompromissfähig. Dennoch traut ihm Notenbankexperte Friedrich Heinemann auch zu, die lange Tradition der Bundesbank in den EZB-Rat zu tragen - ohne dabei ideologisch fixiert zu sein: "Mit ihm dürfte die Deutsche Bundesbank ihrer Linie treu bleiben, den in Maastricht vereinbarten Ordnungsrahmen mit seiner Betonung von Preisstabilität und soliden Finanzen beizubehalten und weiterzuentwickeln", sagte der am Mannheimer ZEW forschende Heinemann der Nachrichtenagentur Reuters.
Nicht Fratzscher, Kukies oder Schnabel
Eine solche Haltung dürfte ihn auch zum geeigneten Kandidaten in der Ampelkoalition gemacht haben. "Mit ihm könnten alle drei Ampelparteien gut leben", glaubt Michael Schubert von der Commerzbank. Die SPD hatte das Vorschlagsrecht, doch die beiden anderen Koaltionspartner mussten zustimmen. Doch einen Weidmann-Nachfolger, der eine zu lockere Geldpolitik vertritt, den hätte zumindest die FDP wohl nicht mitgetragen.
Das dürfte ein Argument gegen den auch gelegentlich ins Spiel gebrachten Marcel Fratzscher gewesen sein. Für den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sprach zwar seine Erfahrung innerhalb der EZB, in deren Forschungsbereich er einige Jahre gearbeitet hat. Allerdings hat er bisher keine Erfahrung bei der Leitung großer Institutionen.
Außerdem war auch Isabel Schnabel als potentielle Nachfolgerin Weidmanns ins Gespräch gebracht worden. Sie gilt aber ebenfalls als Vertreterin einer expansiven Geldpolitik. Sie ist derzeit Direktoriumsmitglied in der EZB, damit also eine weitere deutsche Vertreterin im EZB-Rat. Auch Jörg Kukies, seit drei Jahren Staatssekretär im Finanzministerium, war kurzzeitig als möglicher Kandidat diskutiert worden. Auf ihn habe Bundeskanzler Olaf Scholz aber nicht verzichten wollen, hieß es in den vergangenen Tagen. Seit dem Nikolaustag war dann auch klar: Kukies wird wichtigster wirtschaftspolitischer Berater des Kanzlers und leitet im Bundeskanzleramt die Abteilung für Wirtschaftspolitik.
Dieser Beitrag wurde am 7. Januar, anlässlich der Ernennung Nagels durch den Bundespräsidenten, aktualisiert.