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Der Märtyrertod des Maximilian Kolbe

Christoph Hasselbach14. August 2016

Vor 75 Jahren ging in Auschwitz der Franziskanerpriester aus freien Stücken anstelle eines anderen Häftlings in den Tod. Die Wirkung seiner Tat hält bis heute an.

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Maximilian Kolbe (Foto: picture-alliance/KNA)
Bild: picture-alliance/KNA

29. Juli 1941 im Konzentrationslager Auschwitz: Der Lagerkommandant, SS-Hauptsturmführer Karl Fritzsch, ordnet an, dass als Vergeltung für den angeblichen Fluchtversuch eines Häftlings zehn Männer durch den Hungertod sterben sollen. Unter den Ausgewählten ist der polnische Familienvater Franciszek Gajowniczek. Als er in lautes Wehklagen über sein bevorstehendes Schicksal ausbricht, meldet sich Mithäftling Maximilian Kolbe und soll dem Kommandanten gesagt haben: "Ich möchte für einen der Häftlinge in den Tod gehen. Ich bin katholischer Priester und habe keine Familie."

Fritzsch nimmt das Angebot an. Kolbe kommt zusammen mit den anderen neun Gefangen in den berüchtigten "Hungerbunker" und versucht, ihnen Trost zuzusprechen. Als Kolbe und drei andere Häftlinge am 14. August immer noch leben und der Bunker für neue Todeskandidaten gebraucht wird, werden die Männer mit Giftspritzen getötet und die Leichen verbrannt.

Pabst Franziskus in Kolbes Zelle (Foto: "picture-alliance/AP Photo/L'Osservatore Romano)
Papst Franziskus besucht Kolbes Zelle in AuschwitzBild: picture-alliance/AP Photo/L'Osservatore Romano

Eine ganze Klosterstadt

Wenig deutet auf ein dramatisches Leben und Wirken hin, als Rajmund Kolbe 1894 als Sohn eines deutschstämmigen Vaters und einer polnischen Mutter in einfachen Verhältnissen in der Nähe von Lodz geboren wird, das damals zu Russland gehört. Die frommen Eltern schicken den aufgeweckten Sohn in ein Franziskanerinternat nach Lemberg, er nimmt den Ordensnamen Maximilian an, später darf er in Rom Philosophie und Theologie studieren. Den Tod, auch den gewaltsamen, lernt der junge Kolbe allerdings schon früh kennen: Zwei Geschwister sterben an Tuberkulose, der Vater wird wegen seines Kampfes gegen die russische Besatzung hingerichtet.

Als Priester zurück in Polen gründet Maximilian Kolbe das Klosterzentrum Niepokalanow bei Warschau, einen Komplex mit Wohngebäuden, Seminar, Werkstätten, Druckerei, Verlag und einem eigenen Rundfunksender. Die Klosterstadt wird schnell überregional bekannt und zählt Ende der 1930er Jahre 660 Franziskaner.

Der deutsche Überfall auf Polen im September 1939 setzt Kolbes frühem Lebenswerk jedoch zunächst ein Ende. Die Deutschen vertreiben die Bewohner und machen aus der Klosteranlage ein Gefangenenlager. Kolbe wird erstmals verhaftet, kommt wieder frei, wird 1941 erneut festgenommen und nach Auschwitz gebracht. Er ist 47, als er dort ermordet wird.

Zeitzeugengespräch mit Schülern (Foto: DW/B.Cöllen9
Das Kolbe-Werk organisiert Begegnungen von Schülern mit KZ-Überlebenden und ehemaligen ZwangsarbeiternBild: DW/B.Cöllen

Frühe deutsch-polnische Versöhnung

Doch so schrecklich das Leben des Franziskanerpriesters endet, so nachhaltig ist seine Wirkung. "Das Gebot der Nächstenliebe hat seine Bedeutung wiedererlangt. Das Leben, das durch den freiwilligen Tod erkauft wird, hat seinen Wert zurückgewonnen", erzählt einmal der Zeitzeuge Michal Micherdzinski, der 2006 starb. Gottfried Bohl von der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) beschreibt die Botschaft, die von Kolbes Tat ausgeht, so: "Er steht für Nächstenliebe in ihrer allerradikalsten Form - er opfert sein eigenes Leben, um das eines anderen Menschen zu retten. Und dahinter steckt auch die Botschaft, dass selbst in den dunkelsten und unmenschlichsten Zeiten ein Stück Menschlichkeit möglich ist."

Anfang der 1960er Jahre in einem noch frostigen politischen Klima zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland betreiben polnische und deutsche Bischöfe gemeinsam Kolbes Seligsprechung. "Sie haben sich in einer Zeit für Versöhnung eingesetzt, als das gar nicht angesagt war", so Gottfried Bohl, "und sie wurden dafür auch massiv angefeindet." 1971 spricht Papst Paul VI. Kolbe selig, 1982 folgt die Heiligsprechung als Märtyrer durch Papst Johannes Paul II. Bei beiden Zeremonien ist auch Franciszek Gajowniczek dabei, der das KZ überlebt hat. Gajowniczek macht in Vortragsreisen in Europa und den USA Kolbes Wirken weiter bekannt. Ende Juli dieses Jahres besuchte Papst Franziskus Kolbes Todeszelle in Auschwitz.

Das Logo des Maximilian-Kolbe-Werks

Kolbe-Werk und Kolbe-Stiftung

Heute tragen das Maximilian-Kolbe-Werk und die Maximilian-Kolbe-Stiftung seinen Namen. Das Kolbe-Werk mit Sitz im süddeutschen Freiburg unterstützt seit seiner Gründung 1973 Überlebende der Konzentrationslager und Ghettos vor allem in Polen, unabhängig von der Konfession der Betroffenen. Die Kolbe-Stiftung betreibt Versöhnungsprojekte in Europa. Nach den Worten von Gottfried Bohl haben beide Organisationen zum einen eine politische Botschaft - ihr Motto: "Das Volk der Täter übernimmt Verantwortung und kümmert sich um die Opfer." Ihr zweites Anliegen sei "die Arbeit für Erinnerung und Versöhnung - gegen das Vergessen. Begegnungen der Opfer von damals mit jungen Menschen von heute halten die Erinnerung wach und vermitteln die Botschaft: 'Nie wieder'."

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick nennt Kolbe ein Symbol für die deutsch-polnische Versöhnung. Schick ist Stiftungsratsvorsitzender der Kolbe-Stiftung und deutscher Leiter der Kontaktgruppe der Deutschen und Polnischen Bischofskonferenz. In einem KNA-Interview sagt er, der Versöhnungsprozess sei noch nicht abgeschlossen. Die Stiftung wolle junge Menschen zu "Promotoren der Versöhnung und des Friedens für ihre Länder" machen. Das Beispiel Maximilian Kolbes könne zu Versöhnungsarbeit weltweit anregen, etwa in der Ukraine, Ruanda oder dem Sudan.