E-Mobility in Berlin
16. Dezember 2014Berlin elektrisiert - so liest sich das Berliner Stadtmarketing in Hochglanz-Broschüren. Der Hintergrund: Die deutsche Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg will sich – bis zum Jahr 2020 – zu einem international anerkannten Vorbild für Elektromobilität mausern. Berlin soll, so der Werbeslogan, eine nachhaltige, emissionsfreie und inspirierende Metropole werden. Helmar Rendez, Geschäftsführer der Stromnetz Berlin GmbH, teilt diese Vision: "Ich denke, dass wir jetzt kurz davor sind, die Massenproduktion zu sehen."
Berlin versteht sich dabei als ein Schaufenster für die Mobilität der Zukunft. So sieht es auch der im April 2012 verabschiedete Plan der Bundesregierung vor: Vier Großversuche für die Markteinführung von Elektroautos wurden damals deutschlandweit gestartet – mit vorneweg die Hauptstadtregion. Rund 90 Millionen Euro in drei Jahren investieren Bund, Länder und Unternehmen in die Pilotprojekte.
Allein in Berlin wurden 30 Maßnahmen auf den Weg gebracht – koordiniert durch eine eigens dafür gegründete Berliner Agentur für Elektromobilität, kurz eMO. Für Berlins Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung, Cornelia Yzer, der richtige Weg: "Gerade Berlin als eine wachsende Stadt sollte Vorreiter dieser Entwicklung sein."
Düstere Realität für Elektroauto-Fans
Doch noch sieht die Realität auf den Straßen der Hauptstadtregion anders und für Elektroauto-Fans eher düster aus. Der Anteil elektrisch betriebener Fahrzeuge ist verschwindend gering, auch wenn die Zulassungszahlen steigen. Mitte 2014 waren laut Senatsverwaltung gerade einmal 1.350 Elektro-Fahrzeuge in Berlin unterwegs, darunter etwa 100 Elektro-Nutzfahrzeuge. Die wenigsten davon gehören Privatleuten, die meisten Car-Sharing-Anbietern. Berlins Elektro-Fuhrpark ist damit deutschlandweit Spitze - und bleibt dennoch enttäuschend klein. Zum Vergleich: Anfang Januar gab es allein in Berlin über 1,3 Millionen PKWs.
Knut Hechtfischer, Gründer und Geschäftsführer des Berliner Start-up-Unternehmens Ubitricity, kennt die Startschwierigkeiten der hochfliegenden Berliner E-Mobilitäts-Pläne. Er will eine neuartige Ladeinfrastruktur für Elektroautos aufbauen, bislang aber ohne durchschlagenden Erfolg: "Berlin hat sich da vor gut zwei Jahren dafür entschieden, einen großen Wurf zu versuchen und deswegen ist jetzt erst mal noch nicht so viel passiert." In Berlin sei viel geplant worden, so Hechtfischer, doch viel zuwenig auch umgesetzt worden, sagt Hechtfischer. "Andere Städte machen da sehr, sehr viel mehr."
E-Mobilität kommt nicht im Alltag an
Noch kommt die Elektromobilität nicht im Alltag der Bürgerinnen und Bürgern an: Und dabei herrscht im Prinzip kein Mangel an Forschungs- und Pilotprojekten. "KV-E-Chain", "Open Mobility Berlin", "Smart-E-User" oder "Baden&Laden" - hinter diesen Kürzeln und Projektnamen verbirgt sich ein Wunsch, nämlich die Nutzung von Elektroautos in der Hauptstadtregion günstiger, flexibler und alltagstauglicher zu machen.
30 Kernprojekte werden derzeit umgesetzt, weitere 50 sind geplant. Vorne auf der Berliner Agenda steht dabei das Ziel, den öffentlichen Nahverkehr in Berlin zu elektrifizieren. Es wird untersucht, wie gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge künftig noch vielseitiger für emissionsfreie Post- und Logistikdienste eingesetzt werden können. Und es wird darum gerungen, ob Elektrofahrzeuge künftig im Berliner Straßenverkehr sowohl beim Fahren wie auch beim Parken Vorrang haben sollen.
Bescheidene erste Erfolge
Ein paar Erfolge können die Elektromobilitäts-Unterstützer bereits verbuchen: So konnten sich Stromanbieter auf eine E-Roaming-Lösung einigen. Diese garantiert, dass künftig jede Ladesäule mit einer Karte und einem Abrechnungssystem zu benutzen ist. Und auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit hat Berlin für Elektroautos getrommelt. Eine "EMobility Lounge" empfängt Besucher der Berliner Innenstadt, um ihnen das Fahren mit elektrisch betriebenen Pedelecs, Segways, E-Rollern, eTukTuks und Elektroautos näherzubringen.
Kürzlich wurde sogar eine Partnerschaft zwischen den Metropolregionen Berlin und Peking aus der Taufe gehoben. Das Ziel: Gemeinsam soll der Aufbau einer effizienten Ladeinfrastruktur angegangen werden.
Fördergelder werden nicht abgerufen
Doch abseits der medialen Bühne hapert es: Bereitstehende Fördergelder für Pilotprojekte werden von Wirtschaft und Forschung nicht abgerufen - zum Leidwesen der Berliner Elektromobilitäts-Agentur. Und der schleppende Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur wird zum Nadelöhr für die Akzeptanz der neuen Technologie, die noch immer für viele zu teuer und im Alltag zu umständlich ist.
Die Gründe sind für Start-Up-Gründer Knut Hechtfischer dabei teilweise hausgemacht, nicht zuletzt weil der schnelle Ausbau der Ladeinfrastruktur lange im Dickicht der bürokratischen Abstimmungsprozesse stecken blieb, so Hechtfischer: "Man hat versucht und versucht immer noch, in einem bislang europaweit einmaligen Verfahren Ladeinfrastruktur öffentlich zu beschaffen." Dabei seien die Anforderungen so weit nach oben geschraubt worden, dass sich der tatsächliche Ausbau der Ladeinfrastruktur immer weiter verzögert.
Ursprünglich sollten nach offiziellen Plänen bereits Ende dieses Jahres 1.600 öffentlich zugängliche Ladesäulen im Stadtgebiet stehen. Mit Verzug soll das jetzt Ende kommenden Jahres erreicht werden, kündigte die zuständige Senatorin an. Ein Ziel, das schon jetzt Makulatur erscheint, blickt man auf die gerade einmal 265 Ladesäulen, die es heute gibt.
Ideen verhallen im Bürokraten-Dschungel
Für schnelle Abhilfe könnte da eine Idee sorgen, die für das standardisierte Berliner Beschaffungsverfahren für Ladeinfrastruktur zu innovativ und zu unerprobt war. Hechtfischers Firma Ubitricity hat eine Methode entwickelt, wie Elektroautos an jeder Straßenlaterne aufgeladen werden können. Das würde den Aufbau einer teuren Ladeinfrastruktur mit neuen Ladesäulen überflüssig machen.
Die Idee: In vorhandene Straßenlaternen werden einfache Steckdosen eingebaut, an dem Nutzer ihr Elektroauto mit einem mitgebrachten Ladekabel volltanken können. Der Strom wird über einen mobilen Stromzähler abgerechnet – und kann direkt vom eigenen Energieversorger bezogen werden. Das reduziert den Aufwand für die Ladeinfrastruktur dramatisch, findet Hechtfischer.
Nur bei den Verantwortlichen in Berlin fand er da bislang kaum Gehör. Zehn Straßenlaternen mit Ladepunkten gibt es bis jetzt. Geschätzte 270.000 Straßenlaternen warten unterdessen weiter darauf, als Zapfsäule der Zukunft genutzt zu werden.
In diesem Licht müsste dann wohl auch das Stadtmarketing Berlins ein wenig angepasst werden. Denn zu dem Slogan "Berlin elektrisiert" gilt es derzeit wohl noch hinzuzufügen: "Berlin elektrisiert - zumindest ein bisschen".