Kunsthändler beklagen Vertrauensverlust
17. April 2015"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit", wusste schon Karl Valentin. Und so hängen sie nun, stehen oder liegen in den Kojen der Kölner Messe: kleine und große Gemälde, wandfüllende Fotografien, Skulpturen, ob im Westentaschenformat oder vom Ausmaß eines Baggers. Die Ateliers sind weit weg. Es riecht nicht nach Farbe. Kein Klopfen des Bildhauers stört das Ambiente. Wir sind schließlich nicht beim Werksverkauf, sondern blicken in die Schaufenster des Kunstbetriebs. Die sind denn auch ansprechend hergerichtet - und bevölkert mit schönen, jungen Frauen. Lockvögel müssen schließlich sein, nicht nur in Galerien. In diesem Punkt unterscheidet sich die Kunstmesse nicht von einem Autosalon.
Einen Gebrauchtwagen würde sie Helge Achenbach wohl kaum mehr abkaufen: Hedwig Döbele ist seit 40 Jahren im Geschäft mit der Kunst. "Mit seinem Gehabe hat Achenbach die ganze Branche in Verruf gebracht", klagt sie. Achenbach versuchte, Kunstkäufer mit überhöhten Provisionen zu betrügen. Nun sitzt er hinter Gittern. "Viele Kunden meinen jetzt, alle Kunsthändler machen das so."
Vertrauen ist ein scheues Reh
Ohnehin sei es im Kunsthandel nicht leicht, Geld zu verdienen. Doch habe der Achenbach-Skandal viel Vertrauen zerstört. "Das Vertrauen der Kunden ist doch unser Kapital", sagt Döbele kopfschüttelnd, "das, wovon wir leben".
Die Galeristin aus Dresden schwört auf die Ethik des Kunsthandels - Transparenz, Offenheit und korrekte Angaben zur Ware Kunst. "Ehrlichkeit währt am längsten", so ihr Motto. Vertrauen sei wie ein scheues Reh, das sich beim leisesten Zweifel verflüchtigt.
"Die Branche leidet", beschwert sich auch Klaus Benden, führender Kunsthändler aus Köln. Die Kunden neigten zu der Verallgemeinerung: "Wenn der mich über den Tisch zieht, dann tun andere das auch." Wie viele seiner Kollegen ist er sauer auf Achenbach, dessen Machenschaften ein trübes Licht auf die Branche warfen.
Benden betont deshalb: "Achenbach ist ein Einzelfall." Viele Kunstvermittler leisteten über Jahre und Jahrzehnte seriöse Arbeit. Achenbach müsse für sein Handeln geradestehen, auch wenn seine Opfer - wie der Unternehmer Albrecht - aus Kreisen der Hochfinanz stammten. "Wir leben ja nicht im Robin-Hood-Zeitalter!" Gesetze gälten für Arm und Reich. Moralisch sei es zwar noch verwerflicher, wenn man einen Armen über den Tisch ziehe. "Aber juristisch macht das keinen Unterschied."
Rote Punkte machen Tempo
Auf der Art Cologne wäre Achenbach wohl ganz in seinem Metier: Kaum fällt der Startschuss, greift Nervosität um sich, und illustres Publikum flaniert über die Kunstmessen-Flure, verfolgt von hektischen Blicken. Galeristen taxieren ihre Beute mit Kennerblick und demonstrieren Gelassenheit. Es brummt: Nie zuvor war so viel Geld im Markt. Kleine rote Punkte kleben schon nach wenigen Minuten an den weißgetünchten Kojenwänden. Rot signalisiert: "Verkauft!" und demonstriert: "Greif zu! Die besten Sachen sind bald weg!" Den Kenner erkennt der Händler - am flüchtigen Spähen über den Brillenrand, weniger am prall gefüllten Portemonnaie.
"Nicht die Kunst, die sich am besten verkauft, ist wichtig oder gut", sagt Daniela Steinfeld von der Düsseldorfer Galerie van Horn. Auch sei preiswerte Kunst nicht automatisch schlecht. Ihre Galerie sieht die studierte Künstlerin an der Schnittstelle zwischen Produktion und Markt, betraut mit der "wichtigen kulturellen Aufgabe", sich um junge Künstler zu kümmern. Das habe auch Helge Achenbach getan. "Ein sehr großzügiger, wirklicher Kunstliebhaber!" Was leider oft gern vergessen werde.
"Geld nur ein wertloses Tauschmittel"
Steffen Missmahl kritisiert die Spekulation mit Kunst. Er hat sich als Sammler von Künstlerbüchern einen Namen gemacht: "Den Leuten geht es gar nicht um die Kunst, sondern um Profit." Viele Sammler spekulierten darauf, ein Vielfaches des Einstandspreises zu erzielen. "Diese Nachfrage hat Achenbach perfekt bedient." Jetzt sei die Glaubwürdigkeit des Kunsthandels "angeknackst" und es könne Jahre dauern, bis neues Vertrauen entsteht. Er wünscht sich, dass alle Beteiligten sich mehr auf Inhalte besinnen und mit der Kunst beschäftigen. "Geld ist eine schöne Sache, aber nominell nichts wert", sagt er, "Geld ist nur ein Tauschmittel, um an Dinge zu kommen, die ich für mein Leben für wichtig halte." Kunst und Moral haben wohl eines gemeinsam: Ihr Wert liegt im Auge des Betrachters.