Der Kronprinz, die Macht und ihre Grenzen
8. Juni 2019Für seine Nahostreise hat sich Außenminister Heiko Maas ein schwieriges Programm vorgenommen. Er besucht eine Region, die im Zeichen immer größerer Eskalation steht. Besonders gefährlich derzeit: der Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien. Die beiden Staaten konkurrieren um die Vormachtstellung in der Region. Im Jemen fechten sie seit über drei Jahren einen Stellvertreterkrieg aus, unter dessen Folgen vor allem die jemenitische Zivilbevölkerung zu leiden hat.
Zwar reist Maas nicht nach Saudi-Arabien, wohl aber in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), den engsten Bündnispartner der Saudis. Dort hofft er, im Gespräch mit seinem Amtskollegen Scheich Abdullah bin Zayed Al Nahyan auf eine Entspannung der Situation hinwirken zu können.
Doch mit der offiziellen Begegnung sind die Gespräche zwischen Deutschland und den VAE noch nicht erschöpft. Am Pfingstmontag wird Kronprinz von Abu Dhabi, Scheich Muhammad Bin Zayed Al Nahyan, nach Berlin reisen. Dort wird er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen.
David gegen Goliath
Das Time Magazin listete den Kronprinz dieses Jahr unter den weltweit 100 einflussreichsten Persönlichkeiten auf. Und doch musste der Kronprinz vor wenigen Wochen seine relative Machtlosigkeit erfahren. Mitte Mai wurden vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate mehrere internationale Handelsschiffe durch einen Sabotage-Akt beschädigt, darunter auch ein Öl-Transporter aus Saudi-Arabien, dem engsten Partnerland der VAE. Der Akt fand an der weniger geschützten Ostküste des Landes statt - ein Hinweis, dass die dafür Verantwortlichen sehr genau wussten, wo die VAE am leichtesten verwundbar sind.
Dabei ist die territoriale Integrität der Emirate eines der zentralen Anliegen des Kronprinzen. Sein Schlüsselerlebnis fiel in das Jahr 1991, heißt es in einem Porträt der "New York Times" von Anfang Juni. Damals hatte der irakische Machthaber Saddam Hussein den kleinen Nachbarstaat Kuwait überfallen. David hatte gegen Goliath keine Chance, es brauchte die Hilfe einer internationalen, von den USA angeführten Koalition, um den Aggressor in die Schranken zu weisen.
Einfluss in Washington
Auf Initiative des Kronprinzen beteiligten sich die Emirate mit vier Millionen US-Dollar an den Kosten der Militär-Aktion. Seit jenem Jahr ist der 58 Jahre alte Kronprinz regelmäßiger Gast in Washington. Eines seiner wichtigsten Anliegen dort: Waffen zur Verteidigung seines Landes zu kaufen. Zudem, heißt es in der New York Times, sei er "eine der einflussreichsten ausländischen Stimmen in Washington, jemand, der die Vereinigten Staaten dazu drängt, seinen zunehmend kriegerischen Ansatz in der Region zu übernehmen."
Die größten politischen Sorgen des Kronprinzen gelten allerdings dem Nachbarn auf der anderen Seite der Straße von Hormus, dem Iran. Zu Beginn dieser Woche präsentierten die VAE zusammen mit Norwegen und Saudi-Arabien die Ergebnisse ihrer gemeinsamen Untersuchung.
"Während die Ermittlungen weiterhin andauern, liefern die bisherigen Fakten deutliche Hinweise darauf, dass die vier Anschläge Teil einer ausgeklügelten und koordinierten Operation waren, die von einem Akteur mit beträchtlicher operativer Kapazität, höchstwahrscheinlich einem staatlichen Akteur, ausgeführt wurde", heißt es in dem Papier. Es nennt allerdings keine Namen.
Dem Iran stehen die VAE und Saudi-Arabien nicht nur im Jemen gegenüber, sondern auch in Syrien. Dort ist der Iran einer der bedeutendsten Verbündeten der Assad-Regierung. Saudi-Arabien und die VAE hingegen stehen auf Seiten der Opposition.
Kriegsgefahr am Golf
Durch die Aufkündigung der internationalen Atomvereinbarung mit dem Iran durch die Trump-Regierung ist die Spannung in der Region nochmals gestiegen. Für Situationen wie diese hat Mohamed bin Zayed seit Jahren in Waffen investiert. Die Armee der VAE gilt als einer der am besten gerüsteten der arabischen Welt. Doch wäre sie in der Lage, in einer als direkter Konfrontation geführten Auseinandersetzung eine Eskalation zu verhindern?
Im Gespräch des Kronprinzen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Pfingstmontag dürfte es vor allem um die am Golf aufziehende Kriegsgefahr gehen. Dabei geht es auch für Deutschland um viel: Würde der Konflikt eskalieren, sähe sich Europa einer neuen Flüchtlingskrise gegenüber.
Ende März hatte der Bundessicherheitsrat eine Verlängerung des Rüstungsexportstopps für Saudi-Arabien um weitere sechs Monate beschlossen. Für die VAE gilt das Embargo allerdings nicht. In Schloss Bellevue dürfte auch darüber gesprochen werden, was es den VAE wert ist, dass dies so bleibt.