Das Kobalt-Problem des Kongo
14. November 2017Elektroautos stehen im Rampenlicht. Nach Dieselgate glauben viele Konsumenten, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis emissionsfreie Fahrzeuge alltäglich werden und das schlechte Gewissen beim Fahren endlich der Vergangenheit angehört. Aber die Förderung von Kobalt wirft ethische Fragen auf. Das Mineral wird in Lithium-Ionen-Batterien verwendet, die Elektroautos, Handys und Laptops mit Strom versorgen.
Mehr als die Hälfte des weltweit verbrauchten Kobalts stammt aus einem der ärmsten Länder der Welt, der Demokratischen Republik Kongo (DRC), wo Korruption blüht und Kinderarbeit zum Alltag gehört.
"Die Arbeitsbedingungen sind entsetzlich, es gibt keine Sicherheitsausrüstung, und die Menschen riskieren es, in den von Hand gegrabenen Minen lebendig begraben zu werden", sagte Matt Dummett, Wissenschaftler bei Amnesty International, gegenüber der DW. "Ich habe gesehen, wie siebenjährige Kinder an der Oberfläche gearbeitet haben. Sie sammeln Steine und sind an den langen Tagen in der Hitze Brutalität und Einschüchterungen ausgesetzt."
In den vergangenen Jahren haben Menschenrechtskampagnen und investigative Medienberichte versucht, das Augenmerk auf den undurchsichtigen Kobalthandel zu richten, insbesondere auf den sogenannten Kleinbergbau, wo Männer mithilfe von einfachen Handwerkzeugen tief in der Erde graben, während andere - auch Frauen und Kinder - die schweren Säcke mit Steinen schleppen, aus denen das Kobalt gewonnen wird.
Die Weltbank schätzt, dass zwei Drittel aller Kongolesen von weniger als 1,90 US-Dollar (ca. 1,60 Euro) am Tag leben. Und Amnesty sagt, Hunger und Arbeitslosigkeit treiben die Menschen oft dazu, nach wertvollen Metallen zu suchen.
Steigende Nachfrage
Einen Mangel an Käufern für das, was sie zu Tage fördern, gibt es nicht. Bis 2025 sollen bei Automobilherstellern wie VW und Daimler ein Viertel aller verkauften Fahrzeuge Elektroautos sein. Doch dieser Aufbruch in eine sauberere Zukunft und der Wettbewerb mit Firmen wie Tesla treibt die Nachfrage nach Rohstoffen an.
Volkswagen hat kürzlich eine Ausschreibung gestartet, um seinen Bedarf an Kobalt für die nächsten mindestens fünf Jahre zu sichern. BMW und Tesla hatten bereits etwas ähnliches getan. Die Gesamtnachfrage nach dem Mineral wird bis 2025 voraussichtlich um das Elffache steigen.
Das wird die Preise, die bereits im vergangenen Jahr drastisch gestiegen sind, weiter in die Höhe treiben. Und es wird die Bergbaupraktiken in den Fokus rücken.
"Heute ist es sehr gut möglich, Kobalt zurückzuverfolgen”, sagt Dummett. "Unternehmen haben keine Ausrede mehr."
Positiv schlägt zu Buche, dass einige westliche Unternehmen sich branchenübergreifend zusammengeschlossen haben, um Richtlinien für gute Verfahrensweisen zu etablieren. Ein Beispiel dafür ist die Responsible Cobalt Initiative.
Dennoch bleiben Menschenrechtler wachsam. "Das könnte ein guter Weg sein", sagt Dummett, "oder aber die Unternehmen denken, dass sie fein raus sind, wenn sie diese Initiativen unterstützen."
Letzten Monat meldete die BMW Gruppe, man arbeite daran, die eigene Kobalt-Lieferkette transparenter zu machen, indem man Informationen zu Herkunftsländern und Schmelzen öffentlich zugänglich macht. Der Unternehmenssprecher für Nachhaltigkeit, Kai Zöbelein, sagt der DW, dass BMW sich an strenge Regeln halte: "Wir analysieren und verfolgen unsere Kobalt-Lieferkette seit fünf Jahren kontinuierlich.”
"Schmelzer in unserer Lieferkette verwenden Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo, aber nur aus großen Minen", fügt er hinzu, um den Autobauer klar von der Förderung aus den ungeregelten kleinen Minen zu distanzieren.
Ein VW-Sprecher sagt, das Unternehmen kaufe Kobalt nicht direkt ein, sondern beziehe Batterien von Zulieferern. Berichte von Verstößen würden "unverzüglich und gründlich” untersucht.
Kobalt und Korruption
Kobalt über Dritte zu beziehen oder die Rohstoffe nur von industriellen Minen in der Demokratischen Republik Kongo zu kaufen, bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass sich internationale Unternehmen ethisch korrekt verhalten. Insbesondere, wenn man das Ausmaß an Korruption in dem Land bedenkt.
Untersuchungen der gemeinnützigen Organisation Global Witness haben aufgedeckt, dass zwischen 2013 und 2015 mehr als 647 Millionen Euro, die von Firmen an den kongolesischen Staat gezahlt wurden, dort versickert sind.
Viele Bergbaulizenzen in der Demokratischen Republik Kongo werden von Gecamines verkauft. Peter Jones von Global Witness bezeichnet die staatliche Bergbaugesellschaft als "schwarzes Loch".
"Gecamines wird von jemandem aus Präsident Joseph Kabilas engstem Kreis geleitet. Das Unternehmen hat wiederholt Anteile ihrer Minenprojekte verkauft. Es veröffentlicht keine Bilanzen, und es ist unmöglich zu wissen, wo genau das Geld landet, das gezahlt wird", sagt Jones.
Und mit Kabila, dessen zweite Amtszeit im vergangenen Dezember endete und der die Bekanntgabe eines Termins für Neuwahlen noch immer hinauszögert, ist das Potential für Korruption weiterhin groß.
Die Initiative Agora Verkehrswende, eine Denkfabrik zur Förderung eines klimafreundlichen Verkehrssystems, meint, gebührende Sorgfalt und rigorose Überprüfung der gesamten Lieferkette seien zwingend notwendig, damit die sauberen Autos der nächsten Generation auch nach sauberen ethischen Standards gebaut werden. In einem Bericht zitiert Direktor Christian Hochfeld bestehende Standards für sogenannte Konfliktrohstoffe wie Gold als Beispiele, an denen man sich orientieren könnte.
Er betont auch, wie wichtig es sei, alte Batterien öfter zu recyceln, um das Kobalt, das bereits abgebaut worden ist, möglichst gut zu nutzen.
"Ehrgeizige Umwelt- und Sozialstandards sind unerlässliche Voraussetzungen für eine wachsende Akzeptanz der Elektromobilität", sagt Hochfeld. "Nicht zuletzt, weil sie als eine umwelt- und klimafreundliche Technologie glaubwürdig sein muss."