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Der Islam und der Westen: "Fremd ist der Fremde nur in der Fremde"

Loay Mudhoon, zurzeit Kairo / arn 25. Januar 2006

Auf der Buchmesse in Kairo treffen sich Orient und Okzident. Ägyptische und deutsche Experten diskutierten über kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Wozu dient heutzutage die Orientalistik?

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Sinnbild MoscheeBild: AP

Seit dem 11.September 2001 sind die Menschen verunsichert. Was ist das eigentlich, "der Islam", und wofür steht er? Der Bedarf nach Dialog und kulturellem Austausch ist stark gestiegen - auf der Basis gegenseitigen Respekts und fundierten Wissens, nicht jedoch unter Ausklammerung von Differenzen in der Wahrnehmung des jeweils Anderen, kritischen Anmerkungen und tatsächlich vorhandenen Verständigungs-Problemen. Hier sind insbesondere die Islamwissenschaftler, also die "Orientalisten", gefordert.

Was kam nach Edward Saids "Orientalismus"-Buch?

In seinem berühmten Buch "Orientalismus" entlarvte der amerikanisch-palästinensische Literaturwissenschaftler Edward Said die westliche Rede "vom Orient" als ein Werkzeug des Imperialismus und Kolonialismus. Über zwanzig Jahre sind seit dem Erscheinen des viel diskutierten Buches vergangen. In der Zwischenzeit haben sich in den westlichen Islamwissenschaften tief greifende Veränderungen vollzogen.

Trotzdem hält sich in der arabischen Öffentlichkeit hartnäckig die Meinung, dass die Orientalistik nach wie vor Hand in Hand gehe mit einer hegemonialen Machtpolitik des Westens - und einer verzerrten Darstellung von islamischer Kultur und Religion. Die deutsche Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer, der deutsch-türkische Autor Zafer Senocak und der ägyptische Publizist Abdalwahhab al-Missiri stellten sich auf der Buchmesse in Kairo der Diskussion.

Wie sich ein Bild vom anderen machen?

Abdalwahhab al-Missiris ist der Meinung, dass ausschließlich soziale und politische Faktoren zur Analyse herangezogen werden sollten. Zudem lehnt er "die Anwendung spezieller Methoden im Studium der Islamwissenschaften oder jüdische Studien" ab. "Der Westen formt sich ein festes Bild vom Islam. Dieses Bild beruht auf Texten. Ferner behauptet der Westen, die ganze islamische Welt, die islamische Geschichte und alle Muslime seien identisch mit diesem festen Bild", beschreibt Gudrun Krämer eine der Thesen Saids. Ginge es nach Said, dann gebe keine Bewegung, keine Freiheit. Der Islam müsse weiter als der "negative Hintergrund" herhalten, vor dem sich "der Westen" positiv abhebe. Edward Said hatte damit ungeheuren Erfolg und nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Islamwissenschaften.

Wenn sich die Dinge verselbständigen

Zafer Senocak ist der Meinung, dass sich die Thesen von Edward Said längst verselbständigt hätten und jetzt unter anderem in den Massemedien wieder auftauchten. Die Konstruktion des "gefährlichen Fremden" - besonders populär seit dem 11. September 2001 - sei das beste Beispiel dafür. Die meisten Medien würden sehr starke und mächtige Orientbilder produzieren, die so gar nicht existierten. "Ein bestimmter Typus des Orientalen, des Andersartigen, ja Gefährlichen setzt sich in den Medien langsam durch - ohne jegliches Hinterfragen", hat Senocak beobachtet.

Kann die Islamwissenschaft gegensteuern?

Gudrun Krämer ist skeptisch: Die deutsche Islamwissenschaft habe sich zwar in den letzten 20 Jahren stark gewandelt, aber die direkten Einflussmöglichkeiten auf die Medien seien beschränkt. "Islamwissenschaftler sollen erklären und nichts verklären: Die Orientalen sind nämlich keine biblischen Ikonen", sagt sie und plädiert dafür, "den Anderen so wahrzunehmen wie er ist, ohne ihn unnötig fremd zu machen". Das gilt auch für die Muslime. Sie müssten lernen zu akzeptieren, so Krämer, dass "man sich für den Islam interessieren kann, ohne Muslim werden zu wollen".