Internationaler Touch im DFB-Frauenteam
9. April 2021Der Großteil des Kaders von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg kommt immer noch aus Vereinen wie VfL Wolfsburg, Bayern München, TSG Hoffenheim und Eintracht Frankfurt. Doch sechs Nationalspielerinnen treten inzwischen in England, Frankreich und Spanien an. Die Mannschaftskapitänin Alexandra Popp sagt, dass dieser internationale Flair die Nationalmannschaft nur besser macht. "Wir profitieren sehr davon. Wir haben jetzt Spielerinnen in England; und Dzsenifer Marozsan und Sara Däbritz sind in der französischen Liga", sagte Popp der DW. "Sie bringen einen ganz anderen Spielstil mit."
Aus München nach Paris
Däbritz, die vor zwei Jahren von Bayern München zum französischen Verein Paris Saint-Germain wechselte und im Testspiel der DFB-Frauen gegen Australien als Ersatz-Kapitänin brillierte, glaubt, dass die Partien in einer europäischen Top-Liga außerhalb Deutschlands ihr geholfen haben, ihr Spiel zu verbessern.
"Die Fußballphilosophien sind in jedem Land anders. Ich denke, in Frankreich spielen sie sehr viel Ballbesitz. Es gibt auch einen größeren Fokus auf Geschwindigkeit", sagt Däbritz. "Es ist sehr dynamisch wegen der vielen schnellen Frauen. Das hat mich schon herausgefordert."
Däbritz ist nicht die einzige deutsche Spielerin in der französischen Liga, und Paris ist nicht der einzige Verein, der den Ruf hat, den besten Fußballerinnen den letzten Schliff zu geben. Spielmacherin Marozsan spielt bei Lyon, dem wohl erfolgreichsten Frauenteam Europas, das siebenmal die Champions League gewann, zuletzt fünfmal in Folge. Der Vereinsphilosophie dort zollt auch die Bundestrainerin Lob. "Wenn eine körperlich starke Spielerin nach Lyon geht und ein eher technisch orientiertes Training bekommt, dann kann sie davon nur profitieren", sagte Voss-Tecklenburg. "Das Gleiche gilt, wenn eine Spielerin, die technisch schon sehr stark ist, nun im Bereich Schnelligkeit gefordert wird."
Andere Liga, andere "DNA"
Der Gedanke, dass jede Liga und jeder Verein einen eigenen Stil und eine "eigene DNA" hat, ist nicht neu. Jedes Land hat auch seine eigene Fußballkultur. Wie Däbritz anmerkt, wird Frankreich mehr oder weniger mit Ballbesitz assoziiert. Deutschland zeichnet sich durch die taktische Stärke seiner Mannschaft aus. Englands Frauen-Superliga wird oft als körperbetonter beschrieben, nicht unähnlich der Premier League der Männer.
Melanie Leupolz hat das erst kürzlich entdeckt. Die 26-jährige Mittelfeldspielerin ist eine von drei aus dem deutschen Nationalkader, die in der Women's Super League spielen. Nachdem sie mit Bayern München zwei Bundesliga-Titel gewonnen hatte, wechselte sie im vergangenen Jahr zum FC Chelsea.
"Die Spiele sind hier offener, das heißt, die schwächeren Mannschaften können leichter Tore schießen. Es ist viel schneller, viel weniger taktisch als in Deutschland", sagt sie der DW. "Aber hier bei Chelsea spielen wir nicht nur einen typisch englischen Fußballstil. Wir haben einfach viele technisch begabte Spielerinnen."
Leupolz findet die Frauen-Superliga attraktiver und ausgeglichener als die Szene in Deutschland. Ein vielleicht nicht unbegründeter Eindruck: Schließlich haben hierzulande Wolfsburg und Bayern München die Bundesliga in den vergangenen acht Jahren dominiert, während die Frauen-Super-League im gleichen Zeitraum vier verschiedene Meister hatte.
Herausforderung Zukunft
Der Boom des Frauenfußballs in ganz Europa hat deutschen Spielerinnen die Möglichkeit gegeben, sich im Ausland zu bewähren. Die Erfahrungen, die sie dabei sammeln, können der Nationalmannschaft nur zugute kommen. Zugleich nimmt die Sorge zu, dass der deutsche Frauenfußball generell ins Hintertreffen geraten könnte.
"Ich hoffe, dass die Entwicklung in anderen Ländern auch für den Frauenfußball in Deutschland entscheidend sein wird", sagt Alexandra Popp. "Auch wir müssen die nächsten Schritte gehen, sonst könnte es in den nächsten Jahren schwieriger werden. Aber wir arbeiten daran."
Rekordablöse
Popps Sorge ist nicht unbegründet. Denn es wird mehr Geld in die englische Liga investiert, was es Vereinen wie Chelsea und Manchester City ermöglicht, die Stars zu holen. Chelsea verpflichtete zum Beispiel die dänische Nationalspielerin Pernille Harder aus Wolfsburg für 300.000 Euro (357.000 Dollar), eine Rekordablöse im Frauenfußball. Chelsea war es auch, das Wolfsburgs Champions-League-Träume in dieser Saison beendete. Das Ergebnis im Viertelfinale mit 5:1 war eine der höchsten Niederlagen seit 2015. Dennoch sieht Bundestrainerin Voss-Tecklenburg die europäischen Top-Ligen weitgehend gleichwertig, so dass der Einsatzort einer Spielerin bei ihrer Auswahl - zumindest vorerst - keine Rolle spielt. "Ich denke, es ist toll, all diese verschiedenen Einflüsse zu haben", sagte sie. "Aber... eine Spielerin ist derzeit nicht mehr wert als eine andere, nur weil sie in Liga X oder Liga Y spielt."
(Adaption: Marko Langer)