Der Wüstenfarmer: Vom Bürojob zur Obstplantage
19. Dezember 2017Sanddünen, soweit das Auge reicht und hier und da ein trockener Busch. Das ist die unwirtliche Thar-Wüste. Sie bildet die natürliche Grenze zwischen Indien und Pakistan. Doch genau hier, beschloss Choga Lal Saini, sei der beste Platz, seine eigene kleine Oase zu schaffen: eine Obstplantage.
Nach 10 Jahren als Beamter in der örtlichen Verwaltung hatte er 2001 genug. Es sei Zeit für eine radikale Veränderung: "Ich wollte der Mutter Erde dienen", sagt Choga, inzwischen 69 Jahre alt. "Eine Oase aus Obstbäumen in der Wüste, das war mein Traum."
Seine Familie besitzt das Land, das er dafür nutzen wollte, schon seit Generationen. Aber es liegt mitten in der Wüste, in einem heißen, schwülen Klima, ohne Vegetation, abgesehen von ein paar einsamen Wüstenbüschen. Das Land war folglich kaum für den Ackerbau geeignet, ganz zu schweigen vom Anbau von Obstbäumen. Aber Choge ließ sich nicht beirren.
(Sehr) langsame Anfänge
Auch wenn die Chancen sowieso nicht gut für seinen Traum standen, hatte Chogas ein zweites Problem: Er besaß keinerlei landwirtschaftliche Kenntnisse, als er anfing. Stattdessen musste er viel experimentieren.
"Der Sand und das knappe Wasser ließen nichts wachsen, aber ich entwickelte Sorten von Sprösslingen, die für die Wüste geeignet waren." Sie haben außerdem den Vorteil, dass sie besser schmecken, behauptet er. Am Anfang verwelkte die Hälfte der Sprösslinge, weil sie die extremen Bedingungen nicht verkrafteten. "Ursprünglich habe ich den Fehler gemacht, trockene Blätter und Mulch vom Boden wegzuräumen", sagt er. Aber genau die hatten den Boden vor der extremen Hitze geschützt. "Als ich damit aufhörte, überlebten die Pflanzen."
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Bei Granatäpfeln und Mangos bedeckte er jede Frucht für sich. Dazu nutzte er alte Kleidung, um die Früchte vor den Vögeln zu schützen. Auch Termiten waren ein Problem. Um sie loszuwerden versprühte er Kerosinöl auf seinen Pflanzen. "Ich habe auch gemahlenes Mahagoni benutzt, als Unkrautvernichter", erinnert er sich. "Und ich habe nie Kuhdung als Dünger ausgebracht, sondern immer nur Ziegenkot, der sich, anders als Kuhdung, nicht im Wasser auflöst. So haben die Pflanzen länger etwas davon. Meine Bäume habe ich immer von Gräsern und Schmarotzern frei gehalten, damit sie ordentlich wachsen können."
Die Schmarotzerpflanzen wurden mit der Hand entfernt, Pestizide kamen nicht zum Einsatz. Choga sagt, dass er grundsätzlich eher zu organischen Methoden greift. Im Vergleich zum Wassermangel aber sind alle Probleme vergleichsweise klein.
Wüstenwasser
"Am Anfang war das hier alles Wüste", sagt Choga. "Hier ist absolut nichts gewachsen. Es gab fast kein Wasser und das bisschen, das es gab, ist einfach im Erdboden versickert." In den ersten Jahren macht er mit seiner Farm deshalb auch mehrere schwere Dürren durch, in denen nicht einmal die tiefsten Brunnen noch genügend Wasser für Chogas Traum liefern konnten.
Das änderte sich im Jahr 2006. Mächtige Regenfälle sorgten für verheerende Überschwemmungen, aber füllten auch die Wasserspeicher wieder spürbar auf. Das kam natürlich den Bauern in der Gegend zugute, auch Choga.
Damit war aber noch längst nicht alles perfekt. Wasser blieb ein knappes Gut, und Choga musste sich um weitere Verbesserungen bemühen. Also errichtete er fünf Erdwälle, um das Regenwasser zurückhalten zu können, sollte es denn einmal regnen. Hightech kam nun auch ins Spiel.
Israelisches Fachwissen für die indische Wüste
"Zu einer bestimmten Zeit habe ich jede Pflanze per Hand gegossen", erinnert sich Choga. Das änderte sich, nachdem er eine zehntägige Reise nach Israel unternommen hatte, wo er am "Center for International Agricultural Development Cooperation" die Tröpfchenbewässerung kennenlernte.
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Tröpfchenbewässerung bringt das Wasser direkt in die Nähe der Wurzeln der zu bewässernden Pflanze, ganz gleich ob ober- oder unterirdisch. Weil das Wasser sehr langsam und gleichmäßig fließt, und nicht in riesigen Mengen innerhalb kurzer Zeit kommt, kann die Pflanze so viel Wasser aufnehmen, wie sie braucht. Damit werden Verdunstungen und das Versickern des Wassers verhindert.
"Mir geht kein Tropfen mehr verloren", sagt Choga stolz.
Eine Oase
Seine Bemühungen tragen heute im wahrsten Sinne des Wortes Früchte. Heute wachsen mehr als 2000 Obstbäume auf Chogas 28 Hektar Land. Er baut Granatäpfel an, Mangos, Brustbeeren und indische Stachelbeeren. Mit Hilfe der Stachel- und Brustbeeren konnte er endlich profitabel arbeiten, nach mehr als zehn Jahren.
Besonders stolz ist er auf die Stachelbeeren. Sie würden verschiedene Krankheiten heilen können, davon ist Choga überzeugt. "Meine Stachelbeeren sind wirklich die besten", sagt er. "Sie haben besondere Eigenschaften, gerade weil sie in der Wüste wachsen. Ich hatte zum Beispiel schlechte Augen und musste eine Brille tragen. Meine Kniegelenke taten so weh, dass ich kaum laufen konnte. Nachdem ich anfing, die Stachelbeeren zu essen, ist mein Augenlicht besser geworden und meine Knie haben sich wieder erholt. Ich kann problemlos laufen und weit entfernte Dinge sehen."
Ganz abgesehen von möglichen medizinischen Erfolgen, Choga ist unter seinen Nachbarn vor allem wegen des hohen Ertrags berühmt. Immer wieder suchen andere Landwirte bei ihm Rat.
"Als ich davon hörte, dass Choga Obstbäume in der Wüste züchtet, habe ich keine Zeit verschwendet und bin hingegangen, um sie mir anzusehen", sagt Minka Ram. Er hat eine Farm knapp 15 Meilen entfernt. Bei Choga lernt er, was er tun muss, um erfolgreich Früchte anzubauen, seit fünf Jahren schon. "Er zeigt mir, wie Wassermanagement funktioniert, wie ich Krankheiten vermeide, welche Setzlinge ich nehmen kann und welchen Dünger."
Klimawandel
Heute bauen Farmer Granatäpfel auf 3.300 Hektar Fläche an, Dattelpalmen auf 72 Hektar und Stachelbeeren auf 500 Hektar. Viele seiner Kollegen haben die Anbaumethoden Chogas übernommen, und das wiederum habe einen spürbaren Effekt auf die Umgebung, sagt Pradeep Pagaria. Der Wissenschaftler leitet das "Agriculture Development Center" im nahen Barmer. "Choga und die anderen Landwirte haben das Landschaftsbild hier wirklich verändert. Die Regenwahrscheinlichkeit in der Gegend hat zugenommen, genauso sie Feuchtigkeit der Böden." Zwar sagt Pagaria nicht, dass diese Entwicklung allein auf die Landwirte der Gegend zurückzuführen ist, aber ihren Teil zum Wandel beigetragen haben sie durchaus.
Und noch mehr: Je grüner die Wüste wird, desto mehr Arten zieht sie an. Pfauen sieht man schon durch die Oasen streifen, auch Rotwild zeigt sich und etliche Vogelarten. Üblich für eine Wüste ist das nicht. Aber natürlich ist Chogas Oase auch keine Wüste mehr.
Grüne Wüsten sind kein Ding der Unmöglichkeit: