"Gipfel legitimiert nordkoreanisches Regime"
12. Juni 2018Deutsche Welle: Wir haben die Bilder gesehen, wie Donald Trump und Kim Jong Un ihre Erklärung unterzeichnet haben. Sie haben sich gegenseitig bedankt für das Treffen – und für alles, was in Zukunft kommen soll. Inwiefern hilft all das Kim Jong Un auf der internationalen Bühne?
Janka Oertel: Ein Treffen mit dem US-Präsidenten ist die beste Legitimation, die man bekommen kann. Der Gipfel legitimiert dieses nordkoreanische Regime. Man könnte es Kollateralschaden nennen. Dass sie miteinander sprechen, ist besser, als sich gegenseitig zu bedrohen oder einen Atomkrieg zu starten, aber die Menschenrechte bleiben dabei auf der Strecke. Das darf man nicht vergessen: Dieser Diktator hat eine schreckliche Bilanz, was Menschenrechte angeht.
Aber Nordkorea befindet sich im Wandel. Es gibt junge Leute, die südkoreanische Soaps gucken, weil USB-Sticks ins Land geschmuggelt werden. Sie wissen, was sie verpassen. Es entwickelt sich so etwas wie Marktwirtschaft. Fast 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden heutzutage angeblich am Markt, durch wirtschaftliche Mechanismen erwirtschaftet. Es gibt also einen Wandel. Und Kim braucht deswegen mehr Legitimation von außen. Denn er kann keine Legitimation durch Wohlstand erzeugen, wie es etwa China kann.
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"Es ist ein Glücksspiel"
Stichwort Legitimation. Donald Trump wurde viel dafür kritisiert, dass er Kim dieses Treffen ermöglicht, ohne wirkliche Zugeständnisse zu bekommen, insbesondere mit Blick auf die Denuklearisierung. Sollte man es jetzt nach dem ersten Dialog erst mal gut sein lassen?
Es ist in vielerlei Hinsicht ein Glücksspiel. Der bisherige Ansatz hat mit Nordkorea nicht funktioniert. Die USA haben das Jahrzehnte lang versucht. Dieser ungewöhnliche Weg Donald Trumps hat jetzt vielleicht geholfen. Und wir sollten auch anerkennen, dass dieser Weg Vorzüge hat: Man hat erreicht, mit Nordkorea Gespräche führen zu können. Vor Kurzem standen wir noch an der Schwelle zu einem Atomkrieg. Der US-Präsident hat definitiv über militärische Optionen auf der koreanischen Halbinsel nachgedacht. Das hätte Millionen Tote nach sich gezogen. Das Gespräch ist also - unabhängig davon, wie viel Theater und Zirkus es auch sein mag - besser als ein Krieg.
"Kim Jong Un nicht zu einem Rockstar machen"
Europa hat sich in der Vergangenheit eher zurückgehalten, was ein Engagement in Nordkorea angeht. Die öffentliche Wahrnehmung von Kim Jong Un hat sich nun in den letzten Monaten aber gewandelt. Wie schaut Europa auf den Gipfel von Trump und Kim?
Ich glaube, wir müssen sehr vorsichtig sein, Kim Jong Un nicht zu einem „Rockstar" zu machen, nur weil er eine merkwürdige Person mit einem seltsamen Haarschnitt ist und so durch Singapur läuft. Wir müssen mit diesen Bildern sehr vorsichtig sein und wirklich über die Substanz des Treffens sprechen und nicht nur über die Show. Das würde sonst nur Kim Jong Un helfen. Wir dürfen uns nicht blenden lassen.
Mit der Aussage, dass Europa sich bisher eher zurückgehalten hat, was den Nordkorea-Konflikt angeht, muss man vorsichtig sein. Europäer sind präsent in Pjöngjang. Es gibt diplomatische Beziehungen mit Nordkorea. Deutschland hat diplomatische Beziehungen, wir haben eine Botschaft dort, die Schweden kümmern sich derzeit um alle konsularischen Angelegenheiten der USA – es gibt also viele Gelegenheiten und Wege für die Europäer, Teil einer Annäherung zu sein. Aber natürlich hat Europa bisher nicht versucht, als Verhandlungspartner aufzutreten, denn der Konflikt betrifft ihre Sicherheit nicht so sehr wie die der Länder in der Region oder die der USA. Aber beim Iran-Abkommen haben die Europäer gezeigt, dass sie sich an solchen ernsthaften Prozessen beteiligen können. Und viele Experten glauben, dass ein mögliches Abkommen mit Nordkorea dem mit dem Iran sehr ähneln könnte. Ein Abkommen, dass Trump zwar gerade aufgekündigt hat - aber vielleicht wird er ein Abkommen mit Nordkorea mehr schätzen, weil er es selbst unterzeichnet hat.