Der Giftmüllskandal von Abidjan
26. Juli 2010Akuedo – ein ärmlicher Stadtteil von Abidjan. Manche nennen Akuedo aber einfach nur "die Kloake". Denn hier, wo mehr als eine halbe Million Menschen wohnen, landet der Müll der Elfenbeinküsten-Metropole auf einer riesigen offenen Deponie. Sie ist so groß, dass sie die Siedlung längst umzingelt.
Die Menschen sind daran gewöhnt, mit dem Abfall der anderen zu leben. Doch die Nacht des 18. August 2006 hat alles verändert, sagt Anwohner Innocent Kassi. Die Nacht, als der Giftmüll aus Europa kam. "Es war furchtbar", erinnert er sich. "Plötzlich hat es so süßlich gerochen, und bald darauf haben wir keine Luft mehr bekommen. Im Haus war es fast unmöglich zu atmen. Wir sind dann raus auf die Straße, aber da war es noch viel schlimmer. Also sind wir wieder rein und haben durch Stofftücher geatmet, die ganze Nacht, und in großer Angst. Wir haben sehr gelitten."
Verseuchtes Grundwasser
Der Frachter Probo Koala, gechartert vom niederländisch-britischen Trafigura-Konzern, hatte hochgiftigen Schlamm an die Elfenbeinküste gebracht. Reste der ölverarbeitenden Industrie. In Akuedo wurden rund 500 Tonnen davon in die kleinen Bäche der Mülldeponie gekippt.
Vier Jahre später ist das Gift immer noch da. In der Regenzeit wird es durch das verseuchte Grundwasser nach oben gespült – so wie jetzt. Es stinkt unerträglich. Akuedo sei eine giftige Chemiefabrik ohne Zaun, sagt Innocent Kassi. Doch zum Wegziehen hat er kein Geld. "Bei vielen ging es damals schon in der Nacht los – Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Migräne, Nasenbluten. Bei manchen ist dieses Grippegefühl bis heute geblieben. So etwas gab es hier früher einfach nicht!"
Chronische Atemwegserkrankungen, Hautausschläge und Sehbehinderungen sind in Akuedo seit 2006 ebenso dramatisch angestiegen wie Fehlgeburten und Krebs. Sogar die UNO geht davon aus, dass die Giftmüllimporte Schuld an den mysteriösen Todesfällen und Krankheiten sind. Doch bis heute hat es noch kein Arzt gewagt, diesen Zusammenhang zu beweisen. Die Mediziner hätten Angst vor Klagen durch den Trafigura-Konzern, glaubt Christine Melai. Die 30-Jährige leidet seit damals unter schwerem Hautausschlag und gibt jeden Franc für Medikamente aus.
Teure Behandlungen
Wegen der Schmerzen hat sie ihre Arbeit als Textilverkäuferin aufgeben müssen. Sie gehört zu den rund 30.000 Betroffenen, die im vergangenen Jahr von Trafigura umgerechnet etwa 1000 Euro Entschädigung erhalten haben. Das Geld ist längst ausgegeben - für die teure Behandlung im Krankenhaus.
Diese Entschädigung sei ein schlechter Witz, empört sich die junge Frau: "Mit Gift kontaminierte Menschen kann man doch nicht mit so einer einmaligen Zahlung abspeisen! Die Frauen, die Fehlgeburten hatten, die behinderte Kinder zur Welt gebracht haben, wie will man die überhaupt entschädigen? Dafür gibt es keine Geldsumme. Ich selbst war seit vier Jahren keinen Tag mehr gesund."
Müllkippe des Westens
Auch Rachel Gogoua vom Akuedos Opferverband ist wütend. Trafigura habe die von dem Müll ausgehende Gefahr verheimlicht und Schriftstücke gefälscht, um die Schiffsladung nicht im Hafen von Amsterdam, sondern anderswo weit günstiger zu entsorgen. Rachel Gogoua winkt aber ab: Die hohe Geldstrafe für Trafigura und die Verurteilung des ukrainischen Kapitän der "Probo Koala" mache die Gift-Kranken von Akuedo auch nicht gesund – und mehr Geld gebe es erst recht nicht.
Trafigura, so erzählt die engagierte Frau, habe viele Leute gekauft, um sie zum Schweigen zu bringen. "Natürlich bin ich enttäuscht von meiner korrupten Regierung." Aber eine Firma wie Trafigura, die an die Opfer Almosen verteile, ihre Schuld nicht eingestehe und sogar versuche, die Berichterstattung über den Fall in der Presse zu verhindern, sei doch eine Schande für Europa. "Wir in Afrika sind keine Müllkippe für den reichen Westen. Die Europäer müssten mal ordentlich aufräumen, damit ihre Unternehmer sich endlich wie moralische Wesen verhalten."
Autor: Alexander Göbel
Redaktion: Stephanie Gebert