Der Fall Kiesewetter
9. Februar 2015Aus welchem Grund trat Roderich Kiesewetter zunächst zurück?
Anfang des Jahres überraschte der pflichtbewusste CDU-Politiker mit der Ankündigung, den Vorsitz vom sogenannten NSA-Untersuchungsausschuss zum 1. März abgeben zu wollen. Als Grund gab Kiesewetter an, sich "leider" auf das Thema Außenpolitik - er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Obmann für Außenpolitik der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag - und andere Ämter konzentrieren zu müssen. Der Eindruck entstand, Kiesewetter leide unter einer zu hohen Arbeitsbelastung.
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Wie lautet der Grund für den Rücktritt nun?
Überraschend ging Kiesewetter nun an die Öffentlichkeit und sagte, der Grund sei ein anderer. Nämlich, dass es in seinem Umfeld Personen gebe, die mit dem Bundesnachrichtendienst zusammenarbeiteten. Wovon er aber nicht informiert gewesen sei. Konkret geht es um seine ehrenamtliche Tätigkeit als Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr, einer Vereinigung mit 100.000 Mitgliedern. Durch Zufall habe er erfahren, dass zwei führende Mitarbeiter mit dem BND zusammenarbeiteten.
"Nachdem ich von den Vorgängen im Reservistenverband erfuhr, habe ich die Arbeit des Verbandes durch den Bundesnachrichtendienst kompromittiert gesehen", sagte Kiesewetter der "Welt am Sonntag". Und: "Um möglichen Zweifeln an meiner Unvoreingenommenheit im NSA-Untersuchungsausschuss entgegenzuwirken, habe ich mich konsequent und rasch entschieden, als Obmann zurückzutreten."
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Ist dieser Grund nachvollziehbar?
Das sei für Herrn Kiesewetter nachvollziehbar ärgerlich, aber kein vollständiger Grund für einen Rücktritt, sagte die Obfrau der Linken im NSA-Untersuchungsausschuss, Martina Renner. Schließlich sei bekannt, dass beim BND auch Angehörige der Bundeswehr arbeiteten. "Somit sind auch im Reservistenverband ehemalige BNDler. Alles nicht verwunderlich", sagte Renner.
Der Obmann der Grünen, Konstantin von Notz, sagte, es stelle sich die Frage, warum der BND die Zusammenarbeit nicht zumindest für die Mitglieder des Untersuchungsausschusses transparent gemacht habe.
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Was sagt die Bundesregierung dazu?
Der Sprecher der Bundesregierung, Georg Streiter, wollte in der Öffentlichkeit keine Erklärung zum Fall Kiesewetter abgeben. "Die Bundesregierung wird zum Sachverhalt den zuständigen Gremien des Deutschen Bundestags berichten". Weiter sagte Streiter: "Geheimdienste heißen Geheimdienste, weil sie geheim arbeiten. Und deswegen gibt es Gremien, die diese Geheimdienste kontrollieren." Der BND, der deutsche Auslandsnachrichtendienst, ist direkt dem Kanzleramt unterstellt. Das "Parlamentarische Kontrollgremium" soll den BND kontrollieren.
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Was sagt der BND zu den Vorwürfen?
BND-Präsident Gerhard Schindler hat die Vorwürfe zurückgewiesen, die Tätigkeit des Ausschusses zu kompromittieren: "Die Zusammenarbeit mit ehemaligen Soldaten dient der gesetzlichen Auftragserfüllung des BND. Ein Zusammenhang mit der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses besteht nicht." In der öffentlichen Darstellung würden "Sachverhalte miteinander in Verbindung gebracht, die absolut nichts miteinander zu tun haben".
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa arbeitete der Geheimdienst mit Ex-Soldaten schon lange vor der NSA-Affäre und der Einsetzung des Untersuchungsgremiums zusammen. Enge Verbindungen zwischen BND und Bundeswehr sind auch nicht ungewöhnlich: Der Geheimdienst ist im Ausland für den Schutz der Soldaten zuständig.
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Was bedeutet der Rücktritt für die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses?
Personell soll Kiesewetter durch die CDU-Politikerin Nina Warken ersetzt werden. Doch inhaltlich gestaltet sich die Arbeit des Ausschusses, der gerade auch die Rolle des BND im NSA-Skandal beleuchten soll, immer schwieriger. Angeforderte Unterlagen, so lautet eine mehrfach geäußerte Beschwerde der Obleute, seien oft an vielen Stellen geschwärzt, so dass vieles unklar bleibe.
Und wenn die Arbeit dann Mal Früchte trägt, passiert folgendes: Vor kurzem hatten die Ausschussmitglieder Besuch von Klaus-Dieter Fritsche, dem Beauftragter der Bundesregierung für die Geheimdienste, bekommen. Dieser berichtete von einem scharf formulierten Schreiben des britischen Geheimdienstes GCHQ. Darin drohen die Briten, die Zusammenarbeit bei der Terrorabwehr einzustellen, sollte der BND weiterhin ihre Papiere im NSA-Untersuchungsausschuss vorlegen. Der GCHQ stört sich offensichtlich an den aus seiner Sicht wiederholten Indiskretionen des Gremiums.
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Was sagt der Chef des Untersuchungsausschusses zu den Vorkommnissen?
Auch die Führung des Ausschusses ist angeschlagen. Patrick Sensburg, ein Parteikollege Kiesewetters, hat mit der Staatsanwaltschaft zu kämpfen, die nach einer Anzeige seiner Frau wegen Körperverletzung ermittelt, obwohl die Anzeige zurückgezogen wurde. Außerdem gilt Sensburg als designierter Nachfolger Kiesewetters als Präsident des Reservistenverbandes. Für eine Stellungnahme stand Sensburg aktuell nicht zur Verfügung.
"Wir dürfen nicht vorverurteilen", sagte Linken-Obfrau Martina Renner. "Aber schwierig ist es schon. Wir werden sehen, wie die Ermittlungen weitergehen. Ich habe allerdings schon Sorgen, inwieweit die Anschuldigungen Patrick Sensburg erpressbar machen."
Dazu kommt: Die Obleute sind untereinander ziemlich zerstritten. Über Monate hatte der Streit um eine Anhörung von Edward Snowden die gemeinsame Arbeit behindert und sogar zum Rückzug des ersten Ausschussvorsitzenden Clemens Binninger geführt.
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Unterstützt die Bundesregierung die Arbeit des Untersuchungsausschusses?
Offiziell ja. Aber die geschwärzten Unterlagen sprechen eine andere Sprache. Außerdem hat der anfängliche Druck der Bundesregierung auf die USA, zur Aufklärung beizutragen, inzwischen merklich nachgelassen. Auch für ihren jetzigen Besuch in Washington wird Angela Merkel das Thema Geheimdienste wohl nicht auf die Top-Liste der Gesprächsthemen gesetzt haben. Von amerikanischer Seite war Deutschland nämlich in jüngster Vergangenheit signalisiert worden, an der Massenüberwachung prinzipiell wenig ändern zu wollen, stattdessen solle die Überwachung effektiver laufen. Ansonsten solle sich die deutsche Öffentlichkeit, wenn sie Fragen habe, an den BND wenden, der wisse doch alles.