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Der durchsichtige Flugpassagier

30. Dezember 2009

In Deutschand streiten die Geister noch heftig über schärfere Kontrollen auf den Flughäfen - und hier vor allem über Körperscanner. Die Niederlande wollen solche Scanner dagegen bald einsetzen.

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Ein Körperscanner, wie er am Amsterdamer Flughafen Schiphol - derzeit noch versuchtsweise - im Einsatz ist (Foto: dpa)
Ein Körperscanner, wie er am Amsterdamer Flughafen Schiphol - derzeit noch versuchsweise - im Einsatz istBild: AP

In der Debatte um verschärfte Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr hat sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar gegen eine überbordende Erfassung von Passagierdaten ausgesprochen. Anstatt immer mehr Informationen über immer mehr Personen zu sammeln, sollten die Behörden stärker Verdachtsmomenten und Hinweisen nachgehen, sagte Schaar am Mittwoch (30.12.2009) der Zeitung "Die Welt". Der jüngste Anschlagversuch auf dem Flug nach Detroit habe gezeigt, dass über den Täter längst konkrete Hinweise vorlagen, mit denen aber nicht richtig umgegangen sei.

Polizeigewerkschaft sieht Scanner kritisch

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar (Foto: dpa)
Sieht den Scanner skeptisch: der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter SchaarBild: picture-alliance/ dpa

Auch der Einsatz von sogenannten Körperscannern berge Risiken, so Schaar weiter. "Bei den Geräten, die alles sichtbar machen, ist die Menschenwürde nicht gewahrt", so Schaar in einem Interview der "Berliner Zeitung". Die Scanner stellen Menschen ohne Kleidung dar und machen so eventuell am Körper versteckte Waffen oder Sprengstoff sichtbar.

Schützenhilfe bekam der Datenschutzbeauftragte von der GdP, der Gewerkschaft der Polizei. Der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Josef Scheuring, warf der Politik vor, mit der Debatte über den Einsatz von Nacktscannern von langjährigen Versäumnissen bei der Luftsicherheit ablenken zu wollen. Auch mit Scannern der neuesten Generation ließe sich die Gefahr von Anschlägen nicht entscheidend reduzieren, sagte Scheuring der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Warnung vor gesundheitlichen Risiken

Die "lückenhaften Grundstrukturen der Luftsicherheit in Deutschland" seien seit den Anschlägen vom 11. September 2001 nicht besser geworden. Scheurich dann wörtlich: "Wenn Hartz-IV-Empfänger, Leiharbeiter und Billiglöhner im Auftrag privater Sicherheitsfirmen für die Sicherheit an Flughäfen sorgen sollen, kann das nur schief gehen." Es komme entscheidend auf gut geschultes und motiviertes Personal an. Deshalb müsse der Staat diese Aufgabe dringend an sich ziehen, so das Fazit des Gewerkschafters.

Der Strahlenschutzbeauftragte der Bundesregierung schließlich warnte vor den gesundheitlichen Risiken beim Einsatz von Körperscannern. Die Röntgenstrahlung habe das Gefährdungspotenzial, langfristig Krebs und Leukämie zu erzeugen, sagte der Vorsitzende der Strahlenschutzkommission, Professor Rolf Michel, dem Radiosender HR-Info. Bei einer einzelnen Durchleuchtung seien Menschen zwar nur einer sehr geringen Menge von Röntgenstrahlen ausgesetzt, das Risiko steige aber mit jeder Kontrolle. "Für Vielflieger und Menschen, die häufiger gescannt würden, wäre das Risiko nicht vernachlässigbar".

Auch bei SPD wächst Zustimmung für Kontrollen

Leibesvisitation am Genfer Flughafen (Foto: AP)
Die Leibesvisitation als klassische KontrollmaßnahmeBild: AP

Zu den Befürwortern von Scannern zur Passagierkontrolle zählt dagegen Bundesinnenminister Thomas de Maizière. "Wenn es ein entsprechendes Gerät gibt, das die Persönlichkeitsrechte wahrt, habe ich damit kein Problem, sagte der CDU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". Ein Einsatz sei jedoch nur möglich, wenn die Geräte effektiv und gesundheitlich völlig unbedenklich arbeiteten. Ähnlich äußerte sich auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

Bei den oppositionellen Sozialdemokraten wächst ebenfalls die Akzeptanz für den Gebrauch von Körperscannern. Entsprechend äußerte sich etwa der stellvertretende Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Frank Hofmann. Aber auch der SPD-Abgeordnete will dabei einen Grundsatz gewahrt wissen: "Scanner, die die Kleidung von Passagieren durchdringen, müssen gefährliche Gegenstände, nicht aber den Körper des Passagiers abbilden."

Niederlande für baldigen Scanner-Einsatz

Der Flughafen "Schiphol" in Amsterdam (Foto: dpa)
Der Flughafen "Schiphol" in Amsterdam, wo Umar Farouk Abdulmutallab die Kontrollen überwinden konnteBild: picture-alliance/ dpa

Während in der Bundesrepublik noch heftig diskutiert wird, wollen die Niederlande die Körperscanner zur standardmäßigen Passagierkontrolle an den Airports baldmöglichst einführen. Zunächst sollen die Kontrollen bei Flügen vom Amsterdamer Airport Schiphol in die USA eingesetzt werden, wie der niederländische Justizminister Ernst Hirsch Ballin mitteilte. Zugleich forderte er von der Europäischen Union, die Geräte europaweit zuzulassen. Fast alle niederländischen Parteien erklärten, sie würden den Scanner-Einsatz unterstützen, weil die Sicherheit von Flugreisenden Vorrang haben müsse vor Bedenken über die Verletzung der Privatsphäre.

Der Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab, der am Freitag an Bord eines US-Passagierflugzeugs versucht hatte, einen Sprengkörper zu zünden, war auf dem Amsterdamer Airport Schiphol mit einen herkömmlichen Metalldetektor kontrolliert worden. Sicherheitsexperten erklärten später, der am Körper des Attentäters versteckte Plastiksprengstoff wäre mit großer Wahrscheinlichkeit bei der Kontrolle mit einem der neuartigen Scanner entdeckt worden.

Autor: Stephan Stickelmannn (dpa, afp, rtr)
Redaktion: Michael Wehling