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Digitaler Bücherklau

Lars Sobiraj24. Oktober 2013

Vor 15 Jahren waren es MP3-Dateien. Nun sind es E-Books, die man auf illegalen Portalen herunterladen kann - vor den Augen der Verlage. Die Plattenindustrie hatte das Problem unterschätzt. Wiederholt sich das?

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Papierbücher und ein E-Reader Foto: Lars Sobiraj
Bild: Lars Sobiraj

Als 1999 Napster als weltweit erste Tauschbörse für Musik ans Netz ging, dauerte es nicht lange, bis Millionen Musikfans dieses illegale Angebot für sich entdeckten. Weit über zehn Millionen Menschen haben sich in den besten Zeiten gleichzeitig bei Napster eingewählt, um sich und andere kostenlos mit Musik zu versorgen.

Bis die Wirtschaft erfolgreich mit legalen Alternativen gegensteuerte, gingen gute zehn Jahre ins Land. Der Riesenmarkt wurde allerdings nicht von der Schallplattenindustrie entdeckt und erobert. Da waren branchenfremde Konzerne wie Apple mit iTunes, Amazon oder die Telekom-Plattform Musicload schneller und teilten den Kuchen unter sich auf.

MP3 verschlafen

Die Musikwirtschaft hatte das Internet lange Zeit falsch eingeschätzt. Viele Musikmanager sahen das Web lediglich als digitalen Spielplatz an. Die Plattenbosse fühlten sich zu lange sicher, kaum jemand in den Chefetagen glaubte daran, dass MP3s und das Internet den Vertrieb von Musik derart auf den Kopf stellen würden.

Als man das Problem erkannt hatte, war es schon zu spät. In den Büros ging die Angst vor den zunehmenden Auswüchsen der Internet-Piraterie um, die Musikindustrie klagte über millionenschwere Umsatzeinbrüche. War es bei Napster noch einfach gewesen, den Stecker zu ziehen, so hatte man die Kontrolle über die Angebote aus der Grauzone längst verloren.

Ein Mann betrachtet das Angebot auf der Musik-Tauschbörse edonkey. Foto: Martin Gerten dpa/lnw
Die Musiktauschbörse edonkey lebte länger als NapsterBild: picture-alliance/dpa

Die Buchindustrie war schneller

Währenddessen steckte die Vermarktung elektronischer Buchkopien noch in den Kinderschuhen. Es gab noch kein allgemeines Interesse dafür, nur im Fachbuchbereich wurde zunehmend in digitaler Form publiziert. Dennoch wussten die Buchverlage, dass diese Problematik früher oder später auf sie zukommen würde: Sie haben schnell verstanden, dass sie E-Books im Web anbieten müssen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Und das ohne technische Hürden, zu bezahlbaren Preisen.

Mitte der 2000er Jahre legten die Anbieter los. Ganz vorne dabei: Marktführer Amazon, aber auch die auf den Vertrieb von Literatur spezialisierten Plattformen Libri.de, Libreka.de oder Bücher.de. Aus dem Belletristik-Bereich gibt es mittlerweile kaum ein gedrucktes Buch, das nicht auch als E-Book zu haben ist. Dennoch lag der Marktanteil der E-Books im Jahr 2011 bei nur 0,8 Prozent, im vergangenen Jahr stieg er auf 2,4 Prozent.

Die Ursachen für das mangelnde Interesse sind vielfältig. Viele halten immer noch lieber bedrucktes Papier in den Händen statt auf einen Bildschirm zu schauen. Einige Beobachter bemängeln, die Preise für E-Books seien zu hoch. Zudem werden diese oftmals mit einem digitalen Kopierschutz versehen, der den Nutzern ihre Freiheit nimmt, sie auf mehreren Geräten zu lesen. Gerade Amazons Versuche, den Markt zu dominieren, indem ein eigenes Format und der E-Reader "Kindle" durchgeboxt werden sollte, ging vielen Nutzern gegen den Strich.

Hände halten einen E-Reader (Photo by Hannelore Foerster/Getty Images)
Für viele ist es noch ungewöhnlich, Bücher auf einem Display zu lesenBild: Getty Images

Illegal versus legal: David gegen Goliath?

Kein Wunder, dass der E-Book-Markt - so langsam er sich auch entwickelt – andere auf den Plan ruft: Illegale Anbieter versuchen, den Internetriesen das Wasser abzugraben. Das Download-Portal TorBoox hat momentan fast 42.000 E-Books, darunter alle Top-Titel, im Angebot und verzeichnet nach eigenen Angaben über 1,2 Millionen Downloads monatlich.

Was die Nutzer besonders freut: Im Gegensatz zu den legalen Anbietern ist Kopierschutz hier kein Thema. Die Bücher können folglich beliebig oft kopiert und auf allen gängigen E-Readern, Tablets und Computern gelesen werden. Im Spätsommer 2013 drohte TorBoox am eigenen Erfolg zu ersticken. Die Zahl der Downloads nahm aufgrund der medialen Berichterstattung immer weiter zu. Größere Server mussten her, die Spendenbereitschaft der Nutzer nahm aber ab. Um dem Dilemma zu entgehen, wurde bei TorBoox Anfang Oktober 2013 eine Art "All you can read"-Flatrate eingeführt. Für monatlich drei Euro.

Amazon zieht nach

Was die Internetpiraten vormachen, dürfte Branchenriese Amazon schon bald mit legalen Mitteln realisieren. Aufgrund seiner gigantischen Marktmacht kann Amazon großen Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen - und wird die Preise womöglich drücken, zum Schaden der Verlage und Autoren.

Die Internetpiraten von TorBoox sehen sich ein wenig wie die Romanfigur Robin Hood, der die Reichen bestahl und die Armen beschenkte. Sie wollten den Kampf gegen die Internetriesen aufnehmen und überraschten die Verlage mit dem Angebot, die Download-Seite einzustellen. Im Gegenzug sollte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels dafür sorgen, dass in Deutschland eine eigene E-Book-Flatrate eingeführt wird. Damit Amazon und Co. nicht auch diesen Markt unter sich aufteilen.

Ein iPad Tablet mit einer Bücherwand auf dem Bildschirm, im Hintergrund ein Bücherregal. Foto: Marc Tirl dpa
Der Markt ist gut versorgt: Alle gängigen Titel sind auch als E-Book zu habenBild: picture-alliance/dpa

Aufklärung statt Kriminalisierung

Zu diesem Deal ist es allerdings nicht gekommen; stattdessen setzt der Börsenverein auf Aufklärung. "Wir wollen Nutzer darauf hinweisen, dass sie sich auf derartigen Plattformen in einem illegalen Bereich bewegen. Gleichzeitig möchten wir sie auf legale Angebote aufmerksam machen", so Sprecherin Claudia Paul. Allein die Plattform Libreka.de habe über 270.000 Titel im Angebot. "Wir glauben, dass sich ein Großteil der Nutzer daraufhin auch legal verhalten wird. Von Sanktionen in diesem Bereich halten wir nichts." Gegen illegale Plattformen müsse "in aller Deutlichkeit vorgegangen werden". Hierbei setzt der Börsenverein auf die Behörden oder Anti-Piracy-Organisationen.

Das Verlagswesen sträubt sich noch gegen die Flatrate-Idee, dabei könnte es auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Piraterie erfolgreich bekämpfen und Onlineriesen ihre Grundlage entziehen. Autoren und Verlage müssten dann zwar mit weniger Gewinn rechnen. Doch auch die Plattenindustrie und ihre Künstler sind am legalen Verkauf von MP3s nicht zugrunde gegangen. Nach dem Umsatzeinbruch von einer guten Milliarde fing sich der Musikmarkt wieder. Heute wird bei legalen Musikverkäufen jeder fünfte Euro mit MP3s verdient. Tendenz steigend.