1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der deutschen Wirtschaft geht die Puste aus

14. August 2019

Das Bruttoinlandsprodukt ging zwischen April und Juni um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zurück, so das Statistische Bundesamt. Im ersten Quartal war die deutsche Wirtschaft noch um 0,4 Prozent gewachsen.

https://p.dw.com/p/3Nrds
Deutschland Berlin 2012 | Baustelle Airport Berlin-Brandenburg-International
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Internationale Handelskonflikte und die Abkühlung der Weltkonjunktur haben die exportorientierte deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal ausgebremst. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal, teilte das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Daten mit.

Gebremst worden sei die Entwicklung vom Außenhandel. Die Exporte von Waren und Dienstleistungen sanken im Vergleich zum Vorquartal stärker als die Importe. Die privaten Konsumausgaben stiegen dagegen, die Unternehmen investierten mehr. Die Bauinvestitionen waren allerdings nach einem kräftigen Anstieg zum Jahresbeginn wegen des vergleichsweise milden Winters rückläufig.

Eurozone wächst noch - trotz Deutschland

Die Eurozone ist trotz der leichten Schrumpfung in seiner größten Volkswirtschaft Deutschland etwas gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt legte um 0,2 Prozent zu, wie das Statistikamt Eurostat mitteilte. Es bestätigte damit eine frühere Schätzung. Zum Jahresauftakt hatte es noch zu einem Plus von 0,4 Prozent gereicht. Zum Vergleich: Die weltgrößte Volkswirtschaft USA schaffte im Frühjahr ein Plus von 0,5 Prozent.

Eurostat bestätigte damit eine erste Schätzung von Ende Juli. Gegenüber dem Vorjahresquartal betrug das Wachstum der 19 Euroländer 1,1 Prozent. Die 28 EU-Länder wuchsen gegenüber dem Vorquartal ebenfalls um 0,2 Prozent und gegenüber dem Vorjahresquartal um 1,3 Prozent. 

Von den großen Euro-Ländern schnitt Deutschland am schlechtesten ab. "Aus dem einstigen Musterknaben ist ein Sorgenkind geworden", sagte der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger. Die Nummer zwei Frankreich wuchs hingegen um 0,2 Prozent, während die Nummer drei Italien stagnierte. Spanien und die Niederlande schafften sogar jeweils ein Plus von 0,5 Prozent.

Fratzscher: Mit Investitionsprogramm gegen die Rezession

Die Gründe sind auch hausgemacht

Vor allem die Kauffreude der Verbraucher stützt Europas größte Volkswirtschaft. Die Menschen sind angesichts niedriger Arbeitslosigkeit in Konsumlaune. Zudem wirft Sparen wegen der Zinsflaute kaum mehr etwas ab. Zuletzt wurden die Verbraucher nach Angaben der GfK-Konsumforscher beim Geldausgeben allerdings vorsichtiger. Meldungen über Personalabbau und die Einführung von Kurzarbeit ließen die Angst vor Jobverlust wachsen, sagte GfK-Konsumklimaexperte Rolf Bürkl jüngst.

Die Abkühlung der Weltwirtschaft, die Unsicherheiten wegen des Handelskonflikts zwischen den USA und China sowie die Unwägbarkeiten des Brexits belasten die deutsche Industrie. Hinzu kommt der Strukturwandel in der Autoindustrie durch die Elektromobilität.

Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft, widersprach der Erklärung, der Rückgang der Wirtschaftsleistung sei allein auf äußere Einwirkungen zurückzuführen. Im Gegenteil: "Die harte Landung der Konjunktur ist hausgemacht. Der wesentliche Grund für die drohende Rezession liegt in der falschen Prioritätensetzung der Bundesregierung." Von dieser forderte Ohoven, "Investitionsimpulse mit einer Reduzierung der Arbeitslosenbeiträge, einem Freibetrag bei der Bemessung der Sozialabgabe, kürzeren Abschreibungsfristen, einer Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 14 Prozent sowie einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags."

Die Aussichten werden nicht rosiger

Die für das dritte Quartal erhoffte Konjunkturerholung steht nach zuletzt eher schwachen Daten Ökonomen zufolge zunehmend in Frage. "Deutschlands Konjunktur steht auf der Kippe", sagte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, kommentierte die aktuellen Zahlen so: "Nach dem guten Jahreseinstieg sind die Unternehmen in der harten konjunkturellen Realität angekommen." Eine Besserung erwartet Wansleben nicht: "Derzeit ist keine Wende in Sicht. In der DIHK-Konjunkturumfrage berichten die Betriebe von einem deutlich verdunkelten Ausblick. Die Geschäftserwartungen gehen in allen Branchen zurück. Die Erwartungen an das Auslandsgeschäft sind so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr. Wenn wir hier nicht gegensteuern, wird die deutsche Wirtschaft bei nachlassender Konjunktur regelrecht in die Zange genommen."

Die Bundeskanzlerin will "situationsgerecht agieren"

Der Direktor des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, sieht "Deutschlands Konjunktur auf der Kippe." Das IMK habe "wie die anderen führenden Wirtschaftsforschungsinstitute damit gerechnet, dass es im zweiten Halbjahr zu einer raschen Erholung der Wirtschaft und insbesondere der Industrie kommen würde. Die Chancen für ein solches Positiv-Szenario sind nun deutlich gesunken."

Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht aktuell aber keine Notwendigkeit für Konjunkturpakete. Zwar gehe die Wirtschaft in eine "schwierigere Phase", hatte die CDU-Politikerin am Dienstag in Rostock gesagt.

Merkel warnte aber davor, die wirtschaftliche Lage schlecht zu reden. "Wir werden situationsgerecht agieren." Für das Gesamtjahr rechnete die Bundesregierung zuletzt mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent. Im vergangenen Jahr war das Bruttoinlandsprodukt insgesamt noch um 1,4 Prozent gestiegen.

dk/hb (afp, rtr, dpa)

Welche Aussagekraft hat das BIP?