Der Chefsessel als Schleudersitz
25. Dezember 2013Wohl kein anderer Rücktritt bot so viel Anlass zu Spekulationen wie der von Josef Ackermann vom Posten des Verwaltungsratspräsidenten des Schweizer Versicherungskonzerns Zurich. Auslöser war der Selbstmord des Zurich-Finanzchefs Pierre Wauthier. Ackermann selbst erklärte damals: "Ich habe Grund zur Annahme, dass die Familie meint, ich solle meinen Teil der Verantwortung hierfür tragen, ungeachtet dessen, wie unbegründet dies objektiv betrachtet sein mag." Medien berichteten, Wauthiers Witwe habe sich über Ackermanns harten Führungsstil beklagt. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht kam nach einer Untersuchung allerdings zu dem Ergebnis, Wauthier sei vor seinem Tod nicht ungebührlich unter Druck gesetzt worden.
Es war wahrscheinlich der "wertvollste" Rücktritt des Jahres: Als Microsoft-Chef Steve Ballmer im August ankündigte, er werde seinen Posten innerhalb der nächsten zwölf Monate abgeben, sprang die Microsoft-Aktie um sieben Prozent nach oben. Der Wert des Konzerns stieg um rund 20 Milliarden Dollar, also rund 15 Milliarden Euro. Hintergrund: Dem Manager wird vorgeworfen, wichtige Trends wie den Siegeszug der Smartphones und der Tablet-Computer verschlafen zu haben.
Management ist manchmal wie Boxen: Man muss einstecken können, aber erst recht austeilen. Das bewies Gerhard Cromme. Noch im März schien die Karriere des 70-Jährigen am Ende. Bei ThyssenKrupp musste er nach Fehlinvestitionen, Korruptionsfällen und Kartellverstößen seinen Posten als Aufsichtsratschef räumen und zudem die Hoffnungen auf den Vorsitz im Kuratorium der Krupp-Stiftung begraben. Auch sein Rückzug als Chefkontrolleur bei Siemens schien Vielen damals nur eine Frage der Zeit. Doch seine Widersacher hatten sich zu früh gefreut. Nach seinem Rückzug bei ThyssenKrupp verstärkte Cromme seinen Zugriff auf Siemens und zwang Vorstandschef Peter Löscher zum Rücktritt.
Peter Löscher - vor die Tür gesetzt
Zunächst galt der Österreicher Peter Löscher als Retter, der Siemens aus dem Sumpf der Korruption befreite. Doch dann mehrten sich die Pannen: Verspätete Lieferung von ICE-Zügen, teure Verzögerungen bei der Anbindung von Nordsee-Windparks und Gewinnwarnungen in Serie. Im August zog der Siemens-Aufsichtsrat die Reißleine und zwang den Österreicher, den Chefsessel zu räumen. Die Ablösung schlug Wellen bis nach Berlin, wo sich die Kanzlerin ein Ende der Turbulenzen bei Deutschlands Vorzeigekonzern wünschte. Auch sonst waren die Kollateralschäden erheblich: Der frühere Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, verließ den Siemens-Aufsichtsrat nach dem Löscher-Rauswurf wegen "Differenzen in Stil und Fairnessfragen".
Der ehemalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn ist auch mit über 70 für eine Überraschung gut. Das bewies er in diesem Jahr gleich zweimal. Im Januar, als er den Chefsessel der kriselnden Fluggesellschaft Air Berlin räumte und den Posten an Vorstand Wolfgang Prock-Schauer abgab. Und im März, als er gleich die nächste Rettungsmission übernahm: Als neuer Vorsitzender der Geschäftsführung des Berliner Hauptstadtflughafens. Mehdorn ersetzte den wegen endloser Verzögerungen gefeuerten Flughafenchef Rainer Schwarz, warnte jedoch vor übertriebenen Erwartungen: "Ich kann auch nicht zaubern." Die weitere Entwicklung bestätigte diese Selbsteinschätzung.
René Obermann - näher an den Maschinenraum
Mit 50 hat René Obermann eigentlich alles erreicht. Als Telekom-Chef lenkt er einen der größten Dax-Konzerne. Er verdient Millionen. Seine Ehe mit der ZDF-Moderatorin Maybrit Illner sorgt für zusätzlichen Glamour. Und doch verlässt er zum Jahresende auf eigenen Wunsch den Telekommunikationsriesen und wechselt an die Spitze des eher unbedeutenden niederländischen Multimedia-Unternehmens Ziggo. Obermann wird künftig nicht mehr 230 000 Mitarbeiter leiten, sondern nur noch rund 3000. Doch ist es gerade das, was ihm reizt. Obermann will nach eigenen Worten wieder "näher an den Maschinenraum".
Die Vatikanbank war lange Zeit von Skandalen und Gerüchten über schwarze Konten, Geldwäsche und Korruption umgeben. Das soll der Frankfurter Finanzexperte und Anwalt Ernst von Freyberg ändern. In einer seiner letzten wichtigen Personalentscheidungen stimmte Papst Benedikt XVI. im Februar der Berufung des damals 54-Jährigen zum neuen Präsidenten der Vatikanbank zu. Das hatte bereits Folgen. Erstmals in ihrer 70-jährigen Geschichte legte das Institut in diesem Herbst einen offiziellen Jahresbericht über seine Geschäftstätigkeit vor.