"Der Buchpreis kurbelt die Aufmerksamkeit an!"
5. Oktober 2016DW: Herr Stoiber, wie wichtig ist der Deutsche Buchpreis für die Lizenzverkäufe ins Ausland?
Richard Stoiber: Der Deutsche Buchpreis wird im Ausland sehr stark wahrgenommen. Das fängt schon mit der Longlist an. Wenn diese verkündet wird, fangen die ausländischen Verlage schon an zu prüfen und anzufragen. Bei der Shortlist gibt es dann auch schon die ersten Angebote aus dem Ausland.
Können Sie einige Zahlen nennen?
Die Lizenzanfragen aus dem Ausland sind nach der Veröffentlichung der Shortlist meistens im dreistelligen Bereich. Bei Frank Witzel, dem Buchpreis-Gewinner 2015, hatten wir zusätzlich das Glück, dass sein Roman schon im Februar erschienen war. Daher konnten wir schon viele Exemplare an ausländische Verlage und Lektoren schicken. Sie kannten das Buch schon. Dann kam die Auszeichnung und die Aufmerksamkeit war auf einmal doppelt so hoch. Der Roman wurde marketingtechnisch noch attraktiver für das Ausland, obwohl er über 800 Seiten hat.
Machte sich das auch vor Ort auf der Frankfurter Buchmesse bemerkbar?
Klar! Es gab großes Gedränge an unserem Messestand. Fast jeder ausländische Verleger von Rang und Namen wollte Frank Witzel treffen und mit ihm über sein Buch sprechen. Einige Verleger riefen mich sogar auf dem Handy an und machten mir ein Angebot.
In welche Länder haben Sie die Lizenzen verkauft?
In sehr unterschiedliche Länder, unter anderem nach China und Dänemark. Und es gab Lizenzverkäufe an zwei sehr große Verlage in Frankreich und in den Niederlanden. Dort kannten die Lektoren Frank Witzels Buch schon aus dem Frühjahrprogramm. Sie hatten es ein halbes Jahr auf dem Schreibtisch liegen und haben erst zugeschlagen, als der Roman ausgezeichnet wurde.
Wie lange hält so ein Erfolgseffekt an?
Sehr lange! Vor allem in Deutschland ist die Aufmerksamkeit immer noch enorm. Frank Witzel hatte über 200 Lesungen im deutschsprachigen Raum. Darüber hinaus wurde das Buch für das Theater adaptiert. Im Mai gab es die Premiere an der Berliner Schaubühne und im Oktober wird es am Schauspielhaus in Stuttgart laufen. Dadurch wird natürlich weiter Aufmerksamkeit generiert.
Das heißt, die Auszeichnung mit dem Deutsche Buchpreis hat sich wirklich gelohnt?
Auf jeden Fall! Für mich war es interessant zu sehen, dass der Deutsche Buchpreis in puncto Außenwirkung für viele Sprachräume einen ähnlichen Effekt hat, wie der Man Booker Prize oder der Prix Goncourt.
Wirklich?
Natürlich hat der Man Booker Prize einen wahnsinnigen Rang, was die Verkaufszahlen und die Aufmerksamkeit angeht. Er hat eine sehr lange Tradition. Den Deutschen Buchpreis gibt es erst seit zwölf Jahren. Hinzukommt, dass es in vielen Verlagen zwar Lektoren gibt, die Englisch lesen können, aber kaum Lektoren, die Deutsch verstehen. Das ist ein gravierender Unterschied.
Oft wird die Auswahl der Bücher auf der Shortlist kritisiert. Viele wünschen sich massenkompatiblere, zugänglichere Romane. Was sagen Sie dazu?
Ich finde die Auswahl der Bücher eigentlich sehr ausgewogen. Weil oft Romane präsentiert werden, die einen hohen literarischen Stellenwert haben. Die würden ohne die Shortlist oder den Preis gar nicht den Weg zu einem großen Publikum finden.
Richard Stoiber leitet die Lizenzabteilung bei Matthes & Seitz. Der unabhängige Berliner Verlag veröffentlicht vor allem weniger bekannte, aber literarisch sehr anspruchsvolle Bücher. Autoren von Matthes & Seitz schaffen es fast jedes Jahr auf die Longlist des Deutschen Buchpreises. 2015 gewann ihr Autor Frank Witzel mit seinem Roman "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" die Auszeichnung.