"Brennender Amazonas ist ein globales Problem"
7. Oktober 2019"Wir sind alle besorgt um die großen Brände, die sich in Amazonien entwickelt haben. Beten wir dafür, dass sie schnellstmöglich gebändigt werden." Mit diesen Worten hatte Papst Franziskus im August zu den Bränden im größten tropischen Regenwald der Welt Stellung bezogen.
Zum Auftakt der Amazonas-Synode im Vatikan empfing er Vertreter der Kirche und der Zivilgesellschaft. Das Treffen, das noch bis zum 27. Oktober dauert, steht unter dem Motto "Amazonien - neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie".
Zwar ist die Umweltzerstörung in dem mit 7,5 Millionen Quadratkilometern gigantischen Biom nicht das offizielle Hauptthema. Der Priestermangel, den man wohl durch eine Lockerung des Zölibats angehen wird, sowie neue Wege bei der Evangelisierung des riesigen Gebietes, werden im Vordergrund stehen. Doch spätestens mit der Umweltenzyklika "Laudato Sí", die der Papst 2015 veröffentlichte, ist klar, wie sehr ihn Umweltzerstörung und Klimawandel umtreiben.
Vergangene Woche erklärte er im Vatikan, dass der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt am Amazonas nicht nur ein Volk oder eine Nation angehe, "sondern die ganze Welt". "Zum Beispiel ist das brennende Amazonien nicht bloß ein Problem jener Region, sondern ein globales Problem", sagte Franziskus.
In Brasília, der Hauptstadt Brasiliens, das zwei Drittel des Amazonas-Waldes auf seinem Staatsgebiet beherbergt, wird man ob der päpstlichen Worte aufgehorcht haben. Denn seit Monaten zeigt sich die Regierung des umstrittenen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro besorgt um die vermeintliche Einmischung ausländischer Mächte am brasilianischen Amazonas.
Und dazu gehört auch der Vatikan. "Für uns ist das eine Einmischung in interne Angelegenheiten Brasilien", hatte bereits im Februar der Leiter des Sicherheitskabinetts (GSI), General Augusto Heleno, angesichts der zu erwartenden Diskussionen um die Rechte indigener Völker und den Umweltschutz am Amazonas auf der Synode geäußert. Heleno soll gar Brasiliens Geheimdienst Abin auf die Bischöfe angesetzt haben.
Souveränität Brasiliens
Am Donnerstag stellte Kardinal Claudio Hummes, emeritierter Erzbischof von São Paulo und Generalrelator der Bischofssynode, noch einmal klar, dass der Vatikan keinesfalls die Souveränität Brasiliens infrage stellen werde. "Dazu gibt es ja auch eine offizielle Erklärung der brasilianischen Bischöfe: die Souveränität Brasiliens ist unantastbar. Was aber nicht heißt, dass der Rest des Planeten nicht über das reden darf, was in Amazonien passiert."
Der Präsident des Indigenen-Missionsrates der katholischen Kirche (Cimi), Dom Roque Paloschi, bestätigt diese Position. "Wir stimmen vollkommen zu, dass es nicht die Aufgabe der Vatikans ist, sich in andere Länder einzumischen. Die Aufgabe der Kirche ist es, das Reich Gottes zu verkünden und all das anzukreiden, was ein würdiges Leben aller Geschöpfe verhindert", sagte der Erzbischof von Porto Velho im Gespräch mit der DW.
"Die Synode wird tiefsten Respekt gegenüber jedem Land haben, gegenüber dessen Autonomie und Souveränität. Uns interessiert es auch nicht, welche Regierung an der Macht ist. So wurde die Synode ja bereits im Oktober 2017 einberufen, als es noch keinerlei Anzeichen dafür gab, dass Jair Bolsonaro einmal Brasiliens Präsident sein würde", sagte Paloschi. Es gehe um das Aufzeigen neuer Wege für die Kirche und um ein integrales ökologisches Leben.
Rechte von Indigenen
Allerdings werde man keineswegs scheuen, auf die wachsende Gewalt gegen Indigene in Brasilien hinzuweisen. Der vor wenigen Tagen vorgestellte Bericht des Cimi listet 135 Morde an Indigenen in 2018 sowie einen starken Anstieg von Gebietsverletzungen der indigenen Reservate seit dem Beginn des Jahres 2019 auf.
"Wir können sagen, dass die Situation zum Verzweifeln ist, und sie ist demütigend, denn sie zeigt ja vor allem, wie unverantwortlich die Regierungen vorgehen, die ja die Brände herbeigeredet haben, um die Besetzung öffentlichen Landes, und besonders der bereits eingerichteten indigenen Reservate, voran zu treiben", sagte Paloschi.
Die Rolle der Kirche als Fürsprecher für die bedrohte Umwelt und die Rechte von Indigenen und Quilombolas, Nachfahren entlaufener Sklaven, wird auch innerhalb der Zivilgesellschaft hervorgehoben. "Der Cimi und die katholische Landpastoral CPT sind dort präsent, wo der Staat praktisch nie hinkommt. Und die CPT bringt den dort lebenden Menschen zudem juristische Hilfe, moderiert in Konfliktsituationen, besonders bei Landstreitigkeiten. Also alles Dinge, die diese Regierung ja nicht tut. Diese Regierung feuert derweil die Konflikte noch an", sagte Marcio Astrini von Greenpeace Brasil der DW.
"Die Friedensbotschaft der Kirche ist wichtig, um zu zeigen, dass das, was passiert, nicht hinnehmbar ist. Wir brauchen ein weniger gestresstes, weniger vergiftetes und verbittertes Umfeld", sagte Astrini. "Der Papst hat viel über Amazonien geredet, und er gehört zu den wichtigsten globalen Persönlichkeiten. Aber während der Papst für Amazonien betet, trifft sich die Regierung leider mit Goldsuchern, die indigenes Gebiet besetzen."
Verteidigung und Bewahrung Amazoniens
Noch im Oktober will die Regierung eine Gesetzesinitiative mit den Regeln zur Förderung von Bodenschätzen in indigenen Reservaten präsentieren. Bolsonaro hat Vertretern von Goldsuchern zudem versprochen, sich für ihre Interessen einzusetzen. Es soll unter anderem um die Legalisierung der Goldschürfstätten in Amazonien gehen. Dabei behauptete er, dass das Interesse ausländischer Mächte nicht der Schutz von Menschen und Umwelt sei. "Das Interesse an Amazonien orientiert sich nicht an den Indigenen oder an den scheiß Bäumen. Sie wollen die Bodenschätze", erklärte Bolsonaro.
Bolsonaro habe keine Ahnung von Amazonien, hatte der emeritierte Bischof Erwin Kräutler vor einigen Tagen gesagt. Gegen die Bestrebungen der Regierung, Amazonien von in- und ausländischen Unternehmen ausbeuten zu lassen, müsse die Kirche mit ankämpfen, so Kräutler, der von 1981 bis 2015 die riesige Prälatur Xingu leitete. "Es ist Verpflichtung der Kirche, zur Verteidigung und Bewahrung Amazoniens ihren Beitrag zu leisten."
Derweil betont der deutsche Franziskaner Johannes Bahlmann, dass man auch mit der Bolsonaro-Regierung bei konkreten Projekten durchaus einen gemeinsamen Nenner finden kann. Der Bischof der Amazonas-Diözese Obidos war die treibende Kraft hinter dem seit einigen Wochen am Amazonas eingesetzten Krankenhausschiff "Papa Francisco", das für Bahlmann ein konkretes Beispiel dafür ist, wie die Kirche den Menschen am Amazonas helfen kann.
Bei der Synode im Vatikan wird auch das Thema Gesundheit in Amazonien auf der Tagesordnung stehen. Mit dem Krankenhausschiff sei die Kirche da bereits neue Wege gegangen und habe das Interesse der Regierung geweckt, sagte Bahlmann. So habe das Gesundheitsministerium das Projekt der Franziskaner nicht nur gelobt, sondern gar "den Wunsch ausgesprochen, noch mehr Krankenhausschiffe zu bauen. Von daher ist es sehr positiv".