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Der Berg der Freundschaft ruft zur Versöhnung

Christian Ignatzi16. Januar 2014

Vor zehn Jahren bestiegen Israelis und Palästinenser gemeinsam einen Gipfel in der Antarktis. Die historische Aktion der acht Bergsteiger sorgte für Aufsehen und wirkt noch bis heute fort.

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Israelis und Palästinenser auf dem Berg der Freundschaft
Bild: Breaking The Ice

16. Januar 2004: Nach 30 gemeinsamen Tagen sind sie auf dem Gipfel angekommen. Fast 1000 Meter über dem Meeresspiegel in der Antarktis. Die Hälfte der Gruppe fällt auf die Knie und beginnt, in Richtung Mekka zu beten. Die anderen vier öffnen eine Flasche Sekt, um auf den erfolgreichen Aufstieg anzustoßen. Um zu zeigen, dass Israelis und Palästinenser friedlich zusammenarbeiten können, hat die Organisation "Breaking The Ice" den Trip geplant und umgesetzt. Vier Palästinenser und vier Israelis machen schließlich eine gemeinsame Gipfelerklärung: "Wir haben bewiesen, dass Palästinenser und Israelis miteinander kooperieren können mit gegenseitigem Respekt und Vertrauen", teilen sie mit.

Palästinenser auf dem Berg der Freundschaft (Foto: Breaking The Ice)
Die Palästinenser beten auf dem GipfelBild: Breaking The Ice

Zehn Jahre später sitzt Sulaiman Khatib zu Hause in Ramallah im Westjordanland und erinnert sich an die Expedition. Heute ist er 42 Jahre alt und das perfekte Beispiel dafür, was Menschen erreichen können, wenn sie einander verzeihen. Genau das ist es, was "Breaking The Ice" damals zeigen wollte. Der Palästinenser Khatib hatte als jugendlicher Freiheitskämpfer einen israelischen Soldaten verletzt und verbrachte zehn Jahre im Gefängnis, wo er Hebräisch, Englisch, Literatur und Geschichte studierte. "Diese Zeit hat mich geprägt, und ich habe begonnen, mich zu verändern", erzählt er.

Sulaiman Khatib lächelt während einer Feier auf der Expedition. (Foto: Breaking The Ice)
Sulaiman Khatib lächelt während einer Feier auf der ExpeditionBild: Breaking The Ice

Gesinnungswandel im Gefängnis

Nach seiner Freilassung 1997 setzte er sich für einen gewaltlosen Widerstand während der zweiten Intifada ein. Mittlerweile hat er gemeinsam mit dem Israeli Gadi Kenny die Stiftung "People's Peace Fund" gegründet, die erste israelisch-palästinensische Stiftung, die sich für eine Schlichtung der Nahost-Konflikte einsetzt. "Wenn ich die Expedition nicht mitgemacht hätte, hätte ich diese Organisation aber vielleicht gar nicht ins Leben gerufen", sagt er heute. Als er damals von "Breaking The Ice" eingeladen wurde, sagte er gerne zu, "allerdings hatte ich gemischte Gefühle", erinnert er sich. Der Trip sei das erste Mal gewesen, dass er überhaupt in einer friedlichen Situation auf Israelis traf. "Einige meiner Freunde starben durch israelische Hand, und ich hatte deshalb auch gemischte Gefühle."

Heskel Nathaniel während der Expedition zum Gipfel der Freundschaft. (Foto: Breaking The Ice)
Heskel Nathaniel während der Expedition zum Gipfel der FreundschaftBild: Breaking The Ice

Doch schnell verflog die Skepsis. Bis heute ist er mit dem Initiator Heskel Nathaniel befreundet, der einst aufseiten der israelischen Armee seinen Wehrdienst leistete. Während ihre Völker sich in gegenseitiger Nachbarschaft bekriegen, denken die beiden Männer, Tausende Kilometer voneinander entfernt, immer noch oft aneinander. "Ich habe Sulaiman sofort ins Herz geschlossen", erinnert er sich, "denn er ist nett, erzählt gerne Witze und ist einfach eine tolle Persönlichkeit", sagt Heskel Nathaniel, heute 51, der als Unternehmer in Deutschland lebt. Auch er hat nicht aufgehört, sich für Frieden einzusetzen. Während sein Freund Sulaiman seine eigene Organisation gegründet hat, lässt Nathaniel immer wieder Aktionen unter dem Namen "Breaking The Ice" folgen.

Saharareise nach dem Antarktistrip

Der Journalist Torsten Sewing, der schon die Antarktisexpedition als Organisator unterstützte, leitet die Projekte als ehrenamtlicher Geschäftsführer. Derzeit arbeitet "Breaking The Ice" in Mosambik am Aufbau einer Seifen-Kooperative und hat dabei mithilfe eines Crowdfundings schon mehr als 5500 US-Dollar an Spenden eingenommen. "Jeden Tag sterben 3000 Kinder an Durchfallerkrankungen, was vermeidbar wäre, würden sie sich die Hände mit Seife waschen", sagt er. Um das Projekt zu bewerben, produziert die Organisation eine Fernsehserie, die auf die Probleme aufmerksam machen soll.

2006 veranstaltete das Team um Sewing und Nathaniel eine Saharareise, bei der Christen, Juden und Muslime, ähnlich wie auf dem Antarktistrip der Israelis und Palästinenser, zueinanderfanden. "Es geht bei diesen Aktionen darum, ein Beispiel zu setzen", sagt Heskel Nathaniel.

Positive Rückmeldungen nach der Expedition

Wie viel die Bergbesteigung vor zehn Jahren wirklich bewirkt hat, weiß er nicht. Mit den meisten seiner Expeditionsmitglieder hat er nur noch sporadisch Kontakt. An eine positive Rückmeldung erinnert er sich aber gerne: "In Tel Aviv-Jafo wurde nach unserer Expedition ein Restaurant gegründet, in dem israelisch und arabisch gekocht wird." Auch der damalige Projektleiter Torsten Sewing erinnert sich an eine positive Resonanz auf die Expedition: "Ich bekam eine Mail von einer amerikanischen Friedensgruppe, in der stand, dass es in Chile 300.000 Palästinenser gibt und eine kleine jüdische Gemeinde, die nichts miteinander zu tun haben." Der Rabbi ging nach den Erfahrungen der Expedition auf die Palästinenser zu. Und auch dort fand eine Begegnung unter dem Motto "Breaking The Ice" statt, als die Expeditionsgruppe durch Südamerika von der Antarktis zurückreiste.

Nathaniel glaubt, dass es eines Tages Frieden zwischen Israel und Palästina geben wird. "Der Konflikt ist politischer Natur. Wir haben bewiesen, dass das keine Sache zwischen einzelnen Menschen ist", sagt er. "Solange wir nur an uns denken und nicht versuchen, uns in die Gegenseite zu versetzen, werden wir es aber nicht schaffen." Die Bergbesteigung aus dem Jahr 2004 sollte eine Botschaft sein, die die Teilnehmer der Expedition in die Welt getragen haben. Nicht umsonst haben sie dem bis dahin unbenannten Berg einen symbolträchtigen Namen gegeben: der Berg der israelisch-palästinensischen Freundschaft.