Korruption auf dem Balkan
25. Januar 2017Der Kampf gegen die Korruption und alte Seilschaften gehörte zu den wichtigsten Ankündigungen des neuen rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis, als er Ende 2014 die Wahl gewann. Es herrschte damals eine fast euphorische Stimmung unter seinen Anhängern, man sprach davon, dass neue Zeiten in Rumänien angebrochen seien.
Gut zwei Jahre später aber melden sich die alten Zeiten zurück: Die neugewählte sozialliberale Regierung unter Führung der Sozialdemokratischen Partei (PSD) ist dabei, geltende Antikorruptionsgesetze zu lockern. So will sie einerseits ein Gesetz ändern, das vorbestrafte Personen von Regierungsämtern ausschließt. Andererseits will sie erreichen, dass Amtsmissbrauch straflos bleibt, wenn der dadurch entstandene Schaden weniger als umgerechnet 50.000 Euro beträgt.
Zudem möchte man zahlreiche Partei- und Geschäftsfreunde beschenken: Eine Amnestie ist geplant, durch die rund 2500 Häftlinge unverzüglich aus der Haft entlassen werden sollen - darunter Hunderte Politiker und Beamte, die wegen Korruption rechtskräftig verurteilt wurden.
Protest gegen Geschenke an korrupte Politiker
Der Plan dahinter offenbar: Dem Parteivorsitzenden Liviu Dragnea soll der Weg zum Amt des Regierungschefs geebnet erden. Wegen massiver Wahlmanipulationen wurde er rechtsgültig zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Zudem steht er unter Anklage wegen Amtsmissbrauch.
Durch die von der Regierung angekündigten Gesetzesänderungen wäre seine Bewährungsstrafe gestrichen und das Gerichtsverfahren wäre eingestellt. Dadurch wäre auch Dragneas Strafregister gelöscht, und er könnte seinen Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten geltend machen.
Um gegen diese Pläne zu protestieren, gingen am Wochenende in der Hauptstadt Bukarest und anderen rumänischen Städten Zehntausende auf die Straße. "Wir sind nicht damit einverstanden, dass all diese wegen Korruption und anderen Delikten verurteilte Politiker plötzlich straffrei dastehen", sagt Journalist Christian Stefanescu, der sich an Protesten beteiligte: "Wir wollen nicht, dass ihnen Geschenke gemacht werden."
Beispielhafter Kampf gegen Korruption
Dabei galt die rumänische Justiz bisher im Kampf gegen Korruption als vorbildlich unter den früheren sozialistischen Ländern, die zur Marktwirtschaft übergegangen sind. So hat die rumänische Antikorruptions-Anwaltschaft (DNA) im Jahr 2015 gegen 1250 Personen Anklage wegen Korruption oder Amtsmissbrauch erhoben: gegen einen ehemaligen Premierminister; fünf frühere Minister, 21 Abgeordnete und rund 500 führende Beamte, Kreisräte, Richter und Staatsanwälte. Nach Angaben der Europäischen Kommission ging es um eine Korruptionssumme von 452 Millionen Euro.
Die rund 100 Staatsanwälte der DNA gelten als erwiesene Experten in der Bekämpfung von Korruption. So verwundert es auch nicht, dass die frühere rumänische Justizministerin Monica Macovei geholfen hat, auch die kroatische Behörde zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität (USKOK) aufzubauen.
Kroatien: viele Anklagen, aber kaum Strafen
Anders als in Rumänien bleibt der Kampf gegen Korruption in Kroatien aber oft nur ein zahnloser Tiger. In den vergangenen Jahren wurden zwar viele Anklagen erhoben - auch gegen ranghohe Politiker, Banker, Manager oder Fussballfunktionäre -, bisher ist aber kaum jemand rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Meist werden entweder die Verfahren so lange hinausgezögert, bis sie gänzlich oder in Teilen verjähren, oder die Urteile der erstinstanzlichen Gerichte werden in Berufungsverfahren wegen Verfahrensfehlern aufgehoben.
Das prominenteste Beispiel dafür ist der Fall des früheren kroatischen Regierungschefs Ivo Sanader. Wegen Korruption während seiner Regierungszeit wurde er Ende 2012 in erster Instanz zu zehn Jahren Haft und zur Zahlung von rund 480.000 Euro Strafe verurteilt.
2015 hob das Verfassungsgericht Kroatiens das Urteil wegen Formfehlern auf und wies den Fall zur Neuverhandlung zurück. Sanader konnte dank einer hohen Kaution das Gefängnis verlassen. Beobachter rechnen inzwischen damit, dass er im neuen Prozess freigesprochen wird. Pikant dabei: Davorin Mlakar, einer der Verfassungsrichter, ist selbst in eine Korruptionsaffäre verwickelt.
"Mazedonien ist ein gefangener Staat"
Noch absurdere Züge nimmt der Kampf gegen Korruption in Mazedonien an. Seit Jahren belegt das Land hintere Plätze auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International. In diesem Jahr liegt von den Westbalkanstaaten nur noch Kosovo dahinter. Bestechung gehört zum mazedonischen Alltag, auf allen Ebenen.
Als im vergangenen Jahr die Opposition Abhörprotokolle der Telefongespräche der höchsten Regierungsmitglieder veröffentlichte, kam das ganze Ausmaß der Korruption ans Tageslicht. Die Öffentlichkeit erfuhr, wie die höchsten Staatsbeamten Provision für den Bau neuer Straßen verlangten oder wie man Aufträge der öffentlichen Hand durch gefälschte Ausschreibungen an befreundete Firmen vergab. Trotzdem geschah - nichts: Weder die Staatsanwaltschaft noch die Staatliche Kommission für Korruptionsprävention leiteten eine Untersuchung ein.
Nur die Sonderstaatsanwaltschaft - gegründet unter dem Druck der USA und der EU - erhob 11 Anklagen. Bisher ist aber noch keines dieser Verfahren vor Gericht verhandelt worden.
"Die Tatsache, dass die Korruption in oberen Etagen nicht bekämpft wird, ermuntert nur die Alltagskorruption. Mazedonische Institutionen für Korruptionsbekämpfung funktionieren nicht", sagt Miša Popović vom unabhängigen Institut für Demokratie aus Skopje der Deutschen Welle: "Mazedonien ist ein gefangener Staat, ein Staat in dem die meisten Institutionen nur im Dienst der Interessen der Regierungspartei und der regierenden politischen Elite handeln."
Dazu passt die Wahrnehmung der Bürger: Nach einer Studie aus dem Jahr 2016 gelten die Minister, Parteivorsitzenden und Parlamentsabgeordneten als korrupteste Berufsgruppen im Land. Und in der Regel erwarten die Bürger im Kampf gegen die Korruption keine Hilfe der Justiz - denn auch die Richter sowie die Polizei gehören nach einer Umfrage in diese Kategorie.
Offener Machtkampf
In Rumänien wiederum haben Demonstranten Unterstützung von der höchsten Stelle bekommen: Auch der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis nahm an den Protesten gegen die Pläne der Regierung teil und kritisierte sie in einer Rede.
Das brachte ihm prompt den Vorwurf eines "beginnenden Staatstreichs" ein. So nannte der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Liviu Dragnea das Engagement des Präsidenten und nahm damit Kurs in Richtung eines möglichen Amtsaufhebungsverfahrens.
Iohannis konterte mit der Ankündigung, über die Amnestiepläne der Regierung eine Volksabstimmung abhalten zu wollen. In Rumänien ist nun ein offener Machtkampf ausgebrochen.