Eine Idee mit Folgen
15. September 2010Es war eine Idee des deutsch-schwedischen Publizisten Jacob von Uexkull. Angeregt vom letzten Willen Alfred Nobels, Antworten auf die dringendsten Fragen der Menschheit zu geben, stiftete er Ende der Siebziger Jahre eine Million US-Dollar aus seinem Privatvermögen, um das Engagement einzelner Personen und Organisationen gegen Umweltzerstörung , Menschenrechtsverletzungen und Unterentwicklung auszuzeichnen. Seit 1980 werden jedes Jahr im Dezember drei Preise verliehen - jeweils dotiert mit 50.000 Euro.
Eigentlich hatte von Uexküll das Nobelpreiskomitee zu einem weiteren "offiziellen" Nobelpreis für den Umweltschutz überreden wollen. "Ich wusste, dass man als Nobelpreisträger auf der ganzen Welt ernst genommen wird, auch auf anderen Gebieten. Das war für mich der Ansporn", erinnert sich der Stifter. Doch das Nobelpreiskomitee lehnte dankend ab. Von Uexküll gründete daraufhin die "Right Livelihood Award Foundation". Deren überparteiliche Jury ist für die Sichtung der Kandidaten und die Preisvergabe verantwortlich. Ihr gehören angesehene Persönlichkeiten und Aktivisten aus allen Erdteilen an. Der Alternative Nobelpreis war im Unterschied zum offiziellen Preis von Beginn an nicht in erster Linie wissenschaftlichen Leistungen vorbehalten, sondern dem aktiven Engagement und einer vorbildlicher Lebensführung.
Frieden, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit
Nicht selten stammen die Preisträger aus Entwicklungsländern: "Unsere Preisträger, unsere Preiskandidaten, die Mitglieder unserer Jury - das sind oft Menschen, die 'mittendrin' leben. Bei den Armen, in den Slums, draußen auf dem Lande", erzählt von Uexkull. So wie der katholische Befreiungstheologe und Preisträger des Jahres 2001, Leonardo Boff, der sich über Jahrzehnte für die Armen und Schwachen Lateinamerikas eingesetzt hat und in seinen Schriften auf den Zusammenhang zwischen Spiritualität, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung hinweist.
Anders als beim offiziellen Nobelpreis, dessen Träger überwiegend Europäer oder US-Amerikaner sind, handelt es sich bei 40 Prozent der bisherigen Preisträger des Alternativen Nobelpreises um Asiaten oder Afrikaner. Viele von ihnen waren vor der Auszeichnung einem internationalen Publikum völlig unbekannt, wie zum Beispiel Roy Sesena, der im Jahr 2005 für sein Engagement zugunsten der Kalahari-Buschmänner in Botswana geehrt wurde.
Weiblicher, jünger und aus aller Welt
Die bis heute 137 Preisträger stammen aus insgesamt 58 Ländern. Auffällig ist auch das Alter: So sind die Träger des Alternativen Nobelpreises im Durchschnitt jünger als die offiziellen Preisträger. Und es werden häufiger Frauen ausgezeichnet.
Zu den weiblichen Preisträgern gehörte im Jahr 2008 auch die die Kölner Ärztin Monika Hauser, die sich in der von ihr gegründeten Organisation "Medica mondiale" für vergewaltigte Frauen und andere Opfer sexualisierter Gewalt in Bürgerkriegen, vor allem auf dem Balkan, eingesetzt hat. Die Gynäkologin Hauser fühlte sich durch die Auszeichnung vor allem deshalb geehrt, "weil es bei diesem Preis darum geht, dass gesellschaftliche Alternativen aufgezeigt werden und Bewegungen geehrt werden, die eine Veränderung in diese Welt gebracht haben." Hausers Organisation "Medica mondiale" erhielt im Jahr nach der Preisverleihung rund doppelt so viele Spenden wie in den Jahren davor.
Internationales Prestige, moralische und materielle Unterstützung
Andere Preisträger wurden durch die Preisvergabe vor Repressionen durch staatliche Organisationen oder sogar vor dem Gefängnis bewahrt. Wieder andere, wie der ostdeutsche Biologe und Naturschützer Michael Succow, sahen sich in ihrem Engagement vor allem moralisch bestärkt. Über den alternativen Nobelpreis sagte er nach der Verleihung: "Es ist vielleicht der bedeutendste Preis, den ein Erdenbürger von Erdenbürgern geschenkt bekommt. Eben nicht ein Nobelpreis , der den wissenschaftlichen Fortschritt noch ein Stück weiter treibt und der noch mehr dazu beiträgt, die Natur zu überholen und zu überlisten. Sondern ein Preis für das Nachdenken, was wir anders machen können."
Wurde der alternative Nobelpreis anfangs noch als die Idee eines naiven Weltverbesserers belächelt, ist der Preis heute eine weltweit akzeptierte Moralinstanz. Sein gestiegenes internationales Renommée kommt auch darin zum Ausdruck, dass er seit 1985 im schwedischen Parlament verliehen wird. Eine der Preisträgerinnen, die kenianische Umweltaktivistin Wangari Maathai, schaffte es sogar, nach dem Alternativen Nobelpreis 1984 im Jahr 2004 auch noch den offiziellen Nobelpreis zu gewinnen. Ein Einzelfall in der 30-jährigen Geschichte des alternativen Nobelpreises, aber ein untrügliches Zeichen für sein Gewicht.
Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Ulrike-Mast-Kirschning / Esther Broders