Der Abschied vom Diesel fällt schwer
2. August 2017Euro 3,4,5, Abschaltautomatik, NOx, Harnstoff zur Abgasreinigung: Für Außenstehende mag es nicht einfach sein, die in Deutschland derzeit außergewöhnlich leidenschaftlich geführte Debatte über Diesel-Autos zu verstehen. Noch nicht einmal die Tatsache, dass in Deutschland 15 Millionen Autos fahren, die Diesel tanken, reicht als Erklärung.
Zum Autofahrerland gehört, dass es eine korporative Zusammenarbeit zwischen der mächtigen Autoindustrie und der Politik gibt. Diese geht über klassische Lobbyarbeit weit hinaus. Bis vor kurzem schienen beide Seiten gemeinsam auf dem Weg zu saubereren Autos unterwegs zu sein. Doch irgendwann sind, wie der Diesel-Gate zeigt, die Hersteller anscheinend falsch abgebogen und fingen an zu schummeln. War dies der einzige Weg, die immer strenger werdenden Vorschriften der Politik für Schadstoffe in den Abgasen einzuhalten?
Es drohen Fahrverbote
Der entstandene Vertrauensverlust bei den Verbrauchern, aber auch in der Politik ist immens. Kanzlerin Angela Merkel, derzeit im Urlaub, ließ vor dem ersten "Nationalen Forum Diesel" verkünden, dass die Autoindustrie "ehrlich" sein müsse.
Der Druck kommt aber auch von anderer Seite: In 28 Regionen Deutschlands ist die Luft so schlecht, dass trotz sogenannter Luftreinhaltepläne der Kommunen harte Maßnahmen drohen. Die Justiz in Stuttgart oder Düsseldorf droht mit Fahrverboten. Das wäre ein Mega-GAU im Verhältnis zwischen Wählern und Politik, gerade jetzt im Bundestagswahlkampf.
Deshalb gab es in Berlin nun einen großen Aufschlag mit Politik, Industrie und Verbänden. Am Ende traten zwei Bundesminister, drei Ministerpräsidenten und danach drei Aufsichtsratsvorsitzende vor die Mikrofone. Ihre Bewertung der stundenlangen Diskussion hatten sie anscheinend abgesprochen. Es sei "ein erster Schritt" gewesen.
Mehr Elektrobusse in Städten
Drei Maßnahmen wurden vereinbart: 5,3 Millionen neuere Diesel-Fahrzeuge bekommen von den Herstellern ein kostenloses Update der Steuerungssoftware für den Motor. Kosten insgesamt: rund 500 Millionen Euro. Damit sollen bis zu 30 Prozent weniger Stickoxide in die Luft gepustet werden. Auch Besitzer von VW, Daimler oder BMW-Autos mindestens im EU-Ausland, können in der Werkstatt nach einem solchen freiwilligen Update fragen.
Etwas sauer zeigte sich die Politik, dass ausländische Autofirmen, die am Treffen teilnahmen, keine Bereitschaft für einen solchen Schritt auf ihre Kosten zeigten. Die Diesel-Diskussion laufe im Ausland nun einmal anders, hieß es dazu.
Zweitens werden Politik und Industrie gemeinsam einen 500-Millionen-Fond auflegen, um vor allem in den belasteten Städten Mobilitätskonzepte zu fördern, die umweltfreundlicher sind. "Vor allem Busse, Taxen und andere Fahrzeuge, die ständig in der Stadt unterwegs sind, müssen schnell auf E-Mobilität umgestellt werden", erläuterte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt.
Drittens, und das wird für die Autoindustrie am teuersten, soll es einen Bonus für den Kauf neuerer Diesel-Autos geben. Damit die älteren, besonders "dreckigen" Modelle von der Straße verschwinden. Der Vorstandsvorsitzende von BMW, Harald Krüger, nannte 2000 Euro, um die es gehe. Seine beiden Kollegen von VW und Daimler, Matthias Müller und Dieter Zetsche, wollten noch keine konkrete Zahl nennen. Eine staatliche Kaufprämie werde es nicht geben, das betonte die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks mehrfach. Dafür kein Steuergeld, war die Botschaft.
Beide Bundesminister, Dobrindt und Hendricks, sprachen am Ende vom Beginn einer "neuen Vertrauenskultur" zwischen Autoindustrie und Politik, um das Treffen positiv zu bewerten.
Kein Abschied vom Diesel
Das Ergebnis des Gipfels wird von Beobachtern auch deshalb als mager bewertet, weil noch andere Maßnahmen im Gespräch waren. So hatte Ministerin Hendricks noch am Wochenende eine Nachbesserung der Hardware gefordert. Doch das sei "quasi ausgeschlossen", waren sich die drei Vorstandsvorsitzenden bei der Pressekonferenz einig. Denn die Wirkung sei "fragwürdig". Außerdem wolle man die hauseigenen Ingenieure nicht mit solchen "rückwärtsgewandten" Maßnahmen belasten.
Das sei ein Schritt aus der Vertrauenskrise gewesen, bilanziert der einzig grüne Ministerpräsident in Deutschland, Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg, nach dem Treffen. Er hoffe, dass damit das Mindestziel, nämlich Fahrverbote zu vermeiden, erreicht werden könne. Nun gebe es gute Argumente, mit denen die Gerichte wohl überzeugt werden könnten, hofft Kretschmann. Nur, auch das machte er klar: Ausreichen werde das Ergebnis auf lange Sicht wohl nicht.