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Politik

Der Kampf sozialer Medien gegen Rechts

20. Dezember 2020

Schon wieder wurde in einem sozialen Netzwerk das Konto einer extrem rechten Bewegung gesperrt. Doch wie wirksam ist das Vorgehen von Youtube, Twitter und Co.?

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Computertaste mit der Aufschrift Hate Speech
Bild: Christian Ohde/imago

Knapp 12.000 Abonnenten hatte der Youtube-Kanal "Ein Prozent", doch damit ist jetzt Schluss. Youtube sperrte das Konto des selbst ernannten "patriotischen Bürgernetzwerkes" wegen mehrerer Verstöße gegen die Hassrede-Richtlinie der Plattform. Die Kritik an der Bewegung ist nicht neu: Der Verfassungsschutz hatte das Netzwerk schon 2019 ins Visier genommen, die Bewegung würde "pseudo-intellektuelle Theorien mit fremdenfeindlichen, nationalistischen, rassistischen oder antisemitischen Ideologielementen" anreichern. 

Auch Anna-Lena Herkenhoff von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Münster hat sich schon intensiv mit "Ein Prozent" beschäftigt. Die Kampagnenplattform wolle "extrem rechte Akteure untereinander vernetzen und Geld sammeln". Das Perfide an ihrem Auftritt in den Sozialen Medien: Die Akteure legten Wert darauf, "sich nicht mit dem klassischen Neonazi-Image gemein zu machen." So könnten sie sich "für breitere Teile der Gesellschaft anschlussfähiger machen", sagte Herkenhoff der DW. 

Der Tag, an dem Facebook 900 Gruppen löschte

Für das "Bürgernetzwerk" dürfte die Sperrung auf Youtube nicht überraschend gekommen sein. Bereits im vergangenen Jahr hatten Facebook und der Bezahldienst Paypal "Ein Prozent" von ihren Portalen verbannt.

Ein Screenshot der deutschen Neonazi-Musikband Lunikoff auf YouTube. Die Platform versucht aktiv gegen rechtsextreme Inhalte vorzugenen
Rechtsextreme Inhalte auf Youtube: Die Plattform versucht dagegen vorzugehenBild: Getty Images/S. Gallup

Schon seit Jahren betreiben soziale Netzwerke sogenanntes Deplatforming - also den dauerhaften Ausschluss bestimmter Gruppen von ihrem Netzwerk. Youtube sperrte auch den rechtsextremen Rapper Chris Ares und drei Konten der Identitären Bewegung, darunter auch den persönlichen Kanal ihres bekanntesten österreichischen Vertreters Martin Sellner. Auch andere Anbieter wie Facebook gingen rigoros gegen rechte Akteure vor - unter anderem gegen die Identitäre Bewegung und Pegida. Die Verschwörungsideologie QAnon verbreitete sich 2020 - auch mithilfe vieler Corona-Leugner - so stark, dass Facebook an einem Tag mehr als 900 Gruppen löschte.

Wenn die Bühne genommen wird

Doch wie erfolgreich ist Deplatforming? Die im November 2020 erschienene Studie "Hate not found" des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena stellte fest, dass "Deplatforming wirkt", da sie die "Mobilisierungskraft" deutlich einschränkt.

"Dadurch, dass verschiedene Schlüsselakteure keinen Zugang mehr zu den Plattformen haben, verlieren sie unheimlich an Reichweite und somit an Bedeutung", sagte Maik Fielitz, der zusammen mit Karolin Schwarz die Studie erstellt hat, der DW. Heißt: Wer von Youtube und Facebook verbannt wird und auf alternative Anbieter ausweichen muss, hat deutlich weniger Publikum. 

Maik Fielitz, wissenschaftlicher Referent am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena
"Oftmals nicht leicht, Hassinhalte zu identifizieren" Maik Fielitz vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) Bild: Luiza Folegatti

Zwar bestehe die Gefahr, dass alternative Plattformen immer erfolgreicher werden - vor allem im Fall des umstrittenen Messengers Telegram, der neuen Heimat der Rechten. "Das hat aber nicht nur etwas mit Deplatforming zu tun, sondern auch mit einem allgemeinen gesellschaftlichen Trend hin zu Messengern", sagte Fielitz.

Das Besondere an Telegram sei, dass rechte Akteure dort bislang keine Moderation zu befürchten hätten. Doch: "Je größer eine Plattform wird, desto eher muss sie moderativ eingreifen", glaubt Fielitz. Auch Telegram könnte seine Politik deshalb irgendwann ändern. Andere Plattformen - jenseits von Telegram - spielten dagegen eine geringere Rolle und würden vor allem von deutschen Nutzern kaum besucht.

Warum kommt die Sperrung erst jetzt?

Was auffällt - häufig erfolgt die Sperrung erst, nachdem die Abonnentenzahl eine gewisse Größe erreicht hat, wie auch bei "Ein Prozent". "Bei den Plattformen, die sich der freien Meinungsäußerung verschrieben haben, ist es schwierig, sehr früh zu sperren oder zu löschen. Außerdem ist es oftmals nicht leicht, Hassinhalte immer als solche zu identifizieren", erklärt Fielitz.

Ein Beispiel für eine verschleiernde Wortwahl ist der Begriff "Goldstück", in Anlehnung an eine Rede des SPD-Politikers Martin Schulz, der die Sicht Geflüchteter auf die EU und ihren Glauben an Europa beschrieb und zum Schluss sagte: "Was diese Flüchtlinge zu uns bringen, ist wertvoller als Gold." Seitdem wird der Begriff "Goldstück" in rechten Kreisen oftmals synonym für Geflüchtete verwendet, um sie zu verunglimpfen und gleichzeitig Sperrungen zu vermeiden.

Nichtsdestotrotz ist das späte Deplatforming ein Problem - denn je später die "Entscheidungen zur Sperrung oder Löschung fallen, desto schwerer sind sie zu begründen", heißt es auch in der Studie "Hate not found". Plattformen seien spätestens dann mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden willkürlich agieren.

Vom Täter zum "Opfer"?

Zu sehen ist eine Demo der Identitären Bewegung in Berlin Wedding der Gruppe Kontrakultur Halle. Auch Internet-Seiten der Identitären Bewegung wurden bereits gesperrt
Deplatforming gegen Rechts: Auch Seiten der Identitären Bewegung wurden bereits gesperrtBild: Imago Images/C. Mang

Deplatforming hat also deutliche Nebenwirkungen: "Plattformen wie 'Ein Prozent' nutzen das natürlich direkt, um zu behaupten sie würden unterdrückt", sagt auch Beraterin Herkenhoff. "Für die Szene ist es eine gängige Erzählung, sich als im Widerstand befindliches Opfer zu inszenieren." So spricht auch "Ein Prozent" auf ihrer Webseite davon, dass "Konservative, Rechte mundtot gemacht werden" sollen. Doch jetzt gelte es, alle "Hebel in Bewegung" zu setzen.

Laut der Studie "Hate not found" drehten die Urheber rechter Inhalte den Spieß also oft um - um die Löschung "zum Beleg der Relevanz und Richtigkeit der gelöschten Inhalte" zu deklarieren. Rechtsextreme Aktivisten wie Martin Sellner brüsteten sich sogar damit, zu den am meisten gelöschten Personen im Internet zu gehören. "In der Tat scheint es für einige Hassakteure eine Art Feuertaufe zu sein, wenn ihre Inhalte gelöscht werden", heißt es .

Ob die Sperre die Verbreitung der Inhalte wirklich ausbremst, ist also fraglich. Auf ihrer Seite erklärte "Ein Prozent" bereits, sie sei angeblich ohnehin darauf "vorbereitet" gewesen und werde nun auf Telegram und die Plattform Odyssee ausweichen - und natürlich juristisch gegen die Sperrung vorgehen. Schwerer wird es für die sich selbst so bezeichende "Bürgerinitiative" in jedem Fall: Statt wie bisher mit rund 12.000 Youtube-Abonnenten muss sie sich auf der neuen Plattform erstmal mit etwa 250 Followern zufrieden geben.

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft