Gas-Privatisierung in Griechenland geplatzt
13. Juni 2013Werden die Russen kaufen oder nicht? Monatelang ließ diese Frage die griechischen Regierungspolitiker nicht los. Mal hüllten sie sich in bedeutungsvolles Schweigen, mal lächelten sie an der Seite von Gazprom-Chef Alexei Miller tapfer in die Kamera. Die Botschaft Athens lautete: Ja, die Russen würden die Mehrheit des staatlichen Gasversorgers Depa erwerben und somit auch ganz bewusst in den viel beschworenen griechischen Aufschwung investieren. Spätestens seit Montag steht fest, dass die Russen nicht kaufen werden. An diesem Tag lief die von der griechischen Regierung gesetzte Ausschreibungsfrist für den Energieriesen Depa ab, ohne dass der russische Erdgaskonzern Gazprom ein Angebot abgegeben hatte - offiziell wegen "fehlender staatlicher Garantie", wie es von Gazprom aus Moskau hieß.
"Der Regierung geht das Gas aus", spottete die linksliberale "Zeitung der Redakteure" über das Scheitern der sicher geglaubten Privatisierung mit Symbolcharakter. Auch die konservativ-liberale Zeitung "Kathimerini", die Premier Samaras derzeit nahesteht, lässt dem nationalen Frust freien Lauf. "Die engen Verbindungen von Gazprom zum Kreml haben zu einer Reihe von falschen Strategien geführt", moniert die Kommentatorin der "Kathimerini". Gazprom scheine die Gesetze des Marktes nicht zu verstehen und auch die Wettbewerbsregeln der EU-Kommission seien ihr wohl fremd, fügt sie hinzu.
Auf der Suche nach dem Schuldigen
Der Tenor in der Presse schiebt die Schuld an der gescheiterten Privatisierung den Russen zu, die einfach zu viel verlangt hätten. Oder auch der EU-Kommission, die möglicherweise ein Veto gegen den Deal einlegen würde, um einem russischen Monopol mitten in Europa zuvorzukommen. Jedenfalls hätte die griechische Seite alles richtig gemacht.
Der konservative EU-Abgeordnete und Physik-Professor an der Universität Thessaloniki Ioannis Tsoukalas ist sogar der Auffassung, das Scheitern der Depa-Privatisierung nutze der Regierung Samaras: "Die Russen haben Samaras doch einen Gefallen getan", erklärt Tsoukalas der Deutschen Welle. Nach den jüngsten Ereignissen brauche sich der griechische Regierungschef nicht mehr mit der EU-Kommission anzulegen und hätte nunmehr freie Hand bei der nächsten Ausschreibung für das griechische Gasmonopol.
Tsoukalas ist nicht dafür bekannt, sich bei der Parteiführung anzubiedern, ganz im Gegenteil: Der streitbare Physik-Professor gilt nicht als Politprofi und vertritt oft eine eigene Meinung, die von der reinen Lehre der konservativen Partei abweicht. Beim Thema Privatisierungen steht er jedoch voll hinter Samaras. Handlungsbedarf sieht er vor allem außerhalb Griechenlands: "Die EU-Partner müssen endlich Farbe bekennen und sich entscheiden, ob sie die Bemühungen der griechischen Regierung um die Privatisierung von Staatsbetrieben unterstützen oder nicht", klagt Tsoukalas. Sie selbst hätten ja kaum Interesse gezeigt, griechisches Staatsvermögen zu ergattern, als sie diskret dazu aufgefordert wurden und nun signalisierten sie Schwierigkeiten, wenn die Russen den Zuschlag bekämen. Wenn Griechenland nicht verkaufen will, gäbe es Ärger, und wenn das Land verkaufen will, gäbe es erst recht Ärger - das sei nicht fair, klagt der EU-Politiker aus Thessaloniki.
Ein Rückschlag für das Privatisierungsprogramm
Bereits 2010 stellte die damalige sozialistische Regierung unter Premierminister Giorgos Papandreou den internationalen Geldgebern stolze 50 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Staatsvermögen in Aussicht, doch seitdem ist wenig passiert. Erst seit ein paar Monaten forciert der konservative Premier Samaras den Verkauf von Staatsvermögen nach Kräften, doch bisher nur mit bescheidenem Erfolg: Anfang des Jahres wurde ein Grundstück mit Wald, privatem See und langer Küstenlinie auf der Insel Korfu an einen ausländischen Investor veräußert, der Verkauf des staatlichen Lotto-Betreibers Opap brachte immerhin über 600 Millionen Euro in die Staatskasse, auch die Bahngesellschaft Trenose soll nun zum Verkauf anstehen. Der Deal um den Energiekonzern Depa sollte den Durchbruch einläuten.
"Das Scheitern bremst den neu entfachten Optimismus, dass ausländische Investoren ihr Kapital verstärkt in Griechenland anlegen würden”, befürchtet der Kommentator und Feuilletonist Nikos Xidakis in der Tageszeitung "Kathimerini". Bei den großen Deals in der letzten Zeit machte die griechische Regierung irgendwie den Eindruck, dass ihr die Hände gebunden seien, vermutet Xidakis. Möglicherweise liege dies am Widerstand von außen oder auch an den mächtigen Lobbys innerhalb des Landes. Jedenfalls sei das einst ehrgeizige Privatisierungsprogramm in Höhe von 50 Milliarden Euro auf nur noch einige wenige Milliarden geschrumpft - und selbst diese Summe scheint nun infrage gestellt, meint der Athener Kommentator.ERT-Sendeschluss als Geldbringer?
Der sicher geglaubte und dann doch gescheiterte Depa-Verkauf sollte über eine Milliarde Euro in die Staatskasse einbringen. Denn 65 Prozent der Depa gehören dem griechischem Staat. Nun stellt sich die Frage, wo das Geld sonst herkommen könnte. Samaras scheint eine Antwort darauf zu haben: In einer Nacht- und Nebelaktion ließ der Premier am Dienstag (11.06.) das Staatsfernsehen ERT schließen, wodurch 2900 Journalisten, Techniker und Verwaltungsangestellten ihre Arbeit verlieren. In den nächsten Monaten, möglicherweise schon im Juni, soll ERT durch Nerit SA ersetzt werden - ein verschlankter, auf Sparflamme agierender Staatssender mit weniger als 1000 Mitarbeitern. Doch die Journalistengewerkschaft läuft Sturm gegen die Entscheidung von Samaras und reagiert mit Streiks und Protestaktionen. Seit Mittwochvormittag herrscht in Griechenland Funkstille, auch ein Dauerstreik wird mittlerweile ernsthaft in Erwägung gezogen.