Denker und Lenker in Dresden
28. Mai 2015Es war kurz vor Mittag, als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zu einem Statement bat. Das dauerte gerade einmal drei Minuten. Und auch wenn so mancher Journalist darauf gehofft hatte - Griechenland kam nicht darin vor. Stattdessen lobte Schäuble den Gedankenaustausch der Finanzminister und Notenbankchefs mit sieben international renommierten Wirtschaftswissenschaftlern, mit dem der Arbeitstag in Dresden begonnen hatte. "Der Gedanke, unser Treffen mit einem Symposium beginnen zu lassen, hat sich als sehr gelungenes Experiment herausgestellt", so Schäuble.
Geladen waren der Nobelpreisträger Robert Shiller, der Harvard-Professor Alberto Alesina, Nouriel Roubini, der schon 2004 das Platzen der Immobilienblase in den USA vorhergesagt hatte, der frühere US-Finanzminister und Weltbankchef Lawrence Summers, Kenneth Rogoff, der vor kurzem vorgeschlagen hat, das Bargeld abzuschaffen, der deutsche Volkswirt Martin Hellwig und der spanische Ökonom Jaime Caruana. Es sei eine spannende und intensive Diskussion darüber gewesen, was die Finanzpolitik dazu beitragen könnte, die Weltwirtschaft nachhaltiger anzukurbeln, so Schäuble.
Politiker machen sich Notizen
Eine rein akademische Diskussion allerdings, praktische Schlussfolgerungen seien in der vierstündigen Sitzung nicht gezogen worden, hieß es später aus Kreisen der deutschen Delegation. Fragen hätten vor allem die Notenbanker gestellt, viele der Politiker hätten aber fleißig mitgeschrieben. Geringes Wachstum, geringes Zinsniveau, geringe Inflation, das sind die Probleme, vor denen die Industrieländer seit Jahren stehen. Waren die Regulierungen, die nach der Finanz- und Bankenkrise auf den Weg gebracht wurden, richtig?
Eine Frage, auf die es widersprüchliche Antworten gibt, auch von den Ökonomen, die, so drückte es ein Teilnehmer aus, "ein Menü von Vorschlägen" vorgelegt hätten. Schäuble sprach von Impulsen, "die unsere Arbeit ein Stück weit mit beeinflussen werden". Als zentraler Punkt für mehr Wachstum wurden Investitionen in Bildung und Innovationen genannt. Doch es gab auch Warnungen. Manche Ökonomen wie Shiller und Alesina sehen eine neuerliche Blase auf den Immobilien- und Aktienmärkten wachsen und fordern ein Ende der Niedrigzinspolitik.
Kein schuldenfinanziertes Wachstum
Die Deutschen drängen auch auf die Umsetzung von Reformen und auf solide Haushalte als Schlüssel für mehr Wachstum und Wohlstand. Wie ein Mantra wiederholen Schäuble und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, dass schuldenfinanziertes Wirtschaftswachstum keine Alternative zu Strukturreformen sein könne. Eine Botschaft, die bei den G7 offensichtlich angekommen ist. "Alle haben gesagt, dass die hohen Schuldenstände - sei es beim Staat, bei Unternehmen oder bei Privathaushalten - das Wachstum belasten könnten", berichteten Teilnehmer aus der Diskussion.
Kein Wunder, dass es von deutscher Seite heißt, man sei sehr zufrieden mit dem Verlauf der Gespräche. War doch die Bundesregierung in der Vergangenheit vor allem von den USA immer wieder aufgefordert worden, angesichts der guten Haushaltslage die Schatullen zu öffnen und mehr zu investieren, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ein Ansinnen, das Schäuble und Weidmann stets vehement zurückgewiesen haben.
Einmal im Geld schwimmen
Woher also das nötige Kleingeld nehmen? Zur Inspiration stand nach der Mittagspause ein Besuch im neu gestalteten Münzkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden auf dem Programm. Nach elf Jahren Schließung und Umzug ins Residenzschloss eröffnet es offiziell erst am 6. Juni wieder seine Pforten. Für den Bundesfinanzminister und seine Gäste wurde eine Ausnahme gemacht. Mit einem Bestand von rund 300.000 Münzen, Banknoten, Wertpapieren und anderen Objekten aus der historischen Finanzwelt gehört das Münzkabinett zu den größten Sammlungen dieser Art in Europa. Die Anfänge reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück.
Am Nachmittag diskutierten die Minister auch über die Kurseinbrüche bei den Staatsanleihen. "Die G7 sind wegen der zuletzt erhöhten Volatilität in den Märkten - insbesondere in den Anleihemärkten - nicht besorgt", hieß es dazu. Die allgemeine Meinung sei gewesen, dass es sich um eine Korrektur handele. Diese sei nach dem extremen Rückgang der Renditen, die es zuvor gegeben habe - insbesondere bei deutschen Staatsanleihen - nicht überraschend.
Was wird aus BEPS?
Schließlich diskutierten die G7 in Dresden auch über eine bessere Zusammenarbeit bei der Besteuerung. Dazu gehören der Umgang mit international agierenden großen Unternehmen genauso wie der angekündigte automatische Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden, an dem sich inzwischen mehr als 90 Staaten weltweit beteiligen wollen. Allein die Aussicht auf diese Regelung ab 2017/2018 führe teilweise schon heute zu höheren Steuereinnahmen, heißt es, "weil sich heute schon gewisse Leute darauf einrichten, dass dieser automatische Austausch kommen wird".
Die G20, die führenden Industrie- und Schwellenländer, wollen zudem bis Ende des Jahres 15 Maßnahmen vorlegen, die sich gegen steuersparende Gewinnverlagerungen und die Steuervermeidung von international tätigen Konzernen richten sollen. Abgekürzt wird diese Initiative BEPS genannt. Die G7 wollen aber noch einen Schritt weitergehen und denken bereits über die praktische Umsetzung nach. So sollen gemeinsame Prüfgruppen mehrerer Staaten geschaffen werden. Auch müssten Schlichtungsverfahren gefunden werden, wenn sich Staaten darüber streiten würden, wo ein Konzern am Ende besteuert wird.
Blick auf die Entwicklungsländer
Das Ganze sei eine längere Aufgabe, aber im Kreis der G7-Finanzminister sieht man sich bereits auf einem guten Weg. Die beschlossenen steuerlichen Maßnahmen seien am Ende "doch nichts anderes als ganz wesentliche Strukturreformen". Die würden zu mehr Rechtssicherheit, höheren Staatseinnahmen und letztlich geringeren Schulden führen.
Auch Entwicklungsländer könnten davon profitieren. Um sich an der BEPS-Initiative zu beteiligen, müssten ärmere Länder aber zunächst eine effektiv arbeitende Steuerverwaltung aufbauen. Hier wollen sich der Internationale Währungsfonds und die Weltbank für eine verstärkte Zusammenarbeit stark machen. "Es gibt den klaren Willen, die Entwicklungsländer, soweit das in irgendeiner Art und Weise möglich ist, in alle laufenden Steuerprojekte mit einzubeziehen", hieß es aus der deutschen G7-Delegation in Dresden.