Goldberg: Freiheitskämpfer, Kommunist, Mensch
30. April 2020Aufgeben, das konnte er nicht. Sein Leben lang kämpfte Denis Goldberg gegen jeden Feind, der sich ihm in den Weg stellte: Die weiße Apartheidregierung, Machtgier und Korruption in seiner Heimat Südafrika, den Krebs.
Es wird ihm schon in die Wiege gelegt: Seine Eltern bringen ihm bei, dass alle Menschen gleich sind. Was damals, im Südafrika der Rassentrennung, keine Selbstverständlichkeit ist. Doch die jüdische Familie Goldberg hat am eigenen Leib erfahren, was Hass bedeutet. Sie ist einst vor anti-jüdischen Pogromen aus der Heimat Litauen geflohen.
Keine Zweifel
Die Eltern sind Kommunisten, der junge Denis wird es auch. Im Herzen bleibt er es ein Leben lang. Schon während seines Studiums an der Universität Kapstadt verschreibt er sich dem Kampf gegen die Apartheid. Er opfert ihm alles - Privilegien, Familie, den Beruf, die Freiheit. Bereut es nach eigener Aussage aber nie: "Ich war immer völlig überzeugt, dass das, was wir getan haben, richtig war und dem richtigen Ziel diente: gleiche Rechte für alle in unserem Land, für andere Länder, für alle Menschen. Das ist der einzige Weg, um Mensch zu sein und Mensch zu bleiben", sagt er 2013 in einem Interview mit der Deutschen Welle.
Zunächst kämpft er friedlich gegen die Apartheidregierung. Die steckt ihn dafür vier Monate ins Gefängnis. Wie viele andere junge ANC-Führer glaubt er bald, dass friedliche Mittel nicht ausreichen. Nelson Mandela rekrutiert ihn 1961 für "Umkhonto we Sizwe" (Brennender Speer), den bewaffneten Arm der Freiheitsbewegung ANC. "Denis, du hast doch eine technische Ausbildung. Du weißt, wie man Brücken baut und sie in die Luft jagt. Machst du mit?" fragt ihn Nelson Mandela damals. So erzählt es Goldberg der DW in seinem letzten Interview im Februar 2020. Natürlich sagt er ja. Gemeinsam jagen sie Brücken, Trafohäuser, Bahnstrecken in die Luft.
Denis Goldbergs Augen leuchten auch noch Jahrzehnte später, wenn er von diesem Kampf erzählt. "Waren wir bereit aufzugeben? Nein. Im Manifest von Umkhonto we Sizwe heißt es: Es gibt Momente im Leben, da gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder man entscheidet sich, auf Knien zu leben, oder aufzustehen und zu kämpfen. Die Entscheidung war, zu kämpfen", sagt er der Deutschen Welle 2013.
Über 20 Jahre hinter Gittern
Für viele Schwarze sind sie Helden, für die weiße Regierung Terroristen. Die Sicherheitskräfte des ganzen Landes jagen sie. 1964 werden die Anführer des Brennenden Speers um Mandela zu viermal lebenslanger Haft verurteilt. Goldberg ist der einzige Weiße unter ihnen. Es ist eine bittere Ironie für ihn, der wegen seiner Hautfarbe nie irgendwelche Privilegien genießen wollte, dass er als Weißer nicht auf die berüchtigte Gefängnisinsel Robben Island verbannt wird. Er sitzt seine Strafe in einem Gefängnis für Weiße in Pretoria ab.
Über 20 Jahre verbringt er hinter Gittern. Die meiste Zeit allein in einer kleinen Zelle. Seine Frau Esme, ebenfalls glühende Kommunistin, muss die Kinder im britischen Exil alleine großziehen. 1985 wird er freigelassen und sieht sie endlich wieder. Doch das Gefängnis bleibt in ihm - ein Leben lang. "Manchmal wache ich nachts auf und frage mich, wo ich bin: Bin ich im Gefängnis oder denke ich nur, dass ich im Gefängnis bin? 22 Jahre sind eine lange Zeit", sagt er später im Gespräch mit der DW.
Kämpfer gegen Korruption
Erst 2002 kehrt er in die Heimat zurück. Arbeitet für die Regierung, wie andere der alten ANC-Kämpfer auch. Und ist doch wieder Außenseiter: Er belohnt sich nicht für die Entbehrungen der letzten Jahrzehnte, in dem er sich wie manche andere möglichst schnell bereichert. Mit der Zeit wird er zum Mahner, prangert die grassierende Armut und die Korruption im Land an.
Dabei verläuft er sich bisweilen. Lange unterstützt er den umstrittenen Vizepräsidenten Jacob Zuma, gegen den schon damals Korruptionsvorwürfe laut werden. Er glaubt Zumas kommunistischer Rhetorik. Als Zuma dann Präsident ist und immer neue Skandale das Land erschüttern, wird Denis Goldberg einer seiner schärfsten Kritiker. "Ich würde mich freuen, wenn mein Land diesem Beispiel folgt, wo ein Präsident gehen muss, weil er dafür sorgt, dass all die Werte vernichtet werden, für die Menschen wie ich und viele andere gekämpft haben", sagt er nach dem Machtwechsel im Nachbarland Simbabwe 2017 der Deutschen Welle.
Die Regierung dekoriert ihn mit verschiedenen Orden, doch intern gilt er bei vielen als Nestbeschmutzer. Es schreckt ihn nicht, er macht einfach weiter. Schreibt Bücher, gründet eine Wohltätigkeitsorganisation, tourt durch die Welt. "Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich nie wiederholt. Wir müssen die Verantwortung dafür übernehmen, so lange wir können", sagt er in einem seiner letzten Interviews.
Er übernimmt diese Verantwortung, so lange es eben geht. Auch, als er die Diagnose Lungenkrebs bekommt. Ihm ist klar, dass er diesen Gegner nicht mehr wird bezwingen können. Aber mit Hilfe der Ärzte hält er ihn auf, so lange er kann. Und sammelt bis zuletzt unermüdlich Spenden für sein letztes Herzensprojekt: Ein Musik- und Kulturzentrum für Kinder aus den Armenvierteln seines Wohnorts Hout Bay bei Kapstadt. Nun ist Denis Goldberg im Alter von 87 Jahren gestorben.
Mitarbeit: Adrian Kriesch