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Dengue-Fieber auf dem Vormarsch

Julia Mahncke29. November 2013

Fußball-Fans und Abenteuerlustige aufgepasst: In Brasilien liegen WM-Stadien in Risikogebieten für Dengue-Fieber. Wissenschaftler versuchen, die Ansteckungsgefahr zu bannen. Und das nicht nur in Lateinamerika.

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Asiatische Tigermücke (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Mit Moskitonetz und Mückenspray gerüstet war die deutsche Journalistin Nicole Scherschun im Oktober 2012 nach Indien gereist. In Mumbai ging gerade die Regenzeit zu Ende. "Das Dengue-Fieber grassierte", erzählt die 31-Jährige. "Immer wieder gab es in den Zeitungen Berichte über Menschen, die daran gestorben waren." Und dann erwischte es auch sie. "Ich hatte Kopf- und Gliederschmerzen", erinnert sie sich, ähnlich wie bei einer Erkältung, nur viel heftiger. Die Ärztin vor Ort brauchte nicht lange, um die Krankheit zur erkennen. Ein Bluttest brachte noch am selben Tag Gewissheit. "Sie hat mir Schmerzmittel verschrieben, die ich nur im Notfall nehmen sollte", erzählt Scherschun.

Ausgelöst wird die Krankheit vom Dengue-Virus. Das wird in tropischen und subtropischen Gebieten unter anderem von Tigermücken übertragen. Gegen das Fieber, das auch bei Nicole Scherschun eingesetzt hatte, halfen Wadenwickel. Spezielle Medikamente aber gibt es nicht. Durchhalten und abwarten hieß auch bei der jungen Deutschen die Devise. Ihr ging es nach einigen Tagen wieder besser. Andere Patienten mit schwereren Dengue-Varianten haben innere Blutungen, einige sterben an Kreislauf- oder Organversagen. In Asien kommt die Krankheit häufig vor, sowie in Lateinamerika.

Moskitonetz und lange Hosen

Infografik Dengue-Fieber in Lateinamerika 2013 (Grafik: DW)

Brasilien ist eines der stark betroffenen Länder. Der britische Epidemologie-Experte Simon Hay rät deshalb im Hinblick auf die Fußball-WM Reisenden und Athleten, sich gut vor Mückenstichen zu schützen - mit Moskitonetzen und langer Kleidung. Wer sich drinnen aufhält, sollte die Fenster geschlossen halten. Eine Impfung gibt es nicht. Während die Weltgesundheitsorganisation in ihrem Jahresbericht von jährlich zwischen 50 bis 100 Millionen Erkrankungen weltweit ausgeht, schätzt der britische Forscher Hay, dass es dreimal so viele sind.

Eigentlich ist die Hochsaison für Mücken in Brasilien zwischen Dezember und März, trotzdem sei im Juni während der WM Achtsamkeit geboten, sagt auch Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Er versucht derzeit mit brasilianischen Kollegen herauszufinden, wo genau die Mücken und der Virus vorkommen. Sein Team bringt Erfahrungen aus Laos, Thailand und anderen Gebieten mit. Mitfinanziert wird ihr Projekt vom Auswärtigen Amt in Deutschland. Bis zur Weltmeisterschaft wollen die Wissenschaftler genaue Angaben machen können, wo das Risiko in Brasilien besonders hoch ist. Die nächste Forschungsetappe: Bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Brasilien soll bekannt sein, wann und wo die infizierten Mücken ihre Eier legen. Damit die Larven zum richtigen Zeitpunkt vernichtet werden können.

Jonas Schmidt-Chanasit (Foto: BNI)
Jonas Schmidt-Chanasit forscht über das Dengue-FieberBild: BNI

Verschiedene Ideen, umstrittene Wirkung

Das ist nicht die einzige Idee, des weltweiten Problems Herr zu werden: In Vietnam haben Forscher Mücken gezüchtet und mit einem Bakterium infiziert. Dieses macht die Insekten immun gegen das Virus, so dass es nicht übertragen werden kann. Die Hoffnung ist, dass die Mücken der Forscher ihre schädlichen Artgenossen verdrängen. In Malaysia arbeitet ein Team mit genmanipulierten Mücken, die sich nicht fortpflanzen können. Allerdings sind diese Projekte und ihre Wirkung umstritten.

Brasilien setzt neben der Suche nach einem Impfstoff und der Tötung der Insekten auf Aufklärungskampagnen - nicht nur für Besucher, auch für die in aller Regel besser informierten Einheimischen. Davis Ferreira, Professor für Virologie, betreut das Dengue-Fieber-Forschungsprojekt an der Universität Federal in Rio de Janeiro. Gleichzeitig bilden er und sein Team "Little Dengue Docs" aus, Kinder und Jugendliche, die Informationen über Dengue-Fieber an Freunde, Familie und Nachbarn weitergeben sollen. "Wir bringen ihnen alles bei, vom Virus bis hin zur Krankheit." Wichtig ist ihm: "Jeder einzelne muss mithelfen, so dass die Mücken sich gar nicht erst ausbreiten." Dengue-Fieber ist besonders in den Städten ein großes Problem. In den Ballungsräumen gebe es zahlreiche Brutplätze, erklärt der deutsche Tropenmediziner Schmidt-Chanasit. Mückennachwuchs gedeiht in den kleinsten Wasseransammlungen: in weggeworfenen Dosen, Plastiktüten, Pfützen. "Unsere Art zu leben ist letzlich das Hauptproblem", meint der Virus-Experte. In ärmeren Vierteln haben Bewohner oft keine andere Möglichkeit, als ihr Trinkwasser in offenen Behältern zu sammeln.

Davis Ferreira (Foto: privat)
Davis Ferreira, Professor für Virologie, betreut ein Projekt an der Universität Federal in Rio de JaneiroBild: privat

Mücken reisen in Warencontainern um die Welt

In der Welt-Gesundheits-Statistik 2013 der UN heißt es: Die Zahl der Dengue-Fieber-Infizierten ist "in den vergangenen Jahrzehnten weltweit dramatisch angestiegen". Schuld daran sind zum einen neue, robustere Mückenarten, aber auch wir Menschen selbst: "Das hängt mit der Zunahme an interkontinentalem Waren- und Reiseverkehr zusammen", so Schmidt-Chanasit. "Damit werden die Viren immer schneller von einem zum anderen Ort transportiert, aber auch die Stechmücken." Die Tigermücke, die das Virus überträgt, gibt es mittlerweile auch in einigen Gegenden Deutschlands. Das Virus offensichtlich nicht.

In Deutschland muss die Krankheit dem Robert-Koch-Institut gemeldet werden, das zum Bundesministeriums für Gesundheit gehört. Mehr als 700 Dengue-Patienten haben die Mitarbeiter dieses Jahr registriert. Alle hatten sich im Ausland angesteckt, ein großer Teil davon in Thailand. Insgesamt sind es so viele wie nie zuvor.