1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

In die Hände gespielt

Florian Weigand11. Dezember 2013

Die Klage auf Schadensersatz ist abgewiesen. Doch der deutsche Luftangriff im afghanischen Kundus 2009 hat langfristig Vertrauen zerstört. So dient das Urteil vor allem einer Gruppe, meint Florian Weigand.

https://p.dw.com/p/1AXaY
Florian Weigand, Leiter der Dari-/Paschtu-Redaktion der DW (Foto: DW)
Florian Weigand, Leiter der Dari-/Paschtu-Redaktion der DWBild: DW/P. Henriksen

Rund einhundert Zivilisten, geschützt durch die Genfer Konvention, kamen in jener Nacht im Jahr 2009 ums Leben. Den Bombenangriff hatte ausgerechnet ein deutscher Offizier befohlen - im grundsätzlich pazifistisch gesonnen Deutschland war der Aufschrei groß. Was damals in fetten Schlagzeilen hohe Wellen schlug, versickert heute jedoch in einem dünnen Rinnsal: Das Bonner Gericht konnte "keine schuldhafte Verletzung der Amtspflichten" erkennen. Klage abgewiesen.

Von außen betrachtet ist es allemal schwierig, ein Urteil zu kritisieren, das sich auf interne Berichte der Bundeswehr stützen kann. Denn die sind dem Laien nicht zugänglich. Das Gericht hat es sich sicher nicht leicht gemacht - ansonsten hätte sich das Verfahren nicht so lange hingezogen. Man muss aber nicht auf das Niveau von Stammtisch-Strategen sinken, um sich dennoch einige Fragen zu stellen: Hat der damalige Oberst Klein die Wahrheit gesagt, als er - um die Bomber anzufordern - behauptete, die Bundeswehr hätte direkte Feindberührung gehabt? Reichte es aus, dass ein einziger einheimischer "Kontaktmann" die Information über den angeblichen Taliban-Angriff weitergab? Oder hätte Klein auf eine Bestätigung der Informationen durch deutsche Soldaten vor Ort warten müssen? Und warum veranlasste der Kommandeur des Feldlagers, dass sofort die Bomben ausgeklinkt wurden - und verzichtete zuvor auf das Standartprozedere des niedrigen Überflugs, der warnenden "show of force"?

Was außer den offenen Fragen bleibt, sind ausgebrannte Tankwagen und vor allem Hinterbliebene, die vier Jahre zwischen Hoffnung und Frustration auf Gerechtigkeit warteten. "Gerecht" ist dabei eine schwierige Vokabel. Es bedarf keiner großen Phantasie, dass viele Angehörige einen anderen Ausgang des heutigen Gerichtstages erwartet hatten. Die Feinheiten einer deutschen Urteilsfindung sind manchmal auch hierzulande nur mit juristischem Sachverstand nachzuvollziehen. Wie wird die Entscheidung wohl erst in den Dörfern um Kundus aufgenommen?

Gewiss ist, dass diejenigen Kräfte das Urteil für sich ausschlachten werden, die man in Kundus und Umgebung auf keinem Fall stärken möchte. Die Taliban haben in den betroffenen Dörfern ohnehin schon großen Einfluss. Sie werden alles tun, dass die Menschen, die jetzt den Kopf schütteln über die deutsche Justiz, künftig die Taliban unterstützen.