Ivorische Verlierer vor Gericht
12. Dezember 2014Charles Blé Goudés Titel, den er während der blutigen Krise 2010/2011 in der Elfenbeinküste trug, klingt harmlos. Zum "Jugendminister" hatte ihn der damalige Präsident Laurent Gbagbo ernannt. Doch zu dieser Zeit führte Blé Goudé schon seit Jahren die extrem nationalistische und mit Gbagbos Partei verbündete Miliz "Junge Patrioten" an. Indem er den Milizenführer ins Kabinett holte, habe der Staatschef den Schlägertrupps in gewisser Weise einen offiziellen Anstrich verliehen, sagt Géraldine Mattioli-Zeltner von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Sie beobachtet die gerichtliche Aufarbeitung der Gewalt von damals. Mehr als 3000 Menschen starben nach den umstrittenen Wahlen Ende 2010, bei Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des unterlegenen Kandidaten Gbagbo und Anhängern seines siegreichen Herausforderers Alassane Ouattara. Und viele dieser Verbrechen seien direkt auf die "Jungen Patrioten" und deren Anführer Blé Goudé zurückzuführen, so Mattioli-Zeltner.
"Klima der Straflosigkeit"
Es entspricht daher der Forderung von Menschenrechtsorganisationen, dass am Donnerstag (11.12.2014) die Anklage gegen Blé Goudé vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) offiziell zugelassen wurde. Dies sendet - zusammen mit dem Prozess gegen den Ex-Präsidenten Gbagbo, der ebenfalls bereits in Den Haag einsitzt - ein starkes Signal: dass auch Staatschefs und ihre Helfer für Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Lange habe in der Elfenbeinküste ein Klima der Straflosigkeit geherrscht, so Mattioli-Zeltner.
Zufrieden sind Beobachter mit der bisherigen Arbeit des IStGH in der Elfenbeinküste allerdings nicht. Denn bisher stehen nur der Ex-Präsident und sein Mitstreiter vor Gericht. Dabei haben sich auch zahlreiche Anhänger der Gegenseite schwerer Menschenrechtsverbrechen schuldig gemacht. Der damalige Herausforderer Ouattara, der mit breiter internationaler Unterstützung als Sieger aus der gewalttätigen Auseinandersetzung hervorging und bis heute Präsident ist, lässt nur die Verbrechen seiner Gegner verfolgen.
Kritik an "Siegerjustiz" und an Frankreich
Den Haag laufe Gefahr sich zum Instrument einer einseitigen "Siegerjustiz" zu machen, befürchtet Andreas Mehler, Professor für Afrikanistik und Experte vom Giga-Institut in Hamburg: "Die ivorische Regierung konnte weitgehend entscheiden, wie man mit dem Internationalen Strafgerichtshof umgeht, und hat damit auch gespielt." Der Den Haager Gerichtshof ist darauf angewiesen, dass die entsprechenden nationalen Regierungen Angeklagte an ihn überstellen. Er hat nur wenig Handhabe, wenn ihm Auslieferungen verweigert werden, wie etwa im Fall der Frau von Laurent Gbagbo, die ebenfalls in Den Haag angeklagt ist. Aus politischen Gründen möchte die ivorische Regierung sie aber lieber im Land selbst vor Gericht stellen.
Vor allem aber hat Den Haag noch keine Anklagen gegen die Kommandeure von Ouattaras Milizen erhoben. Damit gebe der Gerichtshof auch ein schlechtes Beispiel für die ivorische Justiz, die sich gegen den Vorwurf der Einseitigkeit mit dem Hinweis verteidige, "der IStHG verfolgt auch zunächst nur die Gbagbo-Seite, wir machen das genauso", sagt Mattioli-Zeltner.
Andreas Mehler sieht die internationale Gemeinschaft und vor allem die ehemalige Kolonialmacht Frankreich in der Verantwortung, um den Eindruck einer unfairen Siegerjustiz in der Elfenbeinküste zu vermeiden, und damit eine Versöhnung in dem von der Gewalt immer noch tief gespaltenen Land zu ermöglichen. Doch statt auf die Regierung einzuwirken, auch die Verbrechen der eigenen Seite zu untersuchen, stelle sich gerade Frankreich bedingungslos auf die Seite Ouattaras. "Es gibt eine eindeutige Parteinahme Frankreichs für die eine und gegen die andere Seite", sagt Mehler.