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Demos gegen US-Polizeigewalt

13. Dezember 2014

Tausende Menschen haben sich in US-Städten zu Protestmärschen gegen Polizeigewalt versammelt. Die Demonstrationen sind der bisherige Höhepunkt der seit Wochen anhaltenden Proteste. Gero Schließ aus Washington.

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Demonstration gegen Polizeigewalt n Washington (Foto: DW/ G.Schließ)
Bild: DW/G. Schließ

"Wir fühlen uns hilflos. Das ganze ist so blindwütig. In nur einem Jahr wurden alle diese jungen Schwarzen von Polizisten ermordet," empört sich Jarret Gramza, die mit ihrer Zwillingsschwester Joyce zum "Marsch für Gerechtigkeit" nach Washington gekommen ist. Gemeinsam mit 52 Gleichgesinnten aus Syracuse bei New York stiegen sie kurz nach Mitternacht in den Bus, um dem Aufruf des National Action Networks von Reverend Al Sharpton zu folgen.

Und mit ihnen waren auch die Angehörigen der jüngst erschossenen Afro-Amerikaner durch die Innenstadt vor das Kapitol marschiert, unter ihnen die Eltern des schwarzen Teenagers Michael Brown, der im August in Ferguson von dem weissen Polizisten Darrel Wilson getötet wurde. An der Entscheidung der Geschworenenjury, den Polizisten nicht anzuklagen, hatten sich Proteste in Ferguson entzündet, die sich mittlerweile im ganzen Land ausgebreitet haben.

"Rassismus ist der Grund"

"Wir sind hier, um zu protestieren", sagt Jarret Gramza. "Und wir wollen, dass das Justizministerium die Entscheidungen der Geschworenenjurys widerruft. Sie waren alle korrupt!" Jarret Gramzas Empörung teilen fast alle der Demonstranten, die an diesem Tag in Washington, Boston, Chicago, Austin, San Francisco und anderen US-Städten auf die Strasse gehen.

Auch ihre Zwillingsschwester Joyce Gramza: "Rassimus ist der Grund für all das, da gibt es keinen Zweifel", sagt sie. "Das muss geändert werden. Und es ändert sich, mit den jungen Leuten. Aber diejenigen, die immer noch erlauben, dass getötet wird, haben immer noch die Macht." Doch bis dahin sei es noch ein weiter Weg. Zur Zeit jedenfalls sei das Justizsystem in den USA "gebrochen" und voreingenommen.

Kontroverse um Justizsystem

Genau darüber wird in den USA eine heftige Debatte geführt – nicht heute unter den Demonstranten, aber zwischen Bürgerrechtlern und Rechtswissenschaftlern. Juristen wie Gregory Gilbertson von der Universität in Seattle widersprechen dem Eindruck einer gegenüber den Schwarzen voreingenommenen Justiz entschieden. "Ich weiss nicht genau, was zwischen Darren Wilson und dem jungen Mann vorgefallen ist. Aber ich glaube an das Recht und das System der Geschworenenjury", sagt er gegenüber der Deutschen Welle . Auch Präsident Barack Obama hatte sich nach dem Spruch der Jury in diesem Sinne geäußert und seine Landsleute aufgefordert, die Entscheidung zu akzeptieren.

"Das ist etwas, über das die Menschen enttäuscht sind", sagt Joyce Gramza auf der Demonstration in Washington. "Sie fordern von Präsident Obama, auf die Leute zu hören."

Vernnon Romain und seine Mutter bei der Demonstration in Washington (Foto: DW/G. Schließ)
Vernnon Romaion und seine MutterBild: DW/G. Schließ

Vernon Romain mag über seinen Präsidenten nicht den Stab brechen, auch wenn viele Demonstranten vom ersten schwarzen Präsidenten der USA mehr Entschiedenheit in der Rassenfrage erwartet hätten. "Präsident Obama kümmert sich um alle Rassen", sagt er. Als Präsident könne er sich nicht nur auf eine Rasse konzentrieren. "Ich glaube er hat seinen Teil beigetragen."

Rechtsordnung in der Krise

Doch auch Romain sieht ernsthafte Verwerfungen. "Ich bin hier, weil das eine symbolische Geste ist um klar zu machen, dass unsere Rechtsordnung in einer Krise steckt." Er mißtraue nicht dem gesamten System, aber immer dann, wenn es um Strafverfolgung von Polizeibeamten geht. "Wir haben eine klare Gerechtigkeitslücke, wenn Polizisten angeklagt werden sollen." Die Geschworenenjurys sind aus seiner Sicht nicht grundsätzlich parteiisch. Ihre Entscheidungen, auf Anklagen gegen weisse Polizisten zu verzichten, sei vielmehr eine direkte Spiegelung des Verhältnisses zwischen der lokalen Staatsanwaltschaft und der lokalen Polizei. "Sie arbeiten das ganze Jahr zusammen. Da kommt es zu Interessenkonflikten." Seine Mutter, die mit ihm gemeinsam demonstriert, glaubt an die Reformfähigkeit des Justizsystems: "Es wird sich etwas ändern. Das Justizminsterium wird diese Fälle untersuchen und wird auch die Geschworenenjurys überprüfen."

Gefühl der Bedrohung

Der 15 jährige Armari Walker, der mit seinen Freunden (Artikelbild) aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn nach Washington gekommen ist, identifiziert sich mit seinen Altergenossen. "Ich bin hier, weil ich Gerechtigkeit will für Erik Garner und Mike Brown und alle anderen, die von der Polizei erschossen wurden". Wenn Walker in die Schule geht oder sich abends mit seinen Freunden auf der Strasse trifft, dann tut er es mittlerweile mit dem Gefühl der Bedrohung: "Ich bin auch gefährdet. Es könnte jeden Schwarzen treffen. Die Polizisten ermorden schwarze Jugendliche, die unbewaffnet sind." Und sie würden dafür nicht bestraft, stellt Walker fest.

"Der Polizist war das Opfer"

Der Polizist Thomas Aveni vom Police Policy Studies Council ist an diesem Tag nicht in Washington. Seine Meinung zum tödlichen Vorfall in Ferguson steht im scharfen Gegensatz zur Überzeugung der Demonstranten und zeigt, wie tief gespalten das Land ist: "Das Opfer in dem Fall Michael Brown war der Polizeibeamte Darren Wilson", sagt er am Telefon gegenüber der Deutschen Welle. "Er war derjenige, der gewalttätig bedroht wurde. Deswegen glaube ich, dass er das Opfer war und nicht Michael Brown".

Demonstrant Nate Atwell (Foto: DW/G. Schließ)
Demonstrant Nate AtwellBild: DW/G. Schließ

"Ich habe nichts gegen Gewalt"

Diese Meinung regt Nate Atwell auf: "Willst du wirklich dass ich friedlich bin im Angesicht von Menschen, die andere Leute erschiessen?" fragt er herausfordernd. Atwell fühlt sich in seinen radikalen Ansichten bestätigt. „Ich habe nichts gegen Gewalt“, sagt er mit Blick auf die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten in Ferguson. „Wie kannst du mir erklären, dass wir keine Gewalt ausüben sollten, wenn unsere Regierung dauernd Gewalt braucht," sagt er und erwähnt den Einsatz von Drohnen und die überfüllten Gefängnisse in den USA. Für ihn stellt sich die Sache glasklar dar: "Wir sind nicht gewalttätig gegenüber einer friedlichen Regierung. Sondern wir sind gewalttätig gegenüber jemanden, der uns unterdrückt."

Es ist erst der Beginn

Frieden ohne Gerechtigkeit sei eine erfolgreiche Unterdrückung, steht auf Atwells Transparent. Damit ist er nicht weit entfernt von vielen anderen Demonstranten, die immer wieder skandieren "Kein Frieden ohne Gerechtigkeit" ("No justice, no peace" ).

Viele von ihnen hoffen, dass auf den heutigen "Marsch“ noch viele weitere folgen. "Es ist eine Bewegung", sagt Vernon Romain gegen Ende der Demonstration vor dem US-Kapitol. "Und es ist erst der Beginn von dem, was in den nächsten Tagen und Wochen noch passieren wird."