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"Demonstranten wurden zu Boden geworfen"

29. März 2007

Die Behörden in Nischnij Nowgorod haben am 24. März den "Marsch des Widerspruchs" verhindert. Stanislaw Dmitrijewskij, Menschenrechtler und Leiter der russisch-tschetschenischen Gesellschaft, berichtet als Augenzeuge.

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DW-RADIO/Russisch: Was haben Sie gesehen, als Sie zum Gorkij-Platz kamen, wo der "Marsch des Widerspruchs" stattfinden sollte?

Stanislaw Dmitrijewskij: Der ganze Platz wurde von einer gewaltigen Anzahl von Angehörigen der Spezialeinheiten, von OMON-Kämpfern, kontrolliert. Die Menschen wurden erst nach einer gründlichen Kontrolle der Personalien sowie der Taschen auf den Platz gelassen. Mitten auf dem Platz spielten Kinder demonstrativ mit einem Ball - ein Dutzend Kinder umzingelt von Hundert OMON-Männern. Als sich eine kleine Gruppe von Demonstranten, darunter waren viele ältere Menschen, zusammenfand und sie versuchten, Transparente zu entfalten, die sich vor allem auf städtische Themen bezogen - die Rückkehr von Echo Moskwy in den Äther der Stadt, den Erhalt von Kulturdenkmälern und Grünanlagen - wurden sie einfach in Busse gedrängt. Sie konnten nicht einmal ihre Plakate entfalten.

Wie kam es, dass auch Sie vorübergehend in Gewahrsam genommen wurden?

Es gab danach einen weiteren Versuch, die Demonstration in Gang zu bringen, diesmal durch die Führer der linken Opposition. Sie wollten eine Kolonne bilden, aber diese wurde sofort erdrückt. Auf den Platz fuhren zwei Fahrzeuge, die den Weg versperrten. OMON-Männer stellten sich in mehreren Reihen auf und gingen dann mit Schilden und Schlagstöcken auf die Kolonne los. Es waren etwa 30 bis 40 Demonstranten, die anderen waren entweder Sympathisanten oder Journalisten. Ich konnte nicht zusehen, wie die Demonstranten zu Boden geworfen wurden. Ich versuchte, eine Kette zu bilden, was aber aussichtslos war. Zumindest konnte man damit seine Empörung deutlich machen. Die Folge war, dass auch ich mich im OMON-Fahrzeug wiederfand.

Hat der Bürgermeisters von Nischnij Nowgorod, Wadim Bulawinow, eigenmächtig den Marsch verboten oder handelte er auf Anweisung Moskaus?

Es ist klar, dass es eine Anweisung aus Moskau gab. Natürlich ist Bürgermeister Bulawinow nicht selbständig. Eine andere Sache ist, dass er formal die städtischen Behörden vertritt, er wird gewählt. Und laut Gesetz ist er für das ganze Vorgehen verantwortlich. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er eine Anweisung erhalten hat, weil niemand berechtigt ist, ihm solche Anweisungen zu erteilen.

Die Auflösung der Demonstration in Nischnij Nowgorod hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Ist sich die Staatsmacht dessen überhaupt bewusst?

Ich denke, dass sie dies nicht begreift. Sie hat eine völlig verdrehte Logik. Ich denke, dass sie die Proteststimmung, die in der Gesellschaft schwach ist, damit noch anheizt. Unter den Festgenommenen sind Mitglieder der Initiativgruppe, die sich gegen die Bebauung des Oktober-Boulevards einsetzt, eines schwachsinnigen Projekts, das von allen Bau-Experten kritisiert wird. Es waren ganz unterschiedliche Gruppen dabei. Aber ich kann mir vorstellen, dass sie sich nun zusammenschließen, weil die Staatsmacht gezeigt hat, wie sie sich ihnen gegenüber verhält.

Das Gespräch führte Viacheslav Yurin
DW-RADIO/Russisch, 24.3.2007, Fokus Ost-Südost