Die Angst vor Ebola wählt mit
17. Dezember 2018Martin Fayulu nimmt das Mikrofon in die Hand, um seinen Wahlkampf zu beginnen. "Ich werde Ebola verjagen! Ich werde auf Staatskosten Ärzte aus der ganzen Welt hierherholen, um Ebola auszurotten", ruft er in die Menge. Dabei könnte der Präsidentschaftskandidat der Opposition mit seinem Auftritt jedoch genau das Gegenteil erreicht haben. Mehrere tausend Anhänger haben sich versammelt, um Fayulu zu empfangen. Stunden haben sie in der Hitze auf ihn gewartet, getanzt und geschwitzt. Als Fayulus Wagen vorfährt, stehen die Menschen dicht an dicht. Für den Kandidaten gibt es kein Durchkommen. Und so spricht er aus dem geöffneten Schiebedach zur Menge.
Politik ist Party
Es sollte ein besonderes Signal sein, den Wahlkampf dort zu beginnen, wo die Menschen in der Demokratischen Republik Kongo am meisten leiden: In der Stadt Beni im Ostkongo, wo seit vier Jahren Rebellen regelmäßig Zivilisten massakrieren. Im August dieses Jahresist hier auch die Ebola-Seuche ausgebrochen. In Beni sind bereits 114 Personen an dem Virus gestorben. Mehr als 280 sind es in der gesamten Region.
Der Virus verbreitet sich über Körperflüssigkeiten wie Schweiß, Blut oder Erbrochenem. Körperkontakt sollte daher vermieden werden. Im Kongo ist der Wahlkampf für viele aber auch ein Ausbruch aus dem harten Alltag. Die nötige Vorsicht vor der Krankheit haben viele darüber offenbar komplett vergessen.
Aruna Abedi, lokaler Ebola-Koordinator des Gesundheitsministeriums, macht das Sorgen. "Die Ebola-Krankheit ist zu einem schwierigen Zeitpunkt an einen schwierigen Ort ausgebrochen", sagt er zur DW. "Ein schwieriger Zeitpunkt, weil gerade Wahlen stattfinden". Dabei seien allein die Herausforderungen in einem Konfliktgebiet bereits enorm. Nun kämen die Großevents der Parteien, staatliche Informationsveranstaltungen und nicht zuletzt der Wahltag am 23. Dezember noch dazu.
"Körperkontakt muss unbedingt vermieden werden, wenn man sich in Gruppen befindet", mahnt Abedi. Wer beispielsweise mit Fieber das Gelände der Ebola-Koordinierungsstelle betreten möchte, wird nach der Temperaturmessung am Eingang zurückgewiesen. Handeschütteln ist ein Tabu – und sollte auch sonst streng vermieden werden, sagt Abedi. "Man muss sich die Hände waschen und Desinfektionsmittel verwenden, sobald man nach Hause kommt".
Angst vor der Ansteckung
Die Stadt Beni selbst zählt etwa 450.000 Einwohner. Im Straßenbild fällt die Epidemie nicht weiter auf - einmal abgesehen von dem ein oder anderen Wasserspender am Eingang von größeren Geschäften, Märkten und Büros. So auch vor dem des Verbands der Zivilgesellschaft. "Wir haben die Sorge, dass es bei der Wahl zu Ansteckungen kommen könnte", sagt dessen Präsident Kizito Bin Hangi zur DW.
Zum ersten Mal geben die Bürger ihre Stimme nicht mehr auf Papier ab, sondern an einer Wahlmaschine mit Touchscreen. Ein Ansteckungsrisiko, fürchtet Hangi. "Wird jedes Mal, wenn einer die Maschine berührt, diese anschließend gereinigt?", fragt er sich. Man würde eine Lösung finden, habe ihm die Wahlbehörde CENI versichert. "Aber bis heute wurde uns noch nicht gezeigt, welche Maßnahmen in den Wahllokalen angewendet werden", sagt Hangi.
Die Zeit drängt
Ein paar Häuser weiter lagern tausende Wahlmaschinen, Generatoren und Urnen. Ein Großteil wurde bereits in abgelegene Orte gebracht. Aber Wasserspender fürs Händewaschen sind in den Wahllokalen bisher nicht vorgesehen, auch wenn die Wahlbehörde darüber nachdenkt: "Das könnte eine Lösung sein. Es bräuchte sie dann in 600 Wahllokalen", sagt Norbert Basengezi Katintima, Vizepräsident der Wahlbehörde. Er räumt jedoch ein, dass es keine zwei Wochen vor dem Wahltag noch keinen festen Plan gäbe. "Jeder sollte die Maschine ohne Angst anfassen können. Darin besteht die Herausforderung. Auch wenn ich darauf keine Antwort habe. Ich bin ja kein Mediziner", so Katintima zur DW.
Der Vertreter der Zivilgesellschaft teilt auch gegen die politischen Parteien aus, insbesondere die Aktivisten unter ihnen, die die Massen während des Wahlkampfs mobilisieren. "Wir haben Zweifel daran, dass sie die Hygieneregeln befolgen", so Hangi, auch mit Blick auf Auftritte von Politikern wie Fayulu.
Umstrittene Jagd auf Ebola
Abgesehen vom Oppositionskandidaten, der "Ebola verjagen" möchte, habe Hangi noch keine konkreten Vorschläge von den verschiedenen politischen Kandidaten zu der Frage gehört, wie die Epidemie eingedämmt werden könnte. Und selbst der Einwurf von Präsidentschaftsbewerber Fayulu ist umstritten. Mehr Mediziner aus dem Ausland seien doch nicht die Antwort auf das Problem, schreibt eine Vereinigung junger kongolesischer Ärzte in einer Pressemitteilung: "Damit hat Fayulu seine Unkenntnis unserer Institutionen und menschlichen Ressourcen belegt, für die uns die Welt im Kampf gegen die Epidemie beneidet."
Und tatsächlich: Der Ebola-Ausbruch ist bereits der zehnte in dem zentralafrikanischen Land. Erfahrene Experten gibt es daher. Es mangelt vielmehr an der nötigen Aufklärung der Bevölkerung – und am Willen, sich gegen die gefährliche Krankheit zu schützen. Insbesondere in den turbulenten Zeiten des Wahlkampfs.