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Politik

Defender20: US-Truppen durchqueren Europa

2. Februar 2020

Eine aufwendige US-Militärübung ist angelaufen: 20.000 US-Soldaten kommen mit dem Schiff oder per Flugzeug nach Europa und ziehen quer durch den Kontinent. Ihr Ziel: die NATO-Ostflanke - eine Mammutaktion.

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Übungen des US Militärs in Europa | US Defender Europe 20 in Garlstedt
Die Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt ist auf die US-Soldaten vorbereitetBild: picture-alliance/dpa/S. Schuldt

Es ist die größte Truppenverlegung der USA nach Europa seit 25 Jahren. Seit Ende Januar läuft die mit der NATO abgestimmte US-amerikanische Großübung "Defender Europe 20". Zehntausende Soldaten, Panzer und anderes militärisches Gerät werden in den kommenden Monaten quer durch Europa transportiert, bis nach Polen und in die baltischen Staaten. Dort nehmen die Soldaten dann an zahlreichen Übungen teil.

Was ist "Defender Europe 20"?

20.000 US-Soldaten und 13.000 Ausrüstungsgegenstände werden nach Frankreich, Belgien, in die Niederlande und nach Deutschland eingeschifft und eingeflogen. Von dort werden sie eine Strecke von rund 4.000 km über zwölf Konvoi-Routen durch Europa zurücklegen. Insgesamt sind etwa 37.000 Soldaten aus 19 Ländern und rund 20.000 Stück Frachtgut an der Übung beteiligt. Die Übung erstreckt sich über fünf Monate.

Wie verläuft Defender Europe 20? DE Update

Ab Mitte Februar wird dies auch auf deutschen Straßen sichtbar sein. Bundeswehr und US-Militär versichern vorab, dass die Belastung für die Bevölkerung möglichst klein gehalten werden soll. Ein Großteil der Transporte werde nachts, zwischen 22 und 6 Uhr, vonstatten gehen.

"Wenn es gut geht, wird man es nicht bemerken", sagte Generalleutnant Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis der Bundeswehr der Nachrichtenagentur dpa. Die Partei "Die Linke" hat zu Protesten gegen das Großmanöver aufgerufen. Sie bezeichnet die Übung als "Provokation" gegenüber Russland und "unverantwortliches Säbelrasseln".

Welche Rolle spielt Russland?

Das Baltikum und Polen sind NATO-Staaten. Sie bilden die Ostflanke des Verteidigungsbündnisses, in direkter Nachbarschaft zu Russland. Gleichzeitig handelt es sich um noch recht junge NATO-Mitglieder. Polen trat 1999 bei, die baltischen Staaten 2004. Dadurch fehlten gewisse Strukturen, wie eine Infrastruktur zum Transport von schwerem Gerät oder NATO-Hauptquartiere, sagte Claudia Major , Expertin für Sicherheits- und Verteidigungspolitik bei der "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP) der DW. Unter anderem deshalb finde die Großübung an der NATO-Ostflanke statt.

Ein weiterer Grund für das Manöver ist das Jahr 2014. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Sicherheitslage für NATO-Länder verändert, sagt Major. 2014 brach der Ukraine-Krieg aus und die Krim wurde von Russland annektiert. Die EU-Kommission erklärte daraufhin, die Ukraine solle langfristig als Vollmitglied der EU aufgenommen werden. "Das war für viele Europäer ein Weckruf. Die Sicherheitsordnung, die Europa glaubte mit Russland zu haben, funktionierte nicht mehr. Russland war kein strategischer Partner mehr. Das heißt auch, die Europäer müssen sich wieder um die Frage kümmern: Wie verteidigen wir uns in Europa eigentlich?", sagt Major.

Übungen des US Militärs in Europa | Resolve XIII in Grafenwöhr und Hohenfels
So könnte es bald wieder auf Deutschlands Straßen aussehen: Ein US-Militärkonvoi bei einer früheren ÜbungBild: picture-alliance/Nat. Guard/Cover Images

Danach setzte bei der NATO ein Umdenken ein. Es wurde geprüft, ob die einzelnen Staaten überhaupt noch in der Lage sind, schnell Truppen zu bewegen oder, ob Brücken schweres Gerät wie Panzer aushalten. Es stellte sich heraus: es gibt Defizite. Im Baltikum beispielsweise fehlten Straßen von Süden nach Norden. Da die Staaten zur Sowjetunion gehörten, wurde von hier aus vor allem die West-Ost-Verbindung ausgebaut.

Auch die unterschiedliche Schienenbreite in den einzelnen Ländern erschwerte den Gütertransport von schwerem Gerät. Dazu fehlten detaillierte Verteidigungspläne für die östlichen europäischen Staaten und die Truppen, die vor Ort waren, waren nicht schnell einsatzfähig. "Diese Readiness war eine der ganz großen Schwachstellen, die man 2014 festgestellt hat. Die meisten NATO-Staaten hatten das verlernt", sagt Major

Was folgte, waren unzählige Übungen. Mit Russland wurde über die sogenannte "rotational presence" ein Kompromiss gefunden. Danach gibt es zwar eine Truppenstationierung im Baltikum und Polen, aber nur auf rotierender Basis, so dass die Soldaten schnell abgezogen werden können. "Es war der bewusste Wille der NATO zu sagen, wir müssen zwar die Verteidigungsverpflichtung ernst nehmen, aber gleichzeitig eine Eskalation mit Russland vermeiden", sagt SWP-Wissenschaftlerin Major.

Übungen des US Militärs in Europa | US Defender Europe 20 in Garlstedt
Die US-Soldaten sollen in Garlstedt in geräumigen Zelten übernachtenBild: picture-alliance/dpa/S. Schuldt

Und auch bei der jetzt angelaufenen Großübung "Defender20" werden US-Militärs nicht müde zu betonen, es ginge es nicht darum, Russland zu provozieren. "Diese Übung hat nichts mit einem speziellen Land zu tun", sagte etwa der stellvertretende Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa, General Andrew M. Rohling.  

Welches Ziel soll "Defender20" erreichen?

Es ist ein gewaltiger logistischer Aufwand in kurzer Zeit ein großes Truppenkontingent von der einen Seite eines Kontinents auf die andere Seite zu schicken. Mit "Defender20" wird das, was die "rotational presence" und andere Übungen seit 2014 vorgemacht haben, im großen Stil geprobt.

Dabei geht es laut Expertin Major nicht um ein konkretes Angriffsszenario: "Es geht bei der Übung im Kern um Transit und Transport von Truppen. Die USA üben vor allem die Truppenverlegung. Andere Länder wie Polen und Deutschland üben den Transit, inklusive Aufnahme und Versorgung von Truppen und die Übergabe an das nächste Land."

Übungen des US Militärs in Europa | US Defender Europe 20 in Garlstedt
In Garlstedt in Niedersachsen wurde für die US-Soldaten eine Zeltstadt errichtetBild: picture-alliance/dpa/S. Schuldt

Im niedersächsischen Garlstedt bereitet sich die Bundeswehr-Logistikschule auf die Ankunft von 2000 US-Soldaten vor. Für die Versorgung wurde eine Zeltstadt auf einer Fläche von zwei Fußballfeldern errichtet. SWP-Mitarbeiterin Major fasst Defender20 so zusammen: "Kann man im Krisenfall wirklich innerhalb weniger Tage Truppen in Europa bewegen, das ist die Grundidee der Übung." Die Erkenntnisse aus der Großübung sollen langfristig zu einer Stärkung der NATO beitragen.