Mindestlohn Debatte
30. September 2011Nicht erst seit gestern steht ein gesetzlicher Mindestlohn zur Debatte. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts protestierten erste Arbeiterbewegungen gegen Hungerlöhne und somit für ein Einkommen zur Sicherung der Grundbedürfnisse. Bis heute ist der gesetzliche Mindestlohn ein heftig diskutiertes Thema, bei dem sich Politiker und auch Experten in Deutschland noch nicht einigen konnten.
Vernichtung von Arbeitsplätzen?
Rainer Huke, der beim Bundesverband Deutscher Arbeiterverbände (BDA) für die Lohn- und Tarifpolitik zuständig ist, befürchtet durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns einen starken Eingriff in die Tarifautonomie – also jener Regelung, wonach die Tarifpartner unabhängig von staatlicher Einflussnahme über die Höhe von Löhnen und Gehältern entscheiden.
Zudem besteht zusätzlich die Gefahr, dass die Arbeitslosenquote rasant ansteigt. "Wir befürchten in erster Linie, dass der Einstieg in Arbeit, der vielen gelungen ist, verbaut wäre", sagt Huke im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Für ihn steht fest: "lieber über den Niedriglohn in Arbeit zu kommen, als in der Arbeitslosigkeit zu verharren".
"Von Arbeit muss man leben können!"
Claus Matecki kann das nicht nachvollziehen. Er ist Tarifexperte beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): "Den Menschen sozusagen aufzubürden, egal unter welchen Bedingungen zu arbeiten, halte ich nicht für richtig". Für ihn ist der gesetzliche Mindestlohn die Chance, Löhne unter dem Existenzminimum sowie Altersarmut zu vermeiden. Claus Matecki beharrt zudem darauf, "dass jemand, der voll arbeitet, auch davon leben kann." Zudem merkt er an, dass Deutschland im europäischen Vergleich zu einer Minderheit gehört, da sich 20 von 27 EU-Ländern bereits für den Mindestlohn entschieden haben.
Große Lohnspannen
Deutschland gehört mit Dänemark, Schweden, Finnland, Österreich, Italien und Zypern zu den sieben EU-Staaten, die keinen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt haben. Allerdings gibt es in Deutschland diverse branchenspezifische Mindestlöhne, die über Tarifverträge geregelt werden. Diese dauern in der Regel zwischen einem und drei Jahre und können dann wieder neu verhandelt werden.
In den europäischen Ländern, in denen es bereits einen gesetzlichen Mindestlohn gibt, ist die Höhe des Mindestlohnes jedoch sehr unterschiedlich. So bekommt ein bulgarischer Arbeitnehmer einen monatlichen Bruttomindestlohn von rund 122 Euro, ein Ire dagegen 1461 Euro. Ein Unterschied von 1339 Euro – wobei auch das Verhältnis des Mindestlohns zu den Lebenserhaltungskosten berücksichtigt werden muss.
Rainer Huke vom Arbeitergeberverband ist allerdings nicht der Meinung, dass man den anderen europäischen Ländern nacheifern sollte: "Wir sollten uns die Erfahrung dieser Länder zu eigen machen und nicht deren Fehler wiederholen".
Deutliche Mehrheit dafür
Laut dem Umfrageinstitut Infratest Dimap sprechen sich jedoch knapp 80 Prozent der Deutschen für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in allen europäischen Mitgliedsstaaten aus. Obwohl die Regierungsparteien den gesetzlichen Mindestlohn bisher gänzlich abgelehnt haben, werden aus Gegnern immer häufiger Befürworter. Ob und inwiefern daraus politische Entscheidungen resultieren, bleibt abzuwarten. Klar ist, die Diskussion über den gesetzlichen Mindestlohn wird vermutlich nicht so schnell verstummen.
Autorin: Jana Knabe
Redaktion: Henrik Böhme